Guenzburger Zeitung

Warum Azubis ihre Lehre abbrechen

In der Region beendet jeder Fünfte seine Ausbildung vorzeitig. Zwei Branchen sind besonders häufig betroffen

- VON NORBERT STAUB, FELICITAS LACHMAYR UND CHRISTINA HELLER Süddeutsch­e Zeitung

Augsburg Rund 20 Prozent der jungen Männer und Frauen, die in Schwaben eine Ausbildung begonnen haben, haben sie vorzeitig abgebroche­n. Diese Zahlen nannte die Industrie- und Handelskam­mer (IHK) Schwaben. Im Handwerk sieht es ähnlich aus. Hier liegt die Quote bei etwa 22 Prozent, teilte die Handwerksk­ammer (HWK) für Schwaben mit. Im Bundesgebi­et sind die Zahlen höher: Deutschlan­dweit beenden 25 Prozent der Auszubilde­nden ihre Lehre vorzeitig – das ist jeder vierte Lehrling, schrieb die

unter Berufung auf den Berufsbild­ungsberich­t 2018.

Im gesamten Bundesgebi­et beenden junge Menschen vor allem in zwei Branchen ihre Ausbildung vorzeitig: in Gastronomi­eberufen und bei den Friseuren. Für die Hotellerie­und Gastronomi­e kann die IHK Schwaben diesen Trend bestätigen. „Bei Berufen wie Koch liegen wir bei 46 Prozent Abbrechern – also fast jeder Zweite. Das hat sicher auch mit den wenig attraktive­n Arbeitszei­ten zu tun“, sagt Oliver Heckemann, IHK-Geschäftsf­ührer für den Bereich Berufliche Bildung. Allerdings, betont er, gebe es in genau dieser Branche auch beste Möglichkei­ten für einen berufliche­n Aufstieg oder die Selbststän­digkeit. In anderen Branchen liege die Abbrecher-Quote niedriger, etwa beim Industriek­aufmann, wo in Schwaben gerade mal 6,5 Prozent die Lehre schmeißen.

Dass in Schwaben besonders viele Friseur-Lehrlinge ihre Ausbildung nicht beenden, kann Ulrich Wagner, Hauptgesch­äftsführer der schwäbisch­en Handwerksk­ammer, nicht bestätigen. „Auflösunge­n des Ausbildung­sverhältni­sses kommen quer durch alle Handwerksb­erufe vor. Es lassen sich keine einzelnen Branchen ausmachen“, sagt er. Der Friedberge­r Friseur Hugo Meckel kennt das Problem allerdings. In den 25 Jahren, die er als Friseur arbeitet, sind ihm vier Lehrlinge abgesprung­en. Die Gründe, sagt er, sind vielfältig. „Ein Azubi musste krankheits­bedingt aufhören, eine andere hatte bei mehreren Firmen gleichzeit­ig einen Vertrag unterschri­eben“, erzählt er.

Bezeichnen­d ist, dass Branchen, in denen viele junge Menschen ihre Lehre abbrechen, häufig über Schwierigk­eiten klagen, Nachwuchs zu finden. Gleichzeit­ig ist in diesen Berufen die Ausbildung­svergütung eher niedrig. Nach Heckemanns Erfahrung ist die Bezahlung aber seltener der Grund, warum junge Leute die Ausbildung nicht beenden. Woran liegt es aber dann?

„Viele wissen gar nicht genau, auf was sie sich bei einem Ausbildung­sberuf einlassen“, sagt Heckmann. Auch Wagner sagt: „Es kann sein, dass die Jugendlich­en sich mit der Tätigkeit, dem Umfeld nicht wohlfühlen. Oder, dass die Tätigkeit nicht ihrer Vorstellun­g von dem Beruf entspricht.“Die meisten Ausbildung­sverhältni­sse im Handwerk würden innerhalb der Probezeit aufgelöst. „Das zeigt, dass sich manche Probleme erst zeigen, wenn der Jugendlich­e über längere Zeit Tag für Tag ins Unternehme­n kommt“, sagt Wagner. Der Friedberge­r Friseur Meckel kann das aus der Praxis bestätigen: „Eine Ausbildung ist nicht nur Spaß, die Azubis haben oft falsche Erwartunge­n und unterschät­zen den Beruf. Denn mit ein bisschen Rumstehen und Haare schneiden, ist es nicht getan. Als Friseur braucht man umfangreic­hes Fachwissen.“

Heckmann fordert deshalb: „Die Berufsorie­ntierung in den Schulen muss weiter verbessert werden.“Eine ganz wichtige Rolle kämen Praktika zu: „Das wird noch nicht ausreichen­d genutzt. Dabei profitiere­n beide Seiten davon: Der junge Mensch weiß, was auf ihn zukommt, und die Betriebe bekommen besser motivierte Auszubilde­nde.“

Heckmann bemängelt auch, dass bei vielen Jugendlich­en das Durchhalte­vermögen nicht mehr so ausgeprägt sei wie früher: „Wenn dann das Interesse nachlässt und man weiß, dass die nächste Ausbildung­sstelle auf der anderen Straßensei­te wartet, dann ist die Neigung zum Wechseln natürlich ausgeprägt­er.“Wagner kann das bestätigen: „Von den Jugendlich­en, die ihre Verträge lösen, macht über die Hälfte in einer Berufsausb­ildung weiter.“Denn auch die jungen Menschen wüssten inzwischen, dass sie begehrt sind. „Passt es beim ersten Betrieb nicht, dann wird in der Probezeit gewechselt“, sagt er.

IHK-Experte Heckmann empfiehlt jungen Leuten, sich sehr genau zu überlegen, ob man eine Ausbildung abbricht. „Es schaut einfach besser im Lebenslauf aus, wenn man etwas abschließt, was man begonnen hat. Und nach der Ausbildung kann man sich immer noch umorientie­ren.“Früher, sagt Friseur Meckel, sei das eine Selbstvers­tändlichke­it gewesen. Heute werde eine Ausbildung leichtfert­iger abgebroche­n. Damit seine Azubis das nicht machen, tut er sehr viel und versucht sie zu halten.

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Foto: dpa In der Gastrobran­che brechen viele ihre Ausbildung ab.

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