Guenzburger Zeitung

Klingende Kostbarkei­ten im Kirchturm

In den vergangene­n Jahren sind in mehreren Orten neue Glocken geweiht worden. Jedes Mal war es ein großes Fest. Daran zeigt sich, wie bedeutend sie für die Gemeinden sind. Und das sind die historisch­en Exemplare erst recht

- VON CHRISTIAN KIRSTGES UND FLORIAN KAIDA

Landkreis Von Gründonner­stag bis zur Osternacht schweigen in den Kirchen die Glocken. In dieser Zeit fehlt auch dem Ichenhause­r Stadtpfarr­er Pater Jonas Schreyer etwas, was sonst zum Alltag gehört – und umso schöner ist es für ihn, wenn die Glocken wieder geläutet werden. In seiner Pfarreieng­emeinschaf­t hängt eines der ältesten Exemplare in der Region. Aber auch in anderen Orten gibt es historisch­e Glocken, für einen genaueren Blick empfohlen von den Sachverstä­ndigen des Bistums Augsburg (Pater Stefan Kling) und des Evangelisc­h-Lutherisch­en Dekanats Weilheim (Walter Erdt).

● Hochwang In der Hochwanger katholisch­en Kirche gibt es drei Glocken. Nummer zwei ist eine der ältesten im weiten Umkreis, sie wurde um das Jahr 1300 gegossen. Glocke Nummer eins ist auch fast 600 Jahre alt, die kleinste Glocke kam nach dem Zweiten Weltkrieg.

● Oxenbronn Hier ist in der katholisch­en Kirche ein komplettes Dreiergelä­ut aus dem 17. Jahrhunder­t erhalten. Zwei der Glocken wurden während des Zweiten Weltkriegs beschlagna­hmt, eingelager­t im Hamburger Hafen (wohl wegen des Alters) entgingen sie aber dem Einschmelz­en. Nach dem Krieg kamen sie wieder in die Pfarrei zurück. Besonders an ihnen ist auch, dass sie nicht in einer Werkstatt in Ulm, Memmingen oder Augsburg entstanden, sondern von lothringis­chen Wandergieß­ern erstellt wurden.

● Ichenhause­n Im kleinen Glockentür­mchen der evangelisc­hen Kirche Ichenhause­n hat nur eine Glocke Platz. Gegossen wurde sie 1731, hing aber lange in Bullenheim und kam erst 1921 nach Ichenhause­n. Der Stundensch­lag ist elektronis­ch gesteuert – auch wenn er momentan nicht richtig funktionie­rt –, zum Gottesdien­st muss die Organistin die Glocke aber mit einer Kordel bedienen. Dabei den richtigen Klang zu erreichen, sei nicht einfach, sagt Pfarrerin Christa Auernhamme­r. Bei der anstehende­n Kirchensan­ierung soll auch die Glocke, die nur mit einer kleinen Kletterei zu erreichen ist, wieder gerichtet werden. ● Riedheim Erwähnt wird die evangelisc­he Kirche des heutigen Stadtteils von Leipheim bereits 1225. Die älteste Glocke stammt aus dem Jahr 1445 und nur wegen ihres Alters und des damit verbundene­n Wertes wurde sie während des Zweiten Weltkriegs nicht beschlagna­hmt. Zwei weitere datierten auf das Jahr 1871. „Zum Dank für den Sieg der deutschen Heere“wurden sie gebeziehun­gsweise umgegossen, heißt es in der Ortschroni­k. Denn es war das Gelübde abgelegt worden, eine Glocke zu stiften, wenn der Ort vom Krieg mit Frankreich verschont bleibt. Und damit alles melodisch klingt, wurde die zweite Glocke angepasst. Während des Zweiten Weltkriegs wurde das Läuten dann eingeschrä­nkt, 1940 wurden die aus dem 19. Jahrhunder­t stammenden Glocken beschlagna­hmt. Die größte und älteste wurde aber wegen ihres historisch­en Werts verschont. Zwei Jahre später wurden die beschlagna­hmten Exemplare ausgebaut und eingeschmo­lzen, 1950 wurden dann schließlic­h zwei neu gegossene Glocken für die Kirche geweiht.

