Guenzburger Zeitung

Wie Jungforsch­er den Kreis erkunden

Bildung Spitzensch­üler eines Elite-Internats besuchen die Gegend um und in Günzburg

- VON PHILIPP WEHRMANN Zeitung Günzburger Günzburger Zeitung.

Günzburg Manchmal langweilen sich Schüler in Heinrich Alheids Physikunte­rricht. Dieses Schicksal teilen viele Lehrer. Doch der Grund dafür ist bei seiner Klasse ein ungewöhnli­cher: „Oft wissen die Schüler einfach besser Bescheid als ich“, gesteht der Chemiker mit Doktortite­l. Seine Schüler leben in dem Internat Louisenlun­d in Schleswig-Holstein und wurden für das Plus-Mint-Programm ausgewählt. Die Abkürzung „Mint“steht für Mathematik, Informatik, Naturwisse­nschaften und Technik. In diesen Fächern sind die Schüler besonders talentiert und erhalten Unterricht, der fast auf Universitä­tsniveau ist.

Zurzeit sind die Schüler auf Klassenfah­rt in Bayern. Die

hat ein Besuchspro­gramm im Landkreis für sie organisier­t: Zunächst steht das Kernkraftw­erk Gundremmin­gen, dann ein Besuch beim Günzburger Oberbürger­meister Gerhard Jauernig, eine Stadtführu­ng und ein Besuch der Firma Wanzl in Leipheim auf dem Plan.

Peter Rösner, Schulleite­r von Louisenlun­d und Gründer des Vereins zur Mint-Talentförd­erung, möchte künftig junge Talente in den Naturwisse­nschaften in ganz Deutschlan­d finden. Bisher gibt es nur drei solche Klassen: in Louisenlun­d und den ebenfalls renommiert­en Internaten St. Afra in Sachsen und im Birklehof im Schwarzwal­d (Baden-Württember­g). Leistungsz­entren für Fußballtal­ente gebe es etwa 50 in Deutschlan­d, sagt Rösner; im Mintbereic­h dagegen Fehlanzeig­e. Normalerwe­ise müssen Eltern etwa 35000 Euro im Jahr an Louisenlun­d zahlen. Die Schüler der Mint-Klasse haben ein Stipendium. Bei den meisten übernehmen Sponsoren die Internatsk­osten oder zumindest einen Teil davon.

Der Reisebus kommt am Donnerstag um 9.30 Uhr im Kernkraftw­erk Gundremmin­gen an. Susanne Leinauer und Thomas Bongard führen die 16 Schüler über das Gelände. „Wir sind beide Ingenieure, ihr könnt uns also technische­n Fragen stellen“, sagt Bongard. Und das tun sie: Ein Schüler möchte wissen, was Bongard von Wasserkraf­twerken hält. „Sehr viel, aber in Deutschlan­d haben wir leider nicht die passende Geografie dafür“, antwortet er. Mit einer Grafik zeigt er, wie die Stromeinsp­eisung des Kraftwerks schwankt. „Wenn die Sonne scheint und Wind geht, müssen wir unsere Leistung runterfahr­en.“Dieser Puffer sei wichtig, bisher habe man keine Alternativ­e dafür gefunden.

Der Zeitplan des Besuchs ist straff. Gerhard Jauernig erwartet die Klasse um 13 Uhr im Sitzungssa­al des Rathauses. Der Oberbürger­meister wirbt für Günzburg. „Unser Problem ist nicht, Menschen in Arbeit zu bringen, sondern genug Arbeitskrä­fte zu finden“, sagt er. Der Flexibus weckt Interesse bei der Klasse. „Ist das kostendeck­end?“, fragt ein Schüler und wirkt dabei eher wie ein Manager als ein Zehntkläss­ler. Öffentlich­e Verkehrsmi­ttel seien für sie das wichtigste an einer Stadt, sagen einige. Einer fragt, von welcher Partei der Rathausche­f ist. „Ratet mal“, fordert er die Gäste auf. Drei tippen SPD, jeweils einer CSU und FDP. „Jetzt habt ihr einen lebensecht­en bayerische­n Sozi gesehen“, sagt Jauernig zum Abschied.

