„Hier fehlen faktisch 180 verfügbare Beamte“
Der bayerische GdP-Vize, Peter Pytlik, über die Auswirkungen der Grenzeinheit auf die Personalsituation der Polizei
Die SPD hat im Landtag zuletzt die „prekäre“Personalsituation der bayerischen Polizei beklagt. Fast jede zehnte Stelle soll demnach unbesetzt sein. Dessen ungeachtet hat der neue Ministerpräsident angekündigt, eine bayerische Grenzpolizei aufzubauen. Bis zu 1000 Beamte sollen der neuen Direktion, die ihren Sitz in Passau haben soll, unterstellt werden. Rund 500 zusätzliche Stellen sollen dazu geschaffen werden. Woher kommen die Polizisten?
Peter Pytlik: Auch für uns war die Aussage des neuen Ministerpräsidenten sehr überraschend. Dass die zusätzlichen 500 Stellen kommen sollen, beruht auf einem Landtagsbeschluss und dies begrüßen wir als Gewerkschaft GdP natürlich. Woher aber die dafür notwendigen Beamtinnen und Beamten kommen sollen, wissen wir nicht. Vorstellbar ist nur eines, dass die sich verstärkt in Ausbildung befindlichen, eigentlich als Ersatz für die aktuell prekäre Personalsituation vorgesehenen Kolleginnen und Kollegen nicht wie vorgesehen zu den Basisdienststellen kommen, sondern anteilig zu den jetzt künftig als „Grenzpolizei“bezeichneten Dienststellen, also den Fahndungseinheiten, zugeteilt werden.
Welche Auswirkungen hat das in den angesprochenen Dienststellen im Inland?
Pytlik: Das hat zur Folge, dass es eben nicht zur dringend notwendigen Verstärkung der Basisdienststellen kommen wird und sich hier die ohnehin personell sehr bedenkliche Situation weiter verschlechtern wird. Die personelle Zuführung zu den Fahndungseinheiten kann aus unserer Sicht deshalb frühestens im Herbst 2019 oder erst im März 2020 erfolgen, wenn die erhöhten Einstellungszahlen Wirkung zeigen. Die Einführung einer neuen „bayerischen Grenzpolizei“, wie sie Markus Söder bezeichnet hat, hat natürlich in Polizeikreisen zu Unruhe und Irritationen und vor allem bei der Bundespolizei teilweise zu Unverständnis geführt. Die Begrifflichkeiten „Grenzpolizei“und „Direktion mit Sitz in Passau“sind denkbar unglücklich gewählt.
Innenminister Herrmann erklärt die vermeintlich unbesetzten Stellen damit, dass Beamte krank, auf Fortbildung oder im Mutterschutz gewesen seien. Die Stellen seien jedoch nicht unbesetzt. Lediglich am Stichtag sei kein Beamter verfügbar gewesen. Man darf annehmen, dass über das Jahr hinweg immer wieder einmal ein Kollege krank ausfällt, sich auf einer Fortbildung oder in Elternzeit befindet. Hat der Minister recht, indem er die Stellennot sozusagen als unglücklichen Einzelfall deklariert? Und müssen derartige Ausfälle im Personalkörper nicht zumindest zu einem gewissen Teil eingeplant werden?
Pytlik: Egal, wie gerechnet wird, seit Langem prangern wir als GdP den zu geringen Personalkörper bei der bayerischen Polizei an. Die Aufgabenfelder für die Polizei haben massiv zugenommen und auch die Bevölkerungszunahme und die Flüchtlingssituation in Bayern sind Mitursachen, die zur Überbelastung der Polizei geführt haben. Die Nutzung der EDV hat nicht nur Vorteile gebracht, sie bindet auch früher mit Ermittlungstätigkeiten beschäftigte Polizeivollzugsbeamte in IT-Bereichen (Hard- und Softwareentwicklung), internem und externem Datenschutz und vielem mehr. Spezialisten aus der freien Wirtschaft sind für diese Zwecke zu den bei der Polizei gebotenen Gehältern kaum zu bekommen. Dass die Polizei grundlegend personell schlecht aufgestellt ist, zeigt sich unter anderem an der Überstundensituation mit knapp zwei Millionen bayernweit und davon rund 72 000 im Bereich des Präsidiums Schwaben Süd/West. Hier fehlen faktisch 180 tatsächlich verfügbare Beamte und bayernweit reden wir von rund 3000 fehlenden Kolleginnen und Kollegen. Schwangerschaften, Elternzeiten, Teilzeiten sind also keine temporär auftretenden Einzelfälle, sondern ein „Dauerzustand“, der bei der Personalplanung Berücksichtigung finden hätte müssen und künftig finden muss.
