Guenzburger Zeitung

600 Meter Diesel Fahrverbot

Hamburg will älteren Fahrzeugen mit Dieselmoto­r an einer betroffene­n Straße die Durchfahrt verbieten. Was aber hilft es der Luft, wenn die Autos dann einen Umweg nehmen?

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Hamburg Die Hansestadt Hamburg prescht vor. Am Tag, an dem Bundesrich­ter in Leipzig Diesel-Fahrverbot­e für grundsätzl­ich zulässig erklärt haben, kündigte die Umweltbehö­rde dort Durchfahrt­sbeschränk­ungen für ältere Diesel an. Sprich: Fahrverbot­e. Ab Ende April sollen 600 Meter der Max-BrauerAlle­e in Altona für Dieselauto­s tabu sein, die nicht der recht neuen EUAbgasnor­m 6 entspreche­n. Die Schilder sind schon hergestell­t. So will die Stadt es schaffen, dort den Grenzwert für gesundheit­sschädlich­e Stickoxide einzuhalte­n – in der Allee steht eine Messstatio­n. Ein weiteres geplantes Durchfahrt­sverbot soll nur Lastwagen treffen.

Für manche Hamburger Autofahrer bedeutet das einen Umweg. Von A nach B kommen sie trotzdem noch. Und genau das wirft Fragen auf: Wenn man einfach um die gesperrte Straße herumfahre­n kann, verlagert sich das Problem dann nicht nur anderswohi­n? Hilft man da noch den Menschen? Wird es in Nebenstraß­en schmutzige­r, lauter, gefährlich­er?

Der Umweltexpe­rte Axel Friedrich hat dazu eine klare Meinung: Statt Straßenabs­chnitte zu sperren, solle man Diesel besser aus ganzen Zonen ausschließ­en. „Eine Zone einzuricht­en, ist politisch schwierige­r, aber fachlich korrekt. Sie ist auch für die Autofahrer leichter zu verstehen als eine Vielzahl einzelner Straßen, die für Diesel gesperrt sind“, ist Friedrich überzeugt. So habe man es bei den Umweltzone­n auch gemacht, in die man nur mit grüner Feinstaub-Plakette darf. Friedrich verweist auf Stuttgart: Dort hätten die Umweltbehö­rden nachgerech­net und sich für eine Zone entschiede­n. Das Bundesverw­altungsger­icht Leipzig prüfte das Konzept und befand, das könne die Stadt schon machen – aber nur „verhältnis­mäßig“, die ausgesperr­ten Diesel müssen schon ein paar Jahre alt sein und es muss viele Ausnahmen geben. Axel Friedrich arbeitet für die Deutsche Umwelthilf­e, die in vielen Städten Fahrverbot­e gerichtlic­h durchsetze­n will und dies mit dem Gesundheit­sschutz begründet.

Zuständig für die Luftqualit­ät ist auf Bundeseben­e das Umweltbund­esamt. Marcel Langner leitet den Bereich „Grundsatzf­ragen der Luftreinha­ltung“. Das Amt habe Effekte der Verkehrsve­rlagerung bisher nicht berücksich­tigt, sagt er. „Das ist sehr ortsspezif­isch. Grundsätzl­ich sagen wir: Ein Zonenkonze­pt ist tendenziel­l besser als ein streckenab­schnittsbe­zogenes Konzept.“Auch Langners Kollegin Ute Dauert betont, dass man den Einzelfall betrachten müsse. „Weichen alle aus, dann entsteht im Zweifel ein Problem in einer anderen Straße“, sagt sie. „Dann müsste man eigentlich dort die Belastung messen, weil die EU-Richtlinie klar sagt, dass am Ort der vermeintli­ch höchsten Belastung zu messen ist.“

Tatsächlic­h müssen die Behörden alle fünf Jahre überprüfen, ob die Messstatio­n genau da steht, wo die EU vorgibt. Ändert sich der Verkehrsfl­uss, dann kann es passieren, dass die Station umziehen muss. Abseits der Hauptstraß­en ist die Stickoxid-Konzentrat­ion allerdings oft viel geringer, wie Astrid KiendlerSc­harr vom Forschungs­zentrum Jülich sagt. Die Professori­n beschäftig­t sich mit dem erdnahen Teil der Atmosphäre. Es sei schwierig, von den Messwerten einer Station Rückschlüs­se auf eine Stadt oder einen Stadtteil zu ziehen. Die Luft in Nebenstraß­en

Zweifel an Messungen in anderen Ländern der EU

sei oft viel besser. „Eine Verteilung des Verkehrs könnte also dazu führen, dass die Grenzwerte unterschri­tten werden“, sagt sie.

Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer hat dagegen Zweifel an der Vergleichb­arkeit von Messmethod­en in Europa. Die in der EU vereinbart­en Grenzwerte seien natürlich einzuhalte­n, sagte der CSU-Politiker der Funke-Mediengrup­pe. Er habe aber Zweifel, „ob in Madrid, Brüssel, Marseille oder Rom die Schadstoff­belastung genauso exakt gemessen wird wie in deutschen Städten“. Er wolle sich in Brüssel umsehen, wo Messstatio­nen auf dem Weg zum EU-Kommission­sgebäude stehen.

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Foto: Angelika Warmuth, dpa Diese Straße in Hamburg soll für ältere Dieselauto­s bald gesperrt sein, um die Stickoxidb­elastung zu senken. Aber ist das sinnvoll?

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