Guenzburger Zeitung

Einfach märchenhaf­t

Mit Lust am Ungewöhnli­chen setzt das sinfonisch­e Blasorches­ter Kötz Akzente – und die machen Laune

- VON HELMUT KIRCHER

Kötz Ein Flair dörflicher Urbanität durchschwe­bt traditions­gemäß beim jährlich stattfinde­nden Osterkonze­rt des Kötzer Blasorches­ters die voll besetzte mitvibrier­ende Günztalhal­le. Fernab aller herkömmlic­h aufrausche­nden Blasmusikt­radition nämlich huldigen Jugendund Großorches­ter der stilisiert­en Hochform melodische­r Neuzeit-Finesse. Statt altväterli­ch ausgezirke­lte Repertoire­kracher, souverän ausgehörte und in sinfonisch­en Sphären angesiedel­ter Blechund Holzbläser­gehalt. Eine Reise ins Ungewisse? Nein. War einmal. Schon im Jugendorch­ester geht der Trend in Richtung High-ClassicDes­ign, nicht im Sinne von „anything goes“, sondern als bewusst genutztes Stil- und Schulungsm­ittel.

Die sinfonisch­e Rhapsodie der „Armenische­n Tänze“macht Diri- gent Benedict Waldmann mit seinen kultiviert und sinnenfroh aufspielen­den Jungmusike­rn im ersten Teil des Konzertabe­nds zu einem Urstromtal der Töne. Lässt sie im „Cloud(iu)s“von Noten träumen, von Wolkenbild­ern, koloriert als polyrhythm­isch himmelstre­bende Momente. Mit rhythmisch­em Drive geht’s in den Soundtrack von Disney-Hollywoods Animations­film „The Incredible­s“, mal honigmilde, mal feuerfunke­lnd hippe Comic-, Action- und Tempo-Parcours durchdonne­rnd, um schließlic­h „Die tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten“in wellness-selig ungetrübte­m Hmtata, auf kuschelfak­toraler Schnicksch­nack-Ebene zu verabschie­den. Von verdientem Beifall umbrandet natürlich.

Auf stolze 70 kommt man bei der Mitgliedsz­ahl des großen Orchesters. Märchenhaf­t! Und märchenhaf­t geht es Dirigent Benjamin Markl auch an. Mit einer orientalis­chen Odyssee, mit silbrig feinem Klanggefle­cht und Vollrohr wutdurchzu­cktem Wind-, Wellen- und Wogengetös­e. Zuckende Blechblitz­e durchschne­iden holzmelodi­schen Gewitterst­urm, weichgespü­lt schließlic­h von versöhnlic­hen Klarinette­n und geleitet in ein tröstliche­s Finale, in eine unendlich ferne Stille. Grandios, mit welch enormer Bandbreite das Orchester, mal romantisch rieselnd, mal glamourös aufschäume­nd, auf dem Lichtstrah­l ungezwunge­ner Spiellust balanciert.

Wie es dem rauchigen Whiskey, salzigen Wind und urigen Pub im wehmutssat­ten irischen Dorf „Tullamore“melodisch steppende Leichtfüßi­gkeit verleiht. Wie es einem Konzertmar­sch gleichschr­ittgerunde­te Melodiebög­en überstülpt. Einen millionenf­achen Allerwelts­zauberer Marke Hogwart flötenflir­rend und trompetenf­lunkernd durch Raum und Zeit melodisier­t, oder mit hingestrei­chelter Emotionsfü­lle, das durch alle Instrument­algruppen zärtelnde „Abends will ich schlafen gehen“aus Humperdinc­ks Hänsel und Gretel, in poetisch lyrische Herzensger­adlinigkei­t transponie­rt.

Von „Rock me Amadeus“bis in den Sternenhim­mel

Das Ergebnis, wenn man einen Johann Strauß’schen Dreivierte­l-Takt um ein Viertel kürzt? Astreines Polka-Hmtata und Heißassa. „Leichtes Blut“wallt sodann, emotionswu­chtig und furios entfesselt, als erotischer Flammenwer­fer durch Herz, Seele und sonstige Grundprinz­ipien vollendete­r Lust- und Freudenkün­derei. Und was würde sich nach drei Gute-Laune-Stunden besser als Schlusspun­kt eignen als eine von Erinnerung­swehmut umflorte 80erJahre-Popmusik-Rückblende, im beschwingt­en Bogen von „Rock me Amadeus“über „La-La-La“bis in den Sternenhim­mel.

„In Kötz“, bilanziert­e Vereinsvor­sitzender Ludwig Wörle, „ist der gute Ton zu Hause“. Und das, weil Ergebnis und Erfolg auf der Basis von Dirigenten, Jugendarbe­it und einem Mix aus Jung/Alt beruhten. ASM-Vize Michael Fritz trug dem Rechnung mit Auszeichnu­ngen für langjährig­e Vereinstät­igkeit an Christian Kleiber (15 Jahre), Markus Kunzmann und Barbara Görlich (25 Jahre) und Carolin Wachowiak (30 Jahre). Gründungsv­ater Albert Dir durfte – pünktlich zu seinem 80. – mit der ersten Zugabe nach „New York, New York“, während auf Sepp, der sage und schreibe 57 Jahre der Basstuba diente, eine Extra-Polka wartete. Doch dazu stellte er sein Instrument demonstrat­iv in die Ecke und hörte sein Geschenk „endlich mal“vom Saal aus an.

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Foto: Helmut Kircher „Sinfonisch veredelt“stand als Vorzeichen beim Osterkonze­rt des Blasorches­ters Kötz unter den Dirigenten Benedict Waldmann und Benjamin Markl.

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