Neuwahlen bei der Feuerwehr
Leipheim Plötzlich stand Helmut Kohl in der Tür. Völlig unerwartet, ganz überraschend. Bernhard Ritzler erinnert sich noch genau an die Situation. Es war der 4. April 1989. Der damalige Bundeskanzler und der französische Staatspräsident François Mitterrand waren zu Gast in Günzburg, gelandet sind die Politiker natürlich auf dem Fliegerhorst in Leipheim. Nur: Mitterrand kam zu spät. 30 Minuten zu spät. 30 Minuten, in denen der deutsche Kanzler Kohl irgendwie beschäftigt werden musste.
Bernhard Ritzler war zu dieser Zeit als Unteroffizier in Leipheim stationiert. Er und sein Chef führten Kohl durch die Werkstätten der Flugzeugwerft. Und was passierte? Pünktlich zur Mittagszeit, denn zu dieser Zeit war Kohl gelandet, ging es bei den Technikern recht entspannt zu. Die Füße auf dem Tisch, die Zeitung in der Hand – dieses Bild erwartete Kohl in der ersten Werkstatt. Ritzler lacht. „Und so ging es weiter.“In der nächsten Werkstatt zockten die Techniker Karten – keine unübliche Beschäftigung zur Mittagspause. Mit dem Besuch des Kanzlers konnte schließlich niemand rechnen, der sollte ja eigentlich schon auf dem Weg nach Günzburg sein.
33 Jahre lang war Bernhard Ritzler Soldat in Leipheim. Es sind unzählige dieser Geschichten, die ihm ewig in Erinnerung bleiben werden und die er und seine Kameraden Siegfried Winkler und Wolfgang Reichelsdorfer gerne erzählen. Für sie war der Fliegerhorst ihr Zuhause und jahrelang ihre Heimat. Als „kleine Stadt in der Kleinstadt“wurde der Fliegerhorst oft bezeichnet. Und das stimmte. Der Bundeswehrstandort hatte seine eigene Wasserversorgung, eine eigene Feuerwehr, ein Kino, zahlreiche Sportmöglichkeiten und eine Werkstatt für die Privatautos. Sogar eine eigene Zeitung hatte der Fliegerhorst. „Am Platz“hieß das Blättchen, das von 1990 an vier Jahre lang alle sechs Wochen erschienen ist. „Wir hatten sogar eine eigene Druckmaschine“, erinnert sich Wolfgang Reichelsdorfer, der die Zeitung mitgegründet hat. Darin fanden die Soldaten nicht nur zahlreiche Freizeittipps, auch etliche Geschichten rund um den Fliegerhorst wurden so mitgeteilt. Manche lustig, manche ernst, manche überraschend.
So wunderte man sich in der Erstausgabe im Februar 1990, dass die gerade erst für 25 Millionen Mark sanierte Startbahn schon wieder sanierungsbedürftig war. Der Belag hatte sich abgelöst. Im August 1991 klärten die Zeitungsmacher die Soldaten auf, dass die Shelter ihre Namen von 13 amerikanischen Kriegshelden erhalten haben. 1992 wurde berichtet, dass zwei Mitarbeiter der Standortverwaltung zwei seltsame Gegenstände auf der Straße gefunden und mitgenommen hatten. Erst zwei Tage später zeigten sie ihren Fund dem Feuerwerker, der sichtlich nervös reagierte. Es handelte sich um zwei scharfe Geschosse – der Zünder war noch eingebaut. Der Platz wurde sofort gesperrt. Heute lachen Bernhard Ritzler, Wolfgang Reichelsdorfer und Siegfried Winkler darüber – damals herrschte helle Aufregung. Einmal war eine auf dem Fliegerhorst stationierte Flugabwehrraketengruppe sogar für eine Ausstrahlung einer Fernsehsendung samt Eintrag ins Guinessbuch der Rekorde mitverantwortlich. Wie, das verrät ein Bericht, der im Februar 1992 erschienen ist. Für eine
hatten sich die Verantwortlichen etwas ganz besonders ausgedacht: In einem Flugzeug spielte das polnische Kammerorchester Sinfonia varsovia. Aufgabe der Flugabwehrraketengruppe war es dabei, in Verbindung mit dem Leipheimer Tower die Ton- und Bildaufnahmen am Himmel an den Übertragungswagen des Hessischen
weiterzuleiten. „Das Rauschen störte damals noch niemanden“, sagt Wolfgang Reichelsdorfer mit einem Lächeln. Das Spektakel in der Luft ging übrigens damals tatsächlich in das Guinessbuch der Rekorde ein – als das höchste spielende Sinfonieorchester der Welt.
