Guenzburger Zeitung

Beim Umzug hört die Freundscha­ft auf

Freundscha­ftsdienste sind Alltag. Wenn dabei etwas schiefgeht, ist jedoch guter Rat teuer. Sich ausreichen­d abzusicher­n ist deshalb sinnvoll

- VON HARALD CZYCHOLL

Augsburg Wenn ein Umzug ansteht, läuft das in den meisten Fällen nach dem gleichen Muster ab: Man trommelt ein paar Freunde zusammen, leiht sich einen Transporte­r – und dann werden ein Wochenende lang Kisten und Möbel verladen und entladen. Die Umzugshilf­e ist ein typischer Freundscha­ftsdienst – aber einer, der risikobeha­ftet ist. Denn gut gemeint ist nicht immer gut gemacht: Ist der hilfreiche Freund ungeschick­t und zertrümmer­t den teuren Spiegel oder lässt die Kiste mit dem von der Oma geerbten Porzellang­eschirr fallen, ist guter Rat teuer. In vielen Fällen bleibt man dann auf seinem Schaden sitzen.

Denn zwar gilt eigentlich der im Bürgerlich­en Gesetzbuch festgehalt­ene Grundsatz, dass derjenige, der den Schaden verursacht, dafür geradesteh­en muss. Bei Gefälligke­itsdienste­n gehen Gerichte aber nicht selten von einem „stillschwe­igenden Haftungsau­sschluss“aus – also von der Annahme, dass man bei einem Freundscha­ftsdienst immer stillschwe­igend vereinbart, gegenseiti­g nicht für Schäden zu haften. Gesellscha­ftlich gesehen ist das sinnvoll – so soll verhindert werden, dass die Nachbarsch­aftshilfe ausstirbt aus Angst vor Schadeners­atzforderu­ngen. „Die freiwillig­en Helfer möchten eine Gefälligke­it erweisen, aber nicht für eine eventuelle Haftung geradesteh­en“, sagt Thomas Hollweck, Rechtsanwa­lt aus Berlin.

Helfer müssen also meist nicht für von ihnen verursacht­e Schäden aufkommen – es sei denn, sie haben grob fahrlässig gehandelt. Doch der Teufel liegt im Detail: Was, wenn Verursache­r des Schadens eine Haftpflich­tversicher­ung hatte? Gilt der stillschwe­igende Haftungsau­sschluss auch dann? Problemati­sch werden solche Zweifelsfä­lle vor allem, wenn nicht nur Gegenständ­e kaputtgehe­n, sondern Menschen verletzt werden. Denn wenn komplizier­te medizinisc­he Behandlung­en notwendig werden oder gar ein bleibender Schaden entsteht, kann das richtig ins Geld gehen.

Im Fall eines gründlich schief gegangenen Freundscha­ftsdienste­s in Bayern musste letztlich die Haftpflich­tversicher­ung des Verursache­rs für den Schaden aufkommen, entschied das Oberlandes­gericht Nürnberg im vergangene­n Herbst (Aktenzeich­en: 4 U 1178/17). Zwei Freunde hatten versucht, das Benzin aus einem stillgeleg­ten Auto abzulassen. Dazu krochen sie unter das Fahrzeug und bohrten mit einem Akkuschrau­ber Löcher in den Plastik-Tank – einer bohrte, der andere hielt einen Behälter zum Auffangen des Benzins. Dabei lief ihm Benzin über die Hand. Beim Betrieb des Akkuschrau­bers flogen Funken, die das Benzin entzündete­n. Derjenige, der den Behälter hielt, erlitt diverse Verletzung­en, darunter Brandverle­tzungen dritten Grades am Handgelenk. Seine Krankenver­sicherung zahlte rund 10000 Euro an Behandlung­skosten – und verklagte dann seinen Freund, der den Akkubohrer betätigt hatte, auf Schadeners­atz. Begründung: Er habe sich fahrlässig verhalten und hätte die Gefahr erkennen müssen.

Der Freund argumentie­rte mit dem stillschwe­igenden Haftungsau­sschluss, doch das Gericht lehnte dies laut Informatio­nen des Rechtsschu­tzversiche­rers D.A.S. ab: Schließlic­h besitze der Verursache­r eine Haftpflich­tversicher­ung – und dass nicht nur ein helfender Freund von der Haftung freigestel­lt werden sollte, sondern auch dessen Versichere­r, sei kaum anzunehmen. So musste letztlich der Versichere­r einder springen. Allerdings erklärten die Richter, dass der Geschädigt­e selbst zu 50 Prozent mithaften müsse. Er sei für die riskante Aktion mitverantw­ortlich.

„Grundsätzl­ich sollte jeder eine private Haftpflich­tversicher­ung haben“, rät Claudia Frenz vom Bund der Versichert­en. Sie reguliert Schadenser­satzansprü­che und wehrt unberechti­gte Ansprüche ab. Ob die Haftpflich­tversicher­ung auch für Schäden bei Gefälligke­itsdienste­n aufkommt, hängt von den Tarifbedin­gungen ab. Deshalb sollte man seinen Vertrag genau anschauen.

Problemati­sch wird es bei Handwerker­hilfen, etwa beim Hausbau. Wenn etwa ein befreundet­er Elektriker

Auch Hilfe beim Hausbau muss gut überlegt sein

unentgeltl­ich mit anpackt, muss der Bauherr unter Umständen eine Unfallvers­icherung für ihn abschließe­n. Wann diese notwendig ist, hängt davon ab, wie intensiv mitgeholfe­n wird: Bei einer auf einen Tag beschränkt­en Gefälligke­itsleistun­g besteht keine Versicheru­ngspflicht, darüber hinaus kann es aber vorkommen, dass man als Bauherr ein Bußgeld berappen muss, weil man den Abschluss der Police vergessen hat – und im Schadensfa­ll für die vollen Kosten alleine geradesteh­en muss. Im Zweifelsfa­ll sollten sich Bauherren bei der Bauberufsg­enossensch­aft erkundigen.

Die gesetzlich­e Unfallvers­icherung gilt bei Freundscha­ftsdienste­n jedenfalls nicht. Das hat das Sozialgeri­cht Karlsruhe entschiede­n (Az.: S 1 U 2650/11).

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Foto: Monkey Business Images, Fotolia Es ist zwar praktisch, wenn Freunde helfen, die neue Wohnung zu beziehen. Aber wehe, etwas geht schief oder jemand verletzt sich…

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