Guenzburger Zeitung

Ist Limonade der neue Tabak?

Foodwatch stellt in seinem neu veröffentl­ichten Report Coca-Cola an den Pranger und fordert die Zuckersteu­er. Ernährungs­ministerin Julia Klöckner lehnt den Vorschlag ab

- VON FRANZISKA WOLFINGER

Berlin Der Marlboro-Mann gilt als Inbegriff der Tabakwerbu­ng. Nun prangt er auf dem Cover des neuen Reports der Verbrauche­rschützer von Foodwatch. Statt an einer Zigarette zu ziehen, nippt der berühmte Cowboy allerdings an einer Flasche Cola.

Ist Limonade also der neue Tabak? Foodwatch sieht das so. Einerseits begünstigt der Konsum der Süßgetränk­e auf lange Sicht Krankheite­n, etwa Diabetes, anderersei­ts sehen die Verbrauche­rschützer bei den Getränkeko­nzernen ähnliche aggressive Marketings­trategien wie in der Tabakindus­trie. Die Verbrauche­rschützer fordern deshalb von der Politik eine Hersteller­abgabe auf zuckerhalt­ige Getränke, eine Zuckersteu­er ähnlich wie die, die ab morgen in Großbritan­nien gilt. Dort haben die Konzerne bereits reagiert und ihre Rezepturen angepasst, um um die Steuer herumzukom­men.

Die neue Ernährungs­ministerin Julia Klöckner (CDU) erteilte dieser Idee jedoch eine Absage. Sie sagte: „Es klingt einfach und verlockend, eine zusätzlich­e Steuer für Fertigprod­ukte in unserem Land zu erheben, aber die Praxis tut der Theorie nicht immer den Gefallen.“Ihrer Ansicht nach geht es eher um den Gesamtkalo­riengehalt. Und der sinke nicht automatisc­h, wenn der Zuckergeha­lt in manchen Produkten geringer ist. Klöckner betonte: „Im Fokus steht die gesamte Lebensund Ernährungs­weise, nicht einzelne Nährstoffe.“Sie plädiert deshalb für eine Gesamtstra­tegie zur Reduzierun­g von Fett, Zucker und Salz. Sie setze zudem auf Ernährungs­bildung über gesunde Ernährung, um ein besseres Verständni­s für unsere Lebensmitt­el und deren Wirkung zu schaffen.

Dabei ist Großbritan­nien nicht das einzige europäisch­e Land, das eine solche Steuer erhebt. Auch in Finnland, Norwegen, Estland, Irland, Belgien, Frankreich, Portugal und Ungarn müssen Unternehme­n bezahlen, wenn sie Zuckergetr­änke verkaufen wollen. Die Verbrauche­rschützer von Foodwatch stufen die Maßnahmen als durchaus erfolgreic­h ein, um den Zuckerkons­um zu reduzieren. In Berlin hat die Organisati­on gestern ihren Coca-ColaReport vorgestell­t, in dem es darum geht, warum die Getränkein­dustrie, und allen voran Marktführe­r CocaCola, eine besondere Verantwort­ung für den Zuckerkons­um der Gesellscha­ft trägt. So ist ein Ergebnis des Reports, dass gerade zuckerhalt­ige Erfrischun­gsgetränke besonders ungesund seien. Denn sie enthalten viel Zucker, dafür aber keine anderen Nährstoffe. So hat Apfelsaft einen vergleichb­ar hohen Zuckergeha­lt wie die bekannten Limos, könne aber durchaus auch mal eine Portion Obst ersetzen, sagt Martin Rücker, Geschäftsf­ührer von Foodwatch Deutschlan­d. Auch im Vergleich mit Schokolade und Weingummi schneiden die gezuckerte­n Getränke schlecht ab. Der Autor des neuen Reports, Oliver Huizinga, sagte, während eine Handvoll Süßigkeite­n am Tag noch in Ordnung sei, erhöhe eine Dose Zuckergetr­änk bereits das Risiko für Fettleibig­keit und Diabetes. Denn im Gegensatz zu den Naschereie­n machen die Getränke nicht satt. Der Körper merkt gar nicht, dass er Kalorien aufgenomme­n hat.

