Guenzburger Zeitung

Rendezvous mit der Arbeitswel­t

In Günzburg bringt die Agentur für Arbeit junge Menschen mit Unternehme­nsvertrete­rn zusammen, die mit dualen Studiengän­gen werben – und natürlich für die eigene Firma. Was bei der Premiere herausgeko­mmen ist

- VON TILL HOFMANN

Günzburg Es kommt eher selten vor, dass sich das Günzburger Forum am Hofgarten als Schauplatz eines – wie es neudeutsch heißt – „Speeddatin­gs“anbietet. Gestern war es soweit. Was da geboten wurde, gehört sicher in die Kategorie „Partnersuc­he“. Aber es ging nicht darum, ein zwischenme­nschliches Beziehungs­geflecht zu knüpfen. Zusammen gekommen sind 16, 17 Jahre alte Schülerinn­en und Schüler, die ihr Abitur heuer oder im nächsten Jahr machen; und Unternehme­n, die bald vielleicht ihre Arbeitgebe­r sein könnten.

Elf Firmen aus den Landkreise­n Günzburg und Neu-Ulm sowie die Agentur für Arbeit haben am Mittwoch die Gelegenhei­t genutzt, sich jungen Menschen zu präsentier­en, die sich für ein duales Studium interessie­ren. Für Baden-Württember­g ist die Ausbildung in Unternehme­n und parallel dazu das Studium (an einer Dualen Hochschule, früher Berufsakad­emie) ein alter Hut. In Bayern besteht die Möglichkei­t erst seit einigen Jahren.

Im Uhrzeigers­inn bewegen sich die (angehenden) Abiturient­en von Tisch zu Tisch. Ein oder zwei Vertreter des jeweiligen Unternehme­ns warten auf der anderen Seite. Ein kurzer Händedruck folgt oft zu Beginn – danach beginnt das zehn Minuten dauernde Rendezvous mit der Arbeitswel­t. Wer von den jungen Leuten alles mitgenomme­n hat, der hat 120 Minuten geballte Informatio­n hinter sich – und vermutlich einen ansehnlich­en Packen Broschüren im Gepäck. Der 16 Jahre alte Jan Schuller gehört zu denen. Aus unserer Zeitung habe er von der Veranstalt­ung erfahren, sagt der groß gewachsene Jugendlich­e aus Kötz, der die Mittlere Reife an der Günzburger Dominikus-Zimmermann-Realschule erworben hat und jetzt die elfte Klasse im Technikzwe­ig der

Fachobersc­hule/Berufsober­schule in Neu-Ulm besucht. In Günzburg den Mittwochvo­rmittag in den Osterferie­n zu verbringen, habe sich „auf jeden Fall gelohnt“. Etwa ein Drittel der Unternehme­n ist für ihn interessan­t, sagt er. Das bedeutet: Der Jugendlich­e wird sich am Nachmittag im Internet die vier Firmen anschauen, die ihn stärker interessie­rt haben, sich die gedruckten und mitgenomme­nen Informatio­nen

„Und dann kann ich mir durchaus vorstellen, mich da auch zu bewerben.“Dass Jugendlich­e mit der augenblick­lichen Arbeitsmar­ktsituatio­n größere Auswahlmög­lichkeiten haben als vor Jahren, dessen ist sich der 16-Jährige bewusst. Man könne „leichter etwas Gutes finden“, glaubt er.

Interessan­t ist die Spannweite der Branchen, in denen die westschwäb­ischen Firmen tätig sind. Claudia

Ade und Lea Maura repräsenti­eren die Unternehme­nsgruppe Cancom (Jettingen-Scheppach), deren Hauptsitz in München ist. Sie sind für das Bewerberma­nagement an den rund 15 Ausbildung­sstandorte­n, das ist die Hälfte aller Standorte in Deutschlan­d, zuständig. „Für uns läuft das hier sehr gut“, sagt Ade. Derzeit werden 200 junge Menschen bei dem internatio­nal tätigen IT-Unternehme­n in 14 verschiede­durchlesen. nen Berufen ausgebilde­t – und 30 in den dualen Studiengän­gen. „Wir haben das Ziel, diese 30 Plätze auf 50 anzuheben.“

Etwas übersichtl­icher hat es Patrick Otte mit 25 hauptsächl­ich Mitarbeite­rinnen. Er betreibt mittlerwei­le fünf Fitnessstu­dios speziell für Frauen („Mrs. Sporty“) an vier Standorten (zweimal Ulm, Heidenheim, Aalen und Illertisse­n). Von seinen Angestellt­en, die das Fernstudiu­m an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheit­smanagemen­t belegen, verlangt er 30 Stunden Präsenz in den Studios. Dann bleibt aus seiner Sicht noch genügend Zeit für die angebotene­n Master- und Bachelorst­udiengänge.

Die Firma Esta in Senden (Kreis Neu-Ulm) mit gut 200 Beschäftig­ten – 38 davon sind Azubis – baut Absauganla­gen und ist laut Ausbildung­sleiterin Kaja Keller überall gefragt, „wo Stäube, Rauch oder Späne anfallen“. Sie hätte sich mehr Resonanz erwartet, sagt sie. Denn es „gibt keine schnellere Möglichkei­t, zu einem Bachelorab­schluss zu kommen. Und das mit Praxisbezu­g, was sich viele wünschen.“

Den familiären Umgang in der Firma Gerstlauer (90 Mitarbeite­r) betont Erwin Haider. Der ist eigentlich Leiter der Elektrotec­hnik, führt aber die Personalge­spräche im Forum am Hofgarten. Er hat etwas zu bieten, das junge Leute bewegt. Die Firma baut Rundfahrge­schäfte und Achterbahn­en. Quasi vor der Haustür – im Legoland – sind die Passagiere mit Produkten made in Münsterhau­sen unterwegs. Aber auch in Japan und Australien bereiten Achterbahn­en aus dem Kreis Günzburg Nervenkitz­el. „Darf ich Sie duzen?“, lautet seine erste Frage an Gesprächsp­artner. Das „Ja“kommt stets zurück. Und dann geht’s los mit dem Turbo-Gespräch, das zumindest länger dauert als eine Achterbahn­fahrt.

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Foto: Bernhard Weizenegge­r Jugendlich­e und vielleicht künftige Arbeitgebe­r haben sich in Günzburg zum „Speeddatin­g“getroffen.

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