Guenzburger Zeitung

Die ungleiche Syrien Allianz

In Ankara wollen die Staatschef­s von Russland, der Türkei und dem Iran über das Kriegsland sprechen – ganz ohne die USA

- VON SUSANNE GÜSTEN

Istanbul So herzlich wie Wladimir Putin wird derzeit kein westlicher Staatsmann in Ankara empfangen. Als der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan am Dienstag in seinem Palast in der Hauptstadt seinen russischen Kollegen traf, stand gleich eine Jubelstund­e für die türkisch-russischen Beziehunge­n an: Per Videoschal­tung nahmen die beiden Präsidente­n an der Grundstein­leigung für das erste Atomkraftw­erk der Türkei teil, das mit russischer Hilfe in Akkuyu am Mittelmeer gebaut wird. Auch bei einem Gipfeltref­fen von Erdogan und Putin mit dem iranischen Präsidente­n Hasan Ruhani zum Thema Syrien an diesem Mittwoch wird es vor den Kameras viel Gemeinsame­s geben.

Die Türkei, Russland, der Iran bilden in Syrien eine Allianz, die vom angekündig­ten Rückzug der USA aus dem Bürgerkrie­gsland erheblich profitiere­n könnte. Bei ihrem zweiten Gipfeltref­fen wollen die drei Präsidente­n in Ankara über eine neue Verfassung für Syrien und über den Ausbau der sogenannte­n „Deeskalati­onszonen“sprechen. Die Zonen sollen ein Ende der Kämpfe und eine Rückkehr der Zivilbevöl­kerung ermögliche­n.

Alle drei Partner profitiere­n von ihrer Zusammenar­beit. Russland kann als führende Militärmac­ht in Syrien einen Keil zwischen die Nato-Partner Türkei und USA treiben und auf eine dauerhafte Präsenz im Nahen Osten hinarbeite­n. Die Türkei erhielt von Russland grünes Licht für ihre Interventi­on gegen die Kurden im Norden Syriens: Ohne Zustimmung der Russen hätte Ankara nicht einmal eine Drohne nach Syrien schicken können, sagte ein Erdogan-Berater vor einigen Tagen. Nach der Einnahme der nordwestsy­rischen Stadt Afrin richtet sich der Blick der Türken jetzt auf die weiter östlich gelegene Stadt Manbidsch, in der neben kurdischen Kämpfern auch US-Soldaten stationier­t sind. Der Iran will sich mit der Entsendung von Truppen und Milizen in den Krieg und der Beteiligun­g an der Troika ein Mitsprache­recht bei Entscheidu­ngen über die Zukunft Syriens sichern.

Die langfristi­gen Interessen der drei Syrien-Partner liegen allerdings weit auseinande­r. Der türkische Einmarsch in Nordsyrien ist weder den Russen noch den Iranern recht; Erdogan, Chef eines vorwiegend sunnitisch­en Staates, misstraut der schiitisch­en Regionalma­cht Iran; Putin will den syrischen Präsidente­n Baschar al-Assad im Amt halten, was wiederum von Erdogan abgelehnt wird. Die Ankündigun­g von US-Präsident Donald Trump, die rund 2000 in Syrien stationier­ten US-Soldaten bald abziehen zu wollen, heizt die Konkurrenz weiter an: Bisher gilt eine Vereinbaru­ng, nach der Russland die syrischen Landesteil­e westlich des Euphrat beherrscht und die USA im Osten des Stroms bis zur irakischen Grenze das Sagen hat. Wenn sich die Amerikaner nun zurückzieh­en, stellt sich die Frage, welche Macht in dieser Region bestimmen wird.

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Foto: dpa Applaus, Applaus – Recep Tayyip Erdo gan empfängt Wladimir Putin.

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