Welche Auswirkungen hat die Aufstellung der Grenzpolizei angesichts der bereits bestehenden Probleme auf den Präsidiumsbereich Schwaben Süd/ West? Können hier die Stellen, die zum Beispiel durch Abgänge in den Ruhestand frei werden, nachbesetzt werden? Stehen bereits in Aussicht gestellte Nachbesetzungen jetzt wieder auf der Kippe?
Pytlik: Rechnerisch konnten die Ruhestandsabgänge bislang annähernd ausgeglichen werden. Allerdings nicht dort, wo der Weggang auf der jeweiligen Dienststelle tatsächlich auch stattfand. So gibt es diese Personalzuweisungen innerhalb des Präsidiums Schwaben Süd/West nur dort, wo die errechnete Belastung eine nicht mehr tolerierbare Höhe erreicht hat oder eine Dienststelle nicht mehr rund um die Uhr funktionsfähig ist. Die übrigen Dienststellen müssen damit leben, dass sie ihre Ruhestandsabgänge teilweise nicht oder gar nicht ersetzt bekommen.
Hier drängt sich der Eindruck auf, angesichts der bevorstehenden Landtagswahl und der Abwanderung von Wählern zur AfD, mit der Grenzpolizei Handlungsfähigkeit und Entschlossenheit zu demonstrieren. Wie beurteilen Sie das: Wird hier, um den Schutz an den Grenzen zu verbessern, die Sicherheit im Landesinneren vernachlässigt? Pytlik: Wenn die Bundespolizei ihren originären Aufgaben im erforderlichen Maße nachkommen könnte – auch hier fehlt es massiv an Personal –, hätten wir die Diskussion einer eigenen bayerischen Grenzpolizei nicht. Eine vernünftige Verstärkung der jetzigen Fahndungsdienststellen, die im Übrigen hervorragende Arbeit leisten, würde aus unserer Sicht ausreichend sein. An den bayerischen Flughäfen in Nürnberg und in Memmingen – mit Ausnahme des bereits durch die Bundespolizei betreuten Flughafens München – erfüllt die Landespolizei grenzpolizeiliche Aufgaben, die aufgrund eines Vertrages zwischen Land und Bund in 2008 so manifestiert wurden, obwohl auch hier die Bundespolizei originär zuständig wäre. So war es zuletzt erforderlich – ohne entsprechende Personalzuweisung –, aus dem vorhandenen verfügbaren Personal beim Polizeipräsidium Schwaben Süd/West neuerlich 20 Beamte am Flughafen Memmingen zu verwenden, die bei ihren Herkunftsdienststellen abgezogen wurden und nun schmerzlich fehlen. An eine Sonderzuweisung im Herbst für den Allgäu-Airport in Memmingen ist nach Aussagen des Innenministeriums nicht zu denken, weil die Zuteilungen im Herbst dafür nicht ausreichen. Natürlich drängt sich der Verdacht auf, dass die Diskussion um die innere Sicherheit bei allen Parteien zum Wahlkampfthema geworden ist. Wir wissen dementsprechend auch, dass Politiker aller Parteien, je nach politischer Situation, sehr flexibel reagieren können. Am Karfreitag ist die Polizei Burgau darauf aufmerksam geworden, dass in einer ehemaligen Diskothek in Jettingen-Scheppach eine Party stattfand. Diese war als Geburtstagsfeier deklariert, tatsächlich wurden aber Eintrittsgelder verlangt und die Getränke verkauft. Somit handelte es sich um eine kommerzielle Veranstaltung, welche hätte angemeldet und genehmigt werden müssen. Da dies nicht der Fall war, war die Polizei mit mehreren Streifen im Einsatz und löste die Veranstaltung gegen 21 Uhr auf. Zudem hätte sich der Veranstalter an die Vorschriften des Jugendschutzes und die Regeln für die stillen Feiertage halten müssen. Den Veranstalter erwartet nun ein Bußgeldverfahren.