Warum Azubis ihre Lehre abbrechen
In der Region beendet jeder Fünfte seine Ausbildung vorzeitig. Zwei Branchen sind besonders häufig betroffen
Augsburg Rund 20 Prozent der jungen Männer und Frauen, die in Schwaben eine Ausbildung begonnen haben, haben sie vorzeitig abgebrochen. Diese Zahlen nannte die Industrie- und Handelskammer (IHK) Schwaben. Im Handwerk sieht es ähnlich aus. Hier liegt die Quote bei etwa 22 Prozent, teilte die Handwerkskammer (HWK) für Schwaben mit. Im Bundesgebiet sind die Zahlen höher: Deutschlandweit beenden 25 Prozent der Auszubildenden ihre Lehre vorzeitig – das ist jeder vierte Lehrling, schrieb die
unter Berufung auf den Berufsbildungsbericht 2018.
Im gesamten Bundesgebiet beenden junge Menschen vor allem in zwei Branchen ihre Ausbildung vorzeitig: in Gastronomieberufen und bei den Friseuren. Für die Hotellerieund Gastronomie kann die IHK Schwaben diesen Trend bestätigen. „Bei Berufen wie Koch liegen wir bei 46 Prozent Abbrechern – also fast jeder Zweite. Das hat sicher auch mit den wenig attraktiven Arbeitszeiten zu tun“, sagt Oliver Heckemann, IHK-Geschäftsführer für den Bereich Berufliche Bildung. Allerdings, betont er, gebe es in genau dieser Branche auch beste Möglichkeiten für einen beruflichen Aufstieg oder die Selbstständigkeit. In anderen Branchen liege die Abbrecher-Quote niedriger, etwa beim Industriekaufmann, wo in Schwaben gerade mal 6,5 Prozent die Lehre schmeißen.
Dass in Schwaben besonders viele Friseur-Lehrlinge ihre Ausbildung nicht beenden, kann Ulrich Wagner, Hauptgeschäftsführer der schwäbischen Handwerkskammer, nicht bestätigen. „Auflösungen des Ausbildungsverhältnisses kommen quer durch alle Handwerksberufe vor. Es lassen sich keine einzelnen Branchen ausmachen“, sagt er. Der Friedberger Friseur Hugo Meckel kennt das Problem allerdings. In den 25 Jahren, die er als Friseur arbeitet, sind ihm vier Lehrlinge abgesprungen. Die Gründe, sagt er, sind vielfältig. „Ein Azubi musste krankheitsbedingt aufhören, eine andere hatte bei mehreren Firmen gleichzeitig einen Vertrag unterschrieben“, erzählt er.
Bezeichnend ist, dass Branchen, in denen viele junge Menschen ihre Lehre abbrechen, häufig über Schwierigkeiten klagen, Nachwuchs zu finden. Gleichzeitig ist in diesen Berufen die Ausbildungsvergütung eher niedrig. Nach Heckemanns Erfahrung ist die Bezahlung aber seltener der Grund, warum junge Leute die Ausbildung nicht beenden. Woran liegt es aber dann?
„Viele wissen gar nicht genau, auf was sie sich bei einem Ausbildungsberuf einlassen“, sagt Heckmann. Auch Wagner sagt: „Es kann sein, dass die Jugendlichen sich mit der Tätigkeit, dem Umfeld nicht wohlfühlen. Oder, dass die Tätigkeit nicht ihrer Vorstellung von dem Beruf entspricht.“Die meisten Ausbildungsverhältnisse im Handwerk würden innerhalb der Probezeit aufgelöst. „Das zeigt, dass sich manche Probleme erst zeigen, wenn der Jugendliche über längere Zeit Tag für Tag ins Unternehmen kommt“, sagt Wagner. Der Friedberger Friseur Meckel kann das aus der Praxis bestätigen: „Eine Ausbildung ist nicht nur Spaß, die Azubis haben oft falsche Erwartungen und unterschätzen den Beruf. Denn mit ein bisschen Rumstehen und Haare schneiden, ist es nicht getan. Als Friseur braucht man umfangreiches Fachwissen.“
Heckmann fordert deshalb: „Die Berufsorientierung in den Schulen muss weiter verbessert werden.“Eine ganz wichtige Rolle kämen Praktika zu: „Das wird noch nicht ausreichend genutzt. Dabei profitieren beide Seiten davon: Der junge Mensch weiß, was auf ihn zukommt, und die Betriebe bekommen besser motivierte Auszubildende.“
Heckmann bemängelt auch, dass bei vielen Jugendlichen das Durchhaltevermögen nicht mehr so ausgeprägt sei wie früher: „Wenn dann das Interesse nachlässt und man weiß, dass die nächste Ausbildungsstelle auf der anderen Straßenseite wartet, dann ist die Neigung zum Wechseln natürlich ausgeprägter.“Wagner kann das bestätigen: „Von den Jugendlichen, die ihre Verträge lösen, macht über die Hälfte in einer Berufsausbildung weiter.“Denn auch die jungen Menschen wüssten inzwischen, dass sie begehrt sind. „Passt es beim ersten Betrieb nicht, dann wird in der Probezeit gewechselt“, sagt er.
IHK-Experte Heckmann empfiehlt jungen Leuten, sich sehr genau zu überlegen, ob man eine Ausbildung abbricht. „Es schaut einfach besser im Lebenslauf aus, wenn man etwas abschließt, was man begonnen hat. Und nach der Ausbildung kann man sich immer noch umorientieren.“Früher, sagt Friseur Meckel, sei das eine Selbstverständlichkeit gewesen. Heute werde eine Ausbildung leichtfertiger abgebrochen. Damit seine Azubis das nicht machen, tut er sehr viel und versucht sie zu halten.