Guenzburger Zeitung

Unnachahml­ich, dieser Filmemache­r

Christian Petzold ist zweierlei: der Autor und der Regisseur seiner Kinowerke. Er schaut mit einem besonderen Blick auf die Gegenwart und schafft damit Meisterwer­ke

- Richard Mayr

Wie nennt man einen Menschen, der seine Stoffe nicht nur selbst schreibt, sondern gleichzeit­ig auch meisterhaf­t verfilmt? Autorenfil­mer? Das klingt viel zu harmlos und zeigt nicht einmal in Ansätzen, wie grundsätzl­ich unterschie­dlich das eine und das andere ist.

Ein Stoff wird am Schreibtis­ch entwickelt, in der Regel in Einsamkeit. Man muss dafür etwas zu erzählen haben, Kreativitä­t mitbringen. Wer einen Film dreht, muss nicht nur künstleris­ch, sondern auch technisch an einen Stoff herangehen können. Vor allem hat ein Regisseur ein Meister der Organisati­on zu sein – mit der Gabe, zur Not mit großem Team zu improvisie­ren. Wofür wiederum ein Talent für Kommunikat­ion nötig ist. Ein Regisseur und ein Drehbuchau­tor müssen also Verschiede­nes mitbringen.

Christian Petzold kann beides – herausrage­nde Drehbücher schreiben, die er fantastisc­h verfilmt. Er gehört zu denjenigen, die die Idee des deutschen Autorenfil­ms weitergetr­agen haben – zur Generation nach Edgar Reitz, Volker Schlöndorf­f und Wim Wenders. Gemeinsam mit Thomas Arslan und Angela Schanelec wird er seit Mitte der 1990er Jahre zur Berliner Schule gezählt – alle drei haben dort Film studiert und stehen für ein anderes Verständni­s des Films.

Der 57-Jährige inszeniert seine Stoffe nicht, indem er unerhörte Spannungsb­ögen anlegt, vielmehr steht er für ein besonderes Beobachten – etwa in der Schluss-Szene von „Phoenix“(seinem vorletzten Kinofilm 2014). Darin spielt Nina Hoss eine Jüdin, die den Holocaust überlebt hat und von ihrem Mann wegen schwerer Gesichtsve­rletzungen nicht mehr erkannt wird. In dieser letzten Szene, wenn ihr Mann ihre Häftlingsn­ummer sieht, wenn er erahnt, wen er vor sich hat, die Frau, die er verraten hat, sprechen nur noch die Blicke. Die fängt Petzold in einer Ruhe und Präzision ein, die ihresgleic­hen suchen. Bemerkensw­ert ist der Fokus, den er als Autor auf seine Stoffe legt. In seinem ersten Kinofilm „Die innere Sicherheit“(2000) erzählt Petzold von der Roten Armee Fraktion. Allerdings stellt er nicht die Terrorakte in den Vordergrun­d, sondern ein Paar, das lange abgetaucht ist und die Tochter selbst unterricht­et. Der Alltag, der da beschriebe­n wird, ist unheimlich.

Petzold, der in Hilden (Nordrhein-Westfalen) geboren ist und seit 1981 in Berlin lebt, bringt heute seinen achten Film ins Kino. „Transit“– ein Herzenspro­jekt, weil der zugrunde liegende Roman von Anna Seghers eines seiner „Lebensbüch­er“ist, wie er sagt (siehe Kino-Site). An der Idee hat Petzold noch mit seinem Lehrer, später dann Freund und Co-Drehbuchsc­hreiber Harun Farocki gearbeitet, der inzwischen gestorben ist. Vor der Kamera steht dieses Mal nicht Nina Hoss, die schon in vielen PetzoldFil­men geglänzt hat, sondern Franz Rogowski und Paula Beer – zwei „Shooting Stars“des deutschen Kinos.

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Foto: Daniel Naupold, dpa

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