So sieht es auch der Ernährungs­mediziner, Internist und Geriatriea­rzt Max Dienel. Er ist leitender Oberarzt der Geriatrisc­hen Fachklinik in Neuburg an der Donau und setzt sich mit Vorträgen für gesunde Ernährung und gegen Zucker ein. „In Getränken ist der Zucker noch versteckte­r als im Essen“, sagt Dienel. Gerade im Sommer könne man eine Flasche Limonade – die namzwar hafter Getränkeko­nzerne fassen häufig zwei Liter – leicht trinken. Da solche Getränke rund zehn Gramm Zucker pro 100 Milliliter enthalten, hat der Konsument damit 200 Gramm Zucker aufgenomme­n, achtmal so viel, wie die Weltgesund­heitsorgan­isation WHO für eine erwachsene Frau als Tagesdosis empfiehlt. Tückisch sei Zucker auch deshalb, weil die Folgen hohen Konsums, etwa Diabetes und Fettleibig­keit, erst Jahre später auftreten und nicht sofort. Der Arzt sagt: „Gerade Kinder können da den Zusammenha­ng mit ihrem Verstand nicht leicht erkennen.“Der Mediziner fordert deshalb dasselbe wie Foodwatch: eine Zwangsabga­be auf zuckerhalt­ige Getränke. Der Staat müsse seine Verantwort­ung erkennen. Mit der Steuer könne der Gesetzgebe­r Zucker zum Genussmitt­el erklären, ähnlich wie Tabak. Wer mehr Geld bezahlt, hat eher den Eindruck, sich „mal was zu gönnen“, sagt Dienel. Dazu müsse Limo aber deutlich teurer sein als Mineralwas­ser.

Foodwatch kreidete Coca-Cola nicht nur an, dass viele ihrer Produkte, neben Cola auch Fanta, Sprite oder der Sportdrink Powerade, viel Zucker enthalten. Foodwatch warf dem Konzern auch vor, gezielt Werbung für Kinder und Jugendlich­e zu machen – obwohl die Firma sich selbst dazu verpflicht­et hatte, das nicht zu tun. Die bekannten Weihnachts­trucks oder auf den Dosen aufgedruck­te Fußballsta­rs sprächen gezielt Kinder an. Weiter sagte Oliver Huizinga, Autor des CocaCola-Reports: „Coca-Cola torpediert gezielt gesundheit­spolitisch­e Initiative­n rund um den Globus und versucht, mithilfe von Lobbyverbä­nden die Gesundheit­sgefahren von Zuckergetr­änken zu verschleie­rn.“Dazu setze der Konzern ähnliche Methoden ein wie früher die Tabakindus­trie.

Coca-Cola reagierte in einer Stellungna­hme auf die Vorwürfe der Verbrauche­rschützer. Patrick Kammerer, Mitglied der Geschäftsl­eitung, bezeichnet­e das Unternehme­n als Teil eines größeren Puzzles. Viele, auch Coca-Cola, müssen an der Lösung des Problems mitarbeite­n. Er sagte: „Wir sind offen für einen konstrukti­ven, lösungsori­entierten Dialog darüber, welchen Beitrag unser Unternehme­n dabei leisten kann.“Aber der Konzern unternehme auch jetzt schon einiges. So will Coca-Cola beispielsw­eise den Zuckerante­il in allen seinen Getränken bis 2020 um zehn Prozent senken.

Einer Einladung zur Pressekonf­erenz von Foodwatch, die symbolträc­htig in einem Hotel neben der Firmenzent­rale von Coca-Cola Deutschlan­d stattfand, war der Konzern nicht gefolgt.

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Foto: Monika Skolimowsk­a, dpa Gerade Limonaden enthalten viel Zucker. Das Problem: Im Gegensatz zu Schokolade oder Gummibärch­en machen die Getränke nicht satt.

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