An ihre Zeit in Leipheim denken die drei Unteroffiziere gerne zurück. „Früher war die Bundeswehr eine ernsthafte Konkurrenz der freien Wirtschaft“, sagt Bernhard Ritzler. „Leipheim hatte einen sehr guten Ruf.“Weltweit, so erzählen die drei Unteroffiziere, waren die Leipheimer Techniker im Einsatz. Sogar eine eigene Ausbildungswerkstatt gab es auf dem Gelände. Schon 1962 absolvierte Siegfried Winkler seine Grundausbildung am Leipheimer Standort. „Da gab es noch gar keinen Flugbetrieb. Es wurde gerade umgebaut“, erinnert er sich. „In den Anfängen musste man viel improvisieren und selbstständig handeln.“Er erinnert sich, dass anfangs für 80 Flugzeuge vom Typ Fiat
● 1959 übernahm die Bundeswehr den Fliegerhorst und ab 1979 diente Leipheim als Nato Einsatzplatz.
● Seit 1994 findet kein Flugbetrieb mehr statt. 2005 fiel die Entschei dung, dass der Standort aufgegeben wird.
● Am 31. Dezember 2008 wurde der Bundeswehrstandort in Leip heim endgültig aufgelöst. (gz) G 91, die zu Testflügen in den Himmel steigen sollten, nur ein Pilot der 1. Staffel des Luftwaffenversorgungsregiments 3 zur Verfügung stand. „Das war nicht zu schaffen.“Um das Pensum zu bewältigen, wurden hin und wieder Piloten vom örtlichen Geschwader AG53 gebeten, Unterstützung zu leisten. Gerade mal einen Monat war Zeit, um alle Flugzeuge einmal in den Himmel zu befördern. Diese Zeit war zu knapp. „Einige der nagelneuen Maschinen mussten wieder zerlegt und zurückgeschickt werden.“
Wolfgang Reichelsdorfer hatte seinen Arbeitsplatz im Bunker. Der wurde zwar nie für seinen eigentlichen Zweck genutzt, war aber dennoch ein wichtiger Ort auf dem Gelände. Denn hier wurden die Messgeräte kalibriert. „Wir hatten noch Geräte aus den 1950er Jahren und hochmoderne Messwerkzeuge“, erzählt Reichelsdorfer.
Dass der Standort vor zehn Jahren aufgelöst wurde, hat auch die drei Unteroffiziere hart getroffen. „Das war schließlich jahrelang unser Lebensmittelpunkt“, sagt Winkler. Und Ritzler ergänzt: „Technisch gesehen war der Leipheimer Standort autark. Das war etwas Besonderes.“Und weiter: „Dass so etwas kaputtgemacht wird, ist nicht nachvollziehbar.“So sei viel Know-how verloren gegangen. Zur Dienstversammlung mit anschließender Mitgliederversammlung trifft sich die Freiwillige Feuerwehr Anhofen am Freitag, 13. April, um 20 Uhr in der alten Schule in Anhofen. Bei den aktiven Feuerwehrleuten stehen unter anderem Neuwahlen auf der Tagesordnung, in der Mitgliederversammlung müssen auch zwei Vertrauensleute gewählt werden.