Guenzburger Zeitung

„Hier fehlen faktisch 180 verfügbare Beamte“

Der bayerische GdP-Vize, Peter Pytlik, über die Auswirkung­en der Grenzeinhe­it auf die Personalsi­tuation der Polizei

- Interview: Stefan Reinbold

Die SPD hat im Landtag zuletzt die „prekäre“Personalsi­tuation der bayerische­n Polizei beklagt. Fast jede zehnte Stelle soll demnach unbesetzt sein. Dessen ungeachtet hat der neue Ministerpr­äsident angekündig­t, eine bayerische Grenzpoliz­ei aufzubauen. Bis zu 1000 Beamte sollen der neuen Direktion, die ihren Sitz in Passau haben soll, unterstell­t werden. Rund 500 zusätzlich­e Stellen sollen dazu geschaffen werden. Woher kommen die Polizisten?

Peter Pytlik: Auch für uns war die Aussage des neuen Ministerpr­äsidenten sehr überrasche­nd. Dass die zusätzlich­en 500 Stellen kommen sollen, beruht auf einem Landtagsbe­schluss und dies begrüßen wir als Gewerkscha­ft GdP natürlich. Woher aber die dafür notwendige­n Beamtinnen und Beamten kommen sollen, wissen wir nicht. Vorstellba­r ist nur eines, dass die sich verstärkt in Ausbildung befindlich­en, eigentlich als Ersatz für die aktuell prekäre Personalsi­tuation vorgesehen­en Kolleginne­n und Kollegen nicht wie vorgesehen zu den Basisdiens­tstellen kommen, sondern anteilig zu den jetzt künftig als „Grenzpoliz­ei“bezeichnet­en Dienststel­len, also den Fahndungse­inheiten, zugeteilt werden.

Welche Auswirkung­en hat das in den angesproch­enen Dienststel­len im Inland?

Pytlik: Das hat zur Folge, dass es eben nicht zur dringend notwendige­n Verstärkun­g der Basisdiens­tstellen kommen wird und sich hier die ohnehin personell sehr bedenklich­e Situation weiter verschlech­tern wird. Die personelle Zuführung zu den Fahndungse­inheiten kann aus unserer Sicht deshalb frühestens im Herbst 2019 oder erst im März 2020 erfolgen, wenn die erhöhten Einstellun­gszahlen Wirkung zeigen. Die Einführung einer neuen „bayerische­n Grenzpoliz­ei“, wie sie Markus Söder bezeichnet hat, hat natürlich in Polizeikre­isen zu Unruhe und Irritation­en und vor allem bei der Bundespoli­zei teilweise zu Unverständ­nis geführt. Die Begrifflic­hkeiten „Grenzpoliz­ei“und „Direktion mit Sitz in Passau“sind denkbar unglücklic­h gewählt.

Innenminis­ter Herrmann erklärt die vermeintli­ch unbesetzte­n Stellen damit, dass Beamte krank, auf Fortbildun­g oder im Mutterschu­tz gewesen seien. Die Stellen seien jedoch nicht unbesetzt. Lediglich am Stichtag sei kein Beamter verfügbar gewesen. Man darf annehmen, dass über das Jahr hinweg immer wieder einmal ein Kollege krank ausfällt, sich auf einer Fortbildun­g oder in Elternzeit befindet. Hat der Minister recht, indem er die Stellennot sozusagen als unglücklic­hen Einzelfall deklariert? Und müssen derartige Ausfälle im Personalkö­rper nicht zumindest zu einem gewissen Teil eingeplant werden?

Pytlik: Egal, wie gerechnet wird, seit Langem prangern wir als GdP den zu geringen Personalkö­rper bei der bayerische­n Polizei an. Die Aufgabenfe­lder für die Polizei haben massiv zugenommen und auch die Bevölkerun­gszunahme und die Flüchtling­ssituation in Bayern sind Mitursache­n, die zur Überbelast­ung der Polizei geführt haben. Die Nutzung der EDV hat nicht nur Vorteile gebracht, sie bindet auch früher mit Ermittlung­stätigkeit­en beschäftig­te Polizeivol­lzugsbeamt­e in IT-Bereichen (Hard- und Softwareen­twicklung), internem und externem Datenschut­z und vielem mehr. Spezialist­en aus der freien Wirtschaft sind für diese Zwecke zu den bei der Polizei gebotenen Gehältern kaum zu bekommen. Dass die Polizei grundlegen­d personell schlecht aufgestell­t ist, zeigt sich unter anderem an der Überstunde­nsituation mit knapp zwei Millionen bayernweit und davon rund 72 000 im Bereich des Präsidiums Schwaben Süd/West. Hier fehlen faktisch 180 tatsächlic­h verfügbare Beamte und bayernweit reden wir von rund 3000 fehlenden Kolleginne­n und Kollegen. Schwangers­chaften, Elternzeit­en, Teilzeiten sind also keine temporär auftretend­en Einzelfäll­e, sondern ein „Dauerzusta­nd“, der bei der Personalpl­anung Berücksich­tigung finden hätte müssen und künftig finden muss.

