Wie Jungforscher den Kreis erkunden
Bildung Spitzenschüler eines Elite-Internats besuchen die Gegend um und in Günzburg
Günzburg Manchmal langweilen sich Schüler in Heinrich Alheids Physikunterricht. Dieses Schicksal teilen viele Lehrer. Doch der Grund dafür ist bei seiner Klasse ein ungewöhnlicher: „Oft wissen die Schüler einfach besser Bescheid als ich“, gesteht der Chemiker mit Doktortitel. Seine Schüler leben in dem Internat Louisenlund in Schleswig-Holstein und wurden für das Plus-Mint-Programm ausgewählt. Die Abkürzung „Mint“steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. In diesen Fächern sind die Schüler besonders talentiert und erhalten Unterricht, der fast auf Universitätsniveau ist.
Zurzeit sind die Schüler auf Klassenfahrt in Bayern. Die
hat ein Besuchsprogramm im Landkreis für sie organisiert: Zunächst steht das Kernkraftwerk Gundremmingen, dann ein Besuch beim Günzburger Oberbürgermeister Gerhard Jauernig, eine Stadtführung und ein Besuch der Firma Wanzl in Leipheim auf dem Plan.
Peter Rösner, Schulleiter von Louisenlund und Gründer des Vereins zur Mint-Talentförderung, möchte künftig junge Talente in den Naturwissenschaften in ganz Deutschland finden. Bisher gibt es nur drei solche Klassen: in Louisenlund und den ebenfalls renommierten Internaten St. Afra in Sachsen und im Birklehof im Schwarzwald (Baden-Württemberg). Leistungszentren für Fußballtalente gebe es etwa 50 in Deutschland, sagt Rösner; im Mintbereich dagegen Fehlanzeige. Normalerweise müssen Eltern etwa 35000 Euro im Jahr an Louisenlund zahlen. Die Schüler der Mint-Klasse haben ein Stipendium. Bei den meisten übernehmen Sponsoren die Internatskosten oder zumindest einen Teil davon.
Der Reisebus kommt am Donnerstag um 9.30 Uhr im Kernkraftwerk Gundremmingen an. Susanne Leinauer und Thomas Bongard führen die 16 Schüler über das Gelände. „Wir sind beide Ingenieure, ihr könnt uns also technischen Fragen stellen“, sagt Bongard. Und das tun sie: Ein Schüler möchte wissen, was Bongard von Wasserkraftwerken hält. „Sehr viel, aber in Deutschland haben wir leider nicht die passende Geografie dafür“, antwortet er. Mit einer Grafik zeigt er, wie die Stromeinspeisung des Kraftwerks schwankt. „Wenn die Sonne scheint und Wind geht, müssen wir unsere Leistung runterfahren.“Dieser Puffer sei wichtig, bisher habe man keine Alternative dafür gefunden.
Der Zeitplan des Besuchs ist straff. Gerhard Jauernig erwartet die Klasse um 13 Uhr im Sitzungssaal des Rathauses. Der Oberbürgermeister wirbt für Günzburg. „Unser Problem ist nicht, Menschen in Arbeit zu bringen, sondern genug Arbeitskräfte zu finden“, sagt er. Der Flexibus weckt Interesse bei der Klasse. „Ist das kostendeckend?“, fragt ein Schüler und wirkt dabei eher wie ein Manager als ein Zehntklässler. Öffentliche Verkehrsmittel seien für sie das wichtigste an einer Stadt, sagen einige. Einer fragt, von welcher Partei der Rathauschef ist. „Ratet mal“, fordert er die Gäste auf. Drei tippen SPD, jeweils einer CSU und FDP. „Jetzt habt ihr einen lebensechten bayerischen Sozi gesehen“, sagt Jauernig zum Abschied.
Zeitgleich trifft Peter Rösner den Schulleiter des Dossenbeger-Gymnasiums, Peter Lang, und den Chemielehrer Thomas Lichtenberger, der die Schüler des Simpert-Kraemer-Gymnasiums bei „Jugend forscht“betreut, in der Redaktion
Rösner erwägt Partnerschaft mit Landkreis Günzburg
der Bisher sei es Zufall, ob Jugendliche von dem Programm erfahren oder nicht, sagt Rösner. Mit den anderen beiden Pädagogen hat er die Idee erörtert, eventuell den besten Schüler des Landkreises Günzburg zu finden und ihn die ersten Schritte des Auswahlverfahrens für das Stipendium überspringen zu lassen. „Wenn sich Unternehmen daran beteiligen, könnte das eine Partnerschaft zwischen dem Landkreis Günzburg und Louisenlund werden“, sagt er.
Die letzte Station ist die Firma Wanzl. Rösner fragt dort, ob man einen smarten Einkaufswagen, der weiß, welche Produkte sich in ihm befinden, bauen kann. „Das kriegen wir hin“, sagt Marketingleiter Jürgen Frank. Später präsentiert er den Stipendiaten den Prototypen, der genau das tut. Er sieht gewöhnlich aus, scannt aber die Produkte per Barcode und erkennt ihre Umrisse. Für die Massenproduktion sei er aber noch zu teuer. Eine Schülerin schlägt vor, dass der Einkaufswagen der Zukunft die eingekauften Waren automatisch in eine Einkaufstüte packen könnte. Dafür bekommt sie prompt ein Praktikumsangebot von Frank: „Das machen wir dann mit Dir in der Produktentwicklung.“
Um 18.30 Uhr fährt der Bus die Gruppe zurück zur Jugendherberge in München. Noch gut zwei Schuljahre muss Heinrich Alheid sich etwas einfallen lassen, um den Schülern im Unterricht etwas neues beizubringen. Dann werden sie ihr Abitur machen und studieren. Zurzeit entwickeln einige von ihnen einen Waschmaschinenfilter, um Mikroplastik nicht in die Umwelt gelangen zu lassen. Es deutet viel daraufhin, dass sie mit solchen Ideen viel bewegen werden. Und wenn die Möglichkeit dafür auch im ländlichen Raum besteht, werden sie es vielleicht dort tun.