Einfach märchenhaft
Mit Lust am Ungewöhnlichen setzt das sinfonische Blasorchester Kötz Akzente – und die machen Laune
Kötz Ein Flair dörflicher Urbanität durchschwebt traditionsgemäß beim jährlich stattfindenden Osterkonzert des Kötzer Blasorchesters die voll besetzte mitvibrierende Günztalhalle. Fernab aller herkömmlich aufrauschenden Blasmusiktradition nämlich huldigen Jugendund Großorchester der stilisierten Hochform melodischer Neuzeit-Finesse. Statt altväterlich ausgezirkelte Repertoirekracher, souverän ausgehörte und in sinfonischen Sphären angesiedelter Blechund Holzbläsergehalt. Eine Reise ins Ungewisse? Nein. War einmal. Schon im Jugendorchester geht der Trend in Richtung High-ClassicDesign, nicht im Sinne von „anything goes“, sondern als bewusst genutztes Stil- und Schulungsmittel.
Die sinfonische Rhapsodie der „Armenischen Tänze“macht Diri- gent Benedict Waldmann mit seinen kultiviert und sinnenfroh aufspielenden Jungmusikern im ersten Teil des Konzertabends zu einem Urstromtal der Töne. Lässt sie im „Cloud(iu)s“von Noten träumen, von Wolkenbildern, koloriert als polyrhythmisch himmelstrebende Momente. Mit rhythmischem Drive geht’s in den Soundtrack von Disney-Hollywoods Animationsfilm „The Incredibles“, mal honigmilde, mal feuerfunkelnd hippe Comic-, Action- und Tempo-Parcours durchdonnernd, um schließlich „Die tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten“in wellness-selig ungetrübtem Hmtata, auf kuschelfaktoraler Schnickschnack-Ebene zu verabschieden. Von verdientem Beifall umbrandet natürlich.
Auf stolze 70 kommt man bei der Mitgliedszahl des großen Orchesters. Märchenhaft! Und märchenhaft geht es Dirigent Benjamin Markl auch an. Mit einer orientalischen Odyssee, mit silbrig feinem Klanggeflecht und Vollrohr wutdurchzucktem Wind-, Wellen- und Wogengetöse. Zuckende Blechblitze durchschneiden holzmelodischen Gewittersturm, weichgespült schließlich von versöhnlichen Klarinetten und geleitet in ein tröstliches Finale, in eine unendlich ferne Stille. Grandios, mit welch enormer Bandbreite das Orchester, mal romantisch rieselnd, mal glamourös aufschäumend, auf dem Lichtstrahl ungezwungener Spiellust balanciert.
Wie es dem rauchigen Whiskey, salzigen Wind und urigen Pub im wehmutssatten irischen Dorf „Tullamore“melodisch steppende Leichtfüßigkeit verleiht. Wie es einem Konzertmarsch gleichschrittgerundete Melodiebögen überstülpt. Einen millionenfachen Allerweltszauberer Marke Hogwart flötenflirrend und trompetenflunkernd durch Raum und Zeit melodisiert, oder mit hingestreichelter Emotionsfülle, das durch alle Instrumentalgruppen zärtelnde „Abends will ich schlafen gehen“aus Humperdincks Hänsel und Gretel, in poetisch lyrische Herzensgeradlinigkeit transponiert.
Von „Rock me Amadeus“bis in den Sternenhimmel
Das Ergebnis, wenn man einen Johann Strauß’schen Dreiviertel-Takt um ein Viertel kürzt? Astreines Polka-Hmtata und Heißassa. „Leichtes Blut“wallt sodann, emotionswuchtig und furios entfesselt, als erotischer Flammenwerfer durch Herz, Seele und sonstige Grundprinzipien vollendeter Lust- und Freudenkünderei. Und was würde sich nach drei Gute-Laune-Stunden besser als Schlusspunkt eignen als eine von Erinnerungswehmut umflorte 80erJahre-Popmusik-Rückblende, im beschwingten Bogen von „Rock me Amadeus“über „La-La-La“bis in den Sternenhimmel.
„In Kötz“, bilanzierte Vereinsvorsitzender Ludwig Wörle, „ist der gute Ton zu Hause“. Und das, weil Ergebnis und Erfolg auf der Basis von Dirigenten, Jugendarbeit und einem Mix aus Jung/Alt beruhten. ASM-Vize Michael Fritz trug dem Rechnung mit Auszeichnungen für langjährige Vereinstätigkeit an Christian Kleiber (15 Jahre), Markus Kunzmann und Barbara Görlich (25 Jahre) und Carolin Wachowiak (30 Jahre). Gründungsvater Albert Dir durfte – pünktlich zu seinem 80. – mit der ersten Zugabe nach „New York, New York“, während auf Sepp, der sage und schreibe 57 Jahre der Basstuba diente, eine Extra-Polka wartete. Doch dazu stellte er sein Instrument demonstrativ in die Ecke und hörte sein Geschenk „endlich mal“vom Saal aus an.