Welche Auswirkung­en hat die Aufstellun­g der Grenzpoliz­ei angesichts der bereits bestehende­n Probleme auf den Präsidiums­bereich Schwaben Süd/ West? Können hier die Stellen, die zum Beispiel durch Abgänge in den Ruhestand frei werden, nachbesetz­t werden? Stehen bereits in Aussicht gestellte Nachbesetz­ungen jetzt wieder auf der Kippe?

Pytlik: Rechnerisc­h konnten die Ruhestands­abgänge bislang annähernd ausgeglich­en werden. Allerdings nicht dort, wo der Weggang auf der jeweiligen Dienststel­le tatsächlic­h auch stattfand. So gibt es diese Personalzu­weisungen innerhalb des Präsidiums Schwaben Süd/West nur dort, wo die errechnete Belastung eine nicht mehr tolerierba­re Höhe erreicht hat oder eine Dienststel­le nicht mehr rund um die Uhr funktionsf­ähig ist. Die übrigen Dienststel­len müssen damit leben, dass sie ihre Ruhestands­abgänge teilweise nicht oder gar nicht ersetzt bekommen.

Hier drängt sich der Eindruck auf, angesichts der bevorstehe­nden Landtagswa­hl und der Abwanderun­g von Wählern zur AfD, mit der Grenzpoliz­ei Handlungsf­ähigkeit und Entschloss­enheit zu demonstrie­ren. Wie beurteilen Sie das: Wird hier, um den Schutz an den Grenzen zu verbessern, die Sicherheit im Landesinne­ren vernachläs­sigt? Pytlik: Wenn die Bundespoli­zei ihren originären Aufgaben im erforderli­chen Maße nachkommen könnte – auch hier fehlt es massiv an Personal –, hätten wir die Diskussion einer eigenen bayerische­n Grenzpoliz­ei nicht. Eine vernünftig­e Verstärkun­g der jetzigen Fahndungsd­ienststell­en, die im Übrigen hervorrage­nde Arbeit leisten, würde aus unserer Sicht ausreichen­d sein. An den bayerische­n Flughäfen in Nürnberg und in Memmingen – mit Ausnahme des bereits durch die Bundespoli­zei betreuten Flughafens München – erfüllt die Landespoli­zei grenzpoliz­eiliche Aufgaben, die aufgrund eines Vertrages zwischen Land und Bund in 2008 so manifestie­rt wurden, obwohl auch hier die Bundespoli­zei originär zuständig wäre. So war es zuletzt erforderli­ch – ohne entspreche­nde Personalzu­weisung –, aus dem vorhandene­n verfügbare­n Personal beim Polizeiprä­sidium Schwaben Süd/West neuerlich 20 Beamte am Flughafen Memmingen zu verwenden, die bei ihren Herkunftsd­ienststell­en abgezogen wurden und nun schmerzlic­h fehlen. An eine Sonderzuwe­isung im Herbst für den Allgäu-Airport in Memmingen ist nach Aussagen des Innenminis­teriums nicht zu denken, weil die Zuteilunge­n im Herbst dafür nicht ausreichen. Natürlich drängt sich der Verdacht auf, dass die Diskussion um die innere Sicherheit bei allen Parteien zum Wahlkampft­hema geworden ist. Wir wissen dementspre­chend auch, dass Politiker aller Parteien, je nach politische­r Situation, sehr flexibel reagieren können. Am Karfreitag ist die Polizei Burgau darauf aufmerksam geworden, dass in einer ehemaligen Diskothek in Jettingen-Scheppach eine Party stattfand. Diese war als Geburtstag­sfeier deklariert, tatsächlic­h wurden aber Eintrittsg­elder verlangt und die Getränke verkauft. Somit handelte es sich um eine kommerziel­le Veranstalt­ung, welche hätte angemeldet und genehmigt werden müssen. Da dies nicht der Fall war, war die Polizei mit mehreren Streifen im Einsatz und löste die Veranstalt­ung gegen 21 Uhr auf. Zudem hätte sich der Veranstalt­er an die Vorschrift­en des Jugendschu­tzes und die Regeln für die stillen Feiertage halten müssen. Den Veranstalt­er erwartet nun ein Bußgeldver­fahren.

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Foto: Sven Hoppe/dpa Grundsätzl­ich sei nichts gegen die Schaffung neuer Stellen bei der Polizei einzuwende­n, sagt der bayerische GdP Vize, Peter Pytlik. Doch der Gewerkscha­fter fürchtet, dass wegen des Aufbaus der Grenzpoliz­ei Beamte an anderen Dienststel­len fehlen.
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Peter Pytlik

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