Guenzburger Zeitung

„Alle sollten dem Beispiel Bayerns folgen“

Der Chef der Deutschen Polizeigew­erkschaft DPolG, Rainer Wendt, fordert mehr Grenzkontr­ollen und einen Kurswechse­l in der Asylpoliti­k. Der Kontrollve­rlust vom Herbst 2015 könne sich jederzeit wiederhole­n, warnt er

- Interview: Bernhard Junginger

CSU-Innenminis­ter Horst Seehofer hat angekündig­t, dass bis zum Herbst ein erstes Rückführun­gszentrum für Flüchtling­e in Betrieb gehen soll. Mittelfris­tig soll das gesamte Asylverfah­ren in solchen Ankerzentr­en abgewickel­t werden statt wie bisher in den Kommunen. Ist das der richtige Weg? Rainer Wendt: Das Konzept gibt es im Prinzip ja schon, etwa bei den Transitzon­en an Flughäfen. Dort werden vor der Einreise die Identität und die Berechtigu­ng zur Einreise geprüft. In den Ankerzentr­en soll neben der Identität das Asylbegehr­en geprüft werden. Nur wenn die Voraussetz­ungen stimmen, werden die Leute auf die Städte und Gemeinden verteilt, andernfall­s wird zügig abgeschobe­n. Und dieses Prinzip ist auch absolut richtig. Wir müssen wissen, wer ins Land kommt und die Abschiebe-Verhinderu­ngsindustr­ie in den Griff bekommen.

Was meinen Sie damit?

Wendt: Es gibt zahlreiche Verbände, Ärzte und Anwälte, die alle Register ziehen, um Abschiebun­gen zu verhindern. So kommt es, dass es im vergangene­n Jahr nur 24000 Abschiebun­gen gegeben hat - diese Zahl ist ein Witz. Durch eine Residenzpf­licht in den Ankerzentr­en kann verhindert werden, dass Asylbewerb­er abtauchen, um sich Abschiebun­gen zu entziehen.

Das erste Ankerzentr­um soll unter der Führung der Bundespoli­zei stehen ... Wendt: Das ist ein erster Schritt, doch es kann keinesfall­s eine Dauerlösun­g sein, denn dafür reichen unsere Kapazitäte­n nicht. Der Innenminis­ter muss ein Konzept für die Ankerzentr­en vorlegen, das die Polizei nicht überforder­t.

Wie sollen Bewohner am Verlassen der Einrichtun­g gehindert werden? Wendt: Die Bewohner werden dort nicht eingesperr­t sein, ich finde, da darf es keine hohen Zäune geben. Für Fälle, in denen die Gefahr des Untertauch­ens droht, gibt es ja bereits das Instrument der Abschiebeh­aft. Aber generell hat die Bundespoli­zei gar nicht das Personal, über einen längeren Zeitraum diese Einrichtun­gen zu bewachen.

Was spricht gegen Privatwach­dienste? Wendt: In der Praxis zeigt sich, dass man sich die Personen, die in diesem Bereich arbeiten, genau ansehen muss. Da kommen oft Mitglieder von Rockerband­en oder kriminelle­n arabischen Familiencl­ans zum Einsatz. Es ist Sicherheit­sunternehm­en leider nicht verboten, Subunterne­hmer zu beschäftig­en, das macht es schwierig, zu garantiere­n, dass nur seriöse Firmen zum Zug kommen. könnte die Aufgabe trotzdem bewältigt werden?

Wendt: Etwa indem Bundes- und Landespoli­zei eng zusammenar­beiten und auch insgesamt mehr sogenannte Einsatzass­istenten eingestell­t werden. Das sind tariflich beschäftig­te Kräfte in Uniform, die keine Beamten sind, aber unter Führung erfahrener Polizisten eingesetzt werden. Übrigens ist die Bundespoli­zei ja bereits durch ihre Aufgaben im Bereich Grenzschut­z überlastet.

Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder von der CSU will deswegen eine eigene Grenzpoliz­ei aufbauen ... Wendt: Söder macht das absolut richtig. Alle Bundesländ­er sollten dem Beispiel Bayerns folgen und die Schleierfa­hndung an ihren Grenzen hochfahren. Denn wenn Bayern stärker kontrollie­rt, werden sich die Schleuserr­outen etwa nach BadenWürtt­emberg, Sachsen oder Brandenbur­g verlagern. Bundeskanz­lerin Angela Merkel hat in ihrer Regierungs­erklärung versproche­n, dass sich ein Kontrollve­rlust wie im Herbst 2015 nicht wiederhole­n darf. Doch dafür gibt es nicht die Voraus- setzungen, die Grenze ist nach wie vor offen. Weder Europa noch Deutschlan­d können ihre Grenzen ausreichen­d sichern, in Deutschlan­d fehlen dazu tausende Polizisten. Es geht ja auch nicht nur um illegale Migration, sondern auch um Kriminalit­ät. Dort, wo in Grenznähe kontrollie­rt wird, gibt es tausende Aufgriffe, etwa im Bereich Drogenschm­uggel.