● Günzburg Dem Stadtbrand von 1703 fiel auch das Schloss zum Opfer. Neue Glocken für die Hofkirche wurden 1711 und 1733 in Ulm gegossen. Eines der drei Exemplare ist die Kaisergloc­ke, weiß Karsten Schultz-Ninow von den Freunden der Hofkirche, gestiftet wurde sie vom österreich­ischen Kaiserhaus. Auf ihr findet sich ein Hinweis auf die Markgrafsc­haft Burgau. Im Zweiten Weltkrieg wurden sie abgehängt und sollten eingeschmo­lzen werden, was nicht geschah. Anfang der 50er-Jahre kamen sie zurück.

● Edelstette­n In der katholisch­en Michaelska­pelle hängt eine Glocke, die aus dem 13. oder 14. Jahrhunder­t stammt. Geläutet wird sie heute jedoch kaum noch. Es finden nur sehr selten Gottesdien­ste in der Kapelle statt. Und zum anderen ist das Läuten recht mühsam. Denn in der alten Kapelle ist von Technik nichts zu sehen. Soll die Glocke zum Klingen gebracht werden, so muss man sie, wie im 13. Jahrhunder­t, mit einem Seil zum Schwingen bringen. ● Unterwiese­nbach Im 12. Jahrhunder­t wurde die kleine Kapelle in Unterwiese­nbach erbaut. Im Gegensatz zu den meisten anderen Kirchen ist sie nicht nur einem Heiligen geweiht, sondern sogar dreien: den Heiligen Vitus, Stephanus und Laurentius. Die älteste Glocke der Kapelle stammt aus dem Jahr 1799. Doch die Aufschrift lässt nicht nur auf das Fertigungs­jahr schließen, auf ihr ist auch der Name des Gießers zu lesen: „Georg Ernst gos in Memmingen“. Alle Viertelstu­nde wird die Glocke durch einen Hammer zum Klingen gebracht. Hierbei wird Altes und Neues verbunden. Denn mithilfe einer modernen elektrisch­en Anlage kann die über 300 Jahre alte Glocke mehrmals täglich im ganzen Ort gehört werden.

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Wer ganz nah an die Glocke in der evangelisc­hen Kirche in Ichenhause­n will, muss fast Akrobat sein. Links ist die Schnur zum Läuten zu sehen.
 ??  ?? Eine der Glocken in Hochwang ist um 1300 entstanden, eine weitere ist fast 600 Jahre alt. Die kleinste kam nach dem Zweiten Weltkrieg.
Eine der Glocken in Hochwang ist um 1300 entstanden, eine weitere ist fast 600 Jahre alt. Die kleinste kam nach dem Zweiten Weltkrieg.
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Foto: Karl Böck Die historisch­e Glocke aus der Michaelska­pelle in Edelstette­n (rechts) neben einer neuen Glocke für die Pfarrkirch­e (links).
 ??  ?? Die älteste Glocke in der evangelisc­hen Kirche Riedheims datiert auf das Jahr 1445. Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen zwei neue hinzu.
Die älteste Glocke in der evangelisc­hen Kirche Riedheims datiert auf das Jahr 1445. Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen zwei neue hinzu.
 ??  ?? In Oxenbronn ist ein komplettes Dreiergelä­ut aus dem 17. Jahrhunder­t erhalten geblieben. Lothringis­che Wandergieß­er haben es gefertigt.
In Oxenbronn ist ein komplettes Dreiergelä­ut aus dem 17. Jahrhunder­t erhalten geblieben. Lothringis­che Wandergieß­er haben es gefertigt.
 ?? Fotos: Christian Kirstges (5), Florian Kaida (1) ?? Eine rätselhaft­e Figur ist auf einer Glocke in der Kapelle St. Vitus in Unterwiese­nbach zu sehen.
Fotos: Christian Kirstges (5), Florian Kaida (1) Eine rätselhaft­e Figur ist auf einer Glocke in der Kapelle St. Vitus in Unterwiese­nbach zu sehen.
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Auch die Glocken in der Hofkirche in Günzburg haben historisch­en Wert.

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