Zeitgleich trifft Peter Rösner den Schulleite­r des Dossenbege­r-Gymnasiums, Peter Lang, und den Chemielehr­er Thomas Lichtenber­ger, der die Schüler des Simpert-Kraemer-Gymnasiums bei „Jugend forscht“betreut, in der Redaktion

Rösner erwägt Partnersch­aft mit Landkreis Günzburg

der Bisher sei es Zufall, ob Jugendlich­e von dem Programm erfahren oder nicht, sagt Rösner. Mit den anderen beiden Pädagogen hat er die Idee erörtert, eventuell den besten Schüler des Landkreise­s Günzburg zu finden und ihn die ersten Schritte des Auswahlver­fahrens für das Stipendium überspring­en zu lassen. „Wenn sich Unternehme­n daran beteiligen, könnte das eine Partnersch­aft zwischen dem Landkreis Günzburg und Louisenlun­d werden“, sagt er.

Die letzte Station ist die Firma Wanzl. Rösner fragt dort, ob man einen smarten Einkaufswa­gen, der weiß, welche Produkte sich in ihm befinden, bauen kann. „Das kriegen wir hin“, sagt Marketingl­eiter Jürgen Frank. Später präsentier­t er den Stipendiat­en den Prototypen, der genau das tut. Er sieht gewöhnlich aus, scannt aber die Produkte per Barcode und erkennt ihre Umrisse. Für die Massenprod­uktion sei er aber noch zu teuer. Eine Schülerin schlägt vor, dass der Einkaufswa­gen der Zukunft die eingekauft­en Waren automatisc­h in eine Einkaufstü­te packen könnte. Dafür bekommt sie prompt ein Praktikums­angebot von Frank: „Das machen wir dann mit Dir in der Produktent­wicklung.“

Um 18.30 Uhr fährt der Bus die Gruppe zurück zur Jugendherb­erge in München. Noch gut zwei Schuljahre muss Heinrich Alheid sich etwas einfallen lassen, um den Schülern im Unterricht etwas neues beizubring­en. Dann werden sie ihr Abitur machen und studieren. Zurzeit entwickeln einige von ihnen einen Waschmasch­inenfilter, um Mikroplast­ik nicht in die Umwelt gelangen zu lassen. Es deutet viel daraufhin, dass sie mit solchen Ideen viel bewegen werden. Und wenn die Möglichkei­t dafür auch im ländlichen Raum besteht, werden sie es vielleicht dort tun.

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Foto: Jo Bayer, Stiftung Louisenlun­d Von Louisenlun­d nach Günzburg: In diesem Schloss in Schleswig Holstein wird die Klasse unterricht­et, die die naturwisse­nschaftlic­hen Spitzenkrä­fte von morgen sein könnten. Auf ihrer Klassenfah­rt nach Bayern besuchen sie für einen Tag den Landkreis...
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Fotos: Philipp Wehrmann Die Ingenieuri­n Susanne Leinauer erklärt den Schülern im Kernkraftw­erk Gundrem mingen die Funktionsw­eise der Anlage.
 ??  ?? Gerhard Jauernig empfängt die Klasse im Sitzungssa­al des Günzburger Rathauses. Er diskutiert mit ihnen darüber, welche Faktoren eine Stadt attraktiv machen.
Gerhard Jauernig empfängt die Klasse im Sitzungssa­al des Günzburger Rathauses. Er diskutiert mit ihnen darüber, welche Faktoren eine Stadt attraktiv machen.
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Marion Schlegel zeigt den Stipendiat­en die Deckenmale­rei in der Günzburger Frau enkirche und spricht über Maria Theresia.
 ??  ?? Bei der Firma Wanzl in Leipheim erfahren die Schüler, wie intelligen­te Systeme zu nächst einfache Produkte wie Einkaufswä­gen verändern können.
Bei der Firma Wanzl in Leipheim erfahren die Schüler, wie intelligen­te Systeme zu nächst einfache Produkte wie Einkaufswä­gen verändern können.
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Peter Rösner ist Schulleite­r von Louisenlun­d und Vorsitzend­er des Vereins zur Mint Talentförd­erung. Er möchte Talente in ganz Deutschlan­d finden und fördern.
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Die Schüler analysiere­n auf einem Bildschirm den Kundenstro­m in dem Ausstellun­gs raum der Leipheimer Metallware­nfabrik.

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