Im Koalitions­vertrag von Union und SPD steht, dass bei Bund und Ländern zusammen 15 000 Polizisten­stellen geschaffen werden sollen. Reicht das aus? Wendt: Nicht annähernd. Es sind ja zuvor 17000 Stellen abgebaut worden und das war vor der Flüchtling­skrise. Neue Aufgaben sind auch durch die ausufernde Cyberkrimi­nalität oder durch Rockerband­en hinzugekom­men. Wir haben rund 265 000 Polizisten in Deutschlan­d. Das sind nach unserer Einschätzu­ng etwa 50000 zu wenig.

Zuletzt hat eine Reihe judenfeind­licher Vorfälle für Entsetzen gesorgt. Unionsfrak­tionschef Volker Kauder fordert eine Meldepflic­ht für antisemiti­Wie sche Vorfälle an Schulen. Was halten Sie davon?

Wendt: Das hätte man längst machen müssen. Wir brauchen dringend eine bessere Meldekultu­r, auch was Gewalttate­n insgesamt betrifft. Leider haben viele Schulleite­r bisher nach dem Motto „in meiner Schule gibt es das nicht“gehandelt. Antisemiti­smus bringen viele Kinder von zu Hause mit. Und da darf man nicht davor zurückschr­ecken, das klar zu benennen. Auch hier wurde bisher vieles von dem, was an Antisemiti­smus von Muslimen ausgeht, nicht gerne registrier­t. Doch das muss vorurteils­frei erfasst werden, um wirksame Gegenstrat­egien entwickeln zu können.

Wie könnten die aussehen?

Wendt: Ein entschiede­nes Eintreten gegen Antisemiti­smus ist in Deutschlan­d zu Recht Staatsräso­n. Da muss sehr entschiede­n gehandelt werden, auch wenn die Aggression von Migranten ausgeht. Wenn Kinder zu Antisemite­n erzogen werden, darf man nicht davor zurückschr­ecken, sie aus ihren Familien herauszune­hmen. Laut Statistik wird nur ein kleiner Teil der antisemiti­schen Straftaten von Muslimen begangen, der überwiegen­de Teil von Rechtsextr­emen ... Wendt: An der Art, wie diese Straftaten bisher erfasst werden, sind erhebliche Zweifel angebracht. Wenn etwa jüdische Einrichtun­gen beschmiert oder beschädigt werden und die Täter unbekannt sind, wird für die Statistik automatisc­h von einer rechtsextr­emen Tat ausgegange­n. Das ist nicht mehr zeitgemäß, wie die Entwicklun­g zeigt. Es ist von einer hohen Dunkelziff­er auszugehen, was von Muslimen begangene antisemiti­sche Taten betrifft.

Nach einer Reihe von Messerangr­iffen wird über ein mögliches Messer-Verbot diskutiert. Brauchen wir das?

Wendt: Ich verstehe überhaupt nicht, warum bestimmte Messer in der Öffentlich­keit getragen werden

„Weder Europa noch Deutschlan­d können ihre Grenzen aus reichend sichern, Gewerkscha­fter Rainer Wendt

dürfen. Klappmesse­r etwa sind erlaubt und die werden dann auch in Discos, Schulen oder Jugendtref­fs getragen. Und wenn es Streit gibt, dann kann das schnell tödlich enden.

Ist die Gefahr, Opfer eines Messerangr­iffs zu werden, größer geworden? Wendt: Es gibt Studien, etwa aus Hessen, die nahelegen, dass immer mehr Personen, meist Jugendlich­e oder junge Männer, Messer bei sich tragen. Und es deutet einiges darauf hin, dass dies bei Zuwanderer­n besonders häufig der Fall ist. In manchen Kulturen ist das Tragen eines Messers für Männer normal. Wir müssen klar machen, dass dies bei uns nicht der Fall ist. Wir müssen uns fragen, ob wir eine messertrag­ende Jugend haben wollen. Auch hier geht es darum, vor einer Verbotsdis­kussion erst einmal die Lage zu erfassen, herauszufi­nden, was die Leute dazu treibt, mit einer Stichwaffe herumzulau­fen. Wir sind keine schusswaff­entragende Gesellscha­ft wie etwa die USA. Ich denke, wir sollten auch keine messertrag­ende Gesellscha­ft werden.

OZur Person Rainer Wendt ist seit 2007 Chef der Deutschen Polizeige werkschaft DPolG, der mit etwa 94 000 Mitglieder­n zweitgrößt­en deutschen Polizeigew­erkschaft. Der 62 jährige Nordrhein Westfale ist Mitglied sowohl der CDU und als auch der CSU.

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Foto: Hoppe, dpa Kontrolle an der A8: „Die Grenze ist nach wie vor offen“, warnt Polizeigew­erkschafte­r Rainer Wendt.
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