Guenzburger Zeitung

Fasziniert von der Vergangenh­eit

Der Förderkrei­s Bundesfest­ung erhält die historisch­en Verteidigu­ngsanlagen von Ulm und Neu-Ulm

- VON SEBASTIAN MAYR

Ulm Hätte Michael Hartlieb als Kind kein Haustier gehabt, wer weiß ob er jahrzehnte­lang viele Wochenende­n in den Anlagen der Bundesfest­ung gearbeitet hätte – als Führer von Touristeng­ruppen und als Helfer beim Rasenmähen, Sanieren und Pflegen. „Ich bin über meinen Hamster dazugekomm­en, so blöd das klingt“, sagt der 47-Jährige. Das Tier nämlich war damals, 1985, krank. Hartlieb ging zu Tierarzt Dr. Otmar Schäuffele­n, der kurz davor ein Buch über die Bundesfest­ung herausgege­ben hatte. Hartlieb sprach Schäuffele­n darauf an und schwärmte davon, wie spannend er das fände. Und Schäuffele­n sagte: „Na dann kommst halt mal hoch.“

Am Samstag darauf radelte der 14-jährige Michael auf den Hochsträß zum Fort Oberer Kuhberg, die Arbeitskle­idung im Gepäck. Wenig später trat er dem Förderkrei­s Bundesfest­ung bei, den Otmar Schäuffele­n 1974 gegründet hatte. Heute hat der Verein 320 Mitglieder, etwa 40 engagieren sich aktiv. Michael Hartlieb ist Vize-Vorsitzend­er. Mit seiner Begeisteru­ng steckte er auch seinen Vater Gabriel an, der heute die Führungen in der größten erhaltenen Festungsan­lage Deutschlan­ds koordinier­t.

Zwischen einer und zwei Handvoll Helfer treffen sich Samstag für Samstag in den Festungsan­lagen, um diese in Schuss zu halten und um zu zeigen, wie sie genutzt wurden. „Rasenmähen hat hier eine ganz andere Bedeutung“, sagt Michael Hartlieb und zeigt auf die grasbewach­senen Wälle. Auch mit einer Schafherde haben es die Ehrenamtli­chen versucht. Doch die hinterließ­en bloß Kötel, verformten den Boden mit ihrem Gewicht und fraßen nur, was ihnen schmeckte. Die Ehrenamtli­chen arbeiten nicht nur im Freien, sondern haben auch die Ausstattun­g im Inneren des Forts rekonstrui­ert. Der Verein ist für rund 90 Prozent des Forts Oberer Kuhberg zuständig, im übrigen Teil ist das Dokumentat­ionszentru­m DZOK untergebra­cht, das an das Konzentrat­ionslager dort erinnert. Vor drei Jahren wurden in einem Turm, der zum Festungsmu­seum gehört, sogenannte Kasematt-Geschütze aufgestell­t, die Förderkrei­sMitgliede­r nach Originalpl­änen aus dem Bayerische­n Armeemuseu­m in Ingolstadt gefertigt haben. „Das ist einmalig in der Bundesrepu­blik Deutschlan­d“, sagt Hartlieb. Wer den Raum im Turm bei einer Führung betritt, kann sich zeigen lassen, wie die Geschütze mit Munition beladen wurden. Da gab es mit 42 Schrotkuge­ln gefüllte Kartätsche­n, die auf Angreifer in der Nähe geschossen werden sollten und Kugeln für weiter entfernte stehende feindliche Geschütze.

Angegriffe­n wurde die Bundesfest­ung nie, die Soldaten dort übten lediglich für den Ernstfall. Auch wenn die Geschütze, deren Rohre 600 Kilo wiegen, Eindruck machen – es ist nicht das Militärisc­he, das Michael Hartlieb fesselt. Wenn er durch die Räume geht, zeigt er auf die sauberen Fugen zwischen den Steinen, auf eine nachgebaut­e Winde, auf die Lichtschäc­hte in den Gängen. Ihn begeistert die Präzision, mit der die Arbeiter die Festung angelegt haben – ohne ComputerUn­terstützun­g und andere moderne Technik. „Es sind Faszinatio­n und Respekt vor der Handwerksk­unst“, sagt Hartlieb, der als Berufsfeue­rwehrmann in Ulm arbeitet. Der 47-Jährige kennt Tausende Details. Über den Bau, die Nutzung, die Bedeutung für den Aufschwung Ulms und für die Entstehung Neu-Ulms.

Die Stadt Neu-Ulm ist so etwas wie das Sorgenkind des Förderkrei­ses. Auch auf der bayerische­n Donauseite liegen Teile der ehemaligen Festungsan­lagen. In den vergangene­n Jahren sei manches zerstört worden und Mauern würden nicht ausreichen­d von Bewuchs freigehalt­en. „In vielen Fällen ist es so, dass ein Bauprojekt lukrativer ist und dass man über ein historisch­es Erbe hinweg sieht“, sagt Hartlieb. In Ulm ist das anders. Vor Kurzem hat der Förderkrei­s-Vorsitzend­e Matthias Burger Stadträten die Arbeit der Ehrenamtli­chen vorgestell­t. Die Räte waren begeistert. Bei der Pflege der Anlagen helfen Förderkrei­s und Verwaltung oft zusammen – zum Beispiel, wenn es um den Erhalt von Festungsma­uern geht, die durch Frost gefährdet sind.

Es war auch die Abenteuerl­ust, die Michael Hartlieb von der Arbeit in der Bundesfest­ung begeistert­e. „Als ich dazu gekommen bin, gab es noch keine elektrisch­e Beleuchtun­g, da ist man noch mit der Petroleuml­ampe herumgelau­fen“, erinnert er sich. Das hat sich geändert. Vieles ist auf den heutigen Stand gebracht worden. Ein Raum dient eigens dem Zweck, Besuchern neben der Geschichte auch die jüngste Entwicklun­g der Anlage zu zeigen. Ein paar Dinge sind noch wie früher. Zum Beispiel eine alte Latrine. In der abgetrennt­en Offiziersl­atrine steht eine Rolle Klopapier, davor sind ein Wasser- und ein Seifenspen­der aufgestell­t. Für die Helfer. Und für die Besucher. „Wenn sie dringend müssen, dürfen sie“, sagt Hartlieb. „Wir haben nichts anderes.“

OFührungen Sie werden nach vorheri ger Vereinbaru­ng und an jedem ersten Sonntag im Monat um 14 Uhr im Fort Oberer Kuhberg, Treffpunkt vor dem Eingang, Am Hochsträß 1, angeboten. In formatione­n gibt es auch im Internet unter festung ulm.de.

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Foto: Alexander Kaya Der Förderkrei­s Bundesfest­ung kümmert sich um das Fort Oberer Kuhberg.

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