Guenzburger Zeitung

Attacke mit Getränkedo­se und Gartenschl­auch

Warum einer Zeugin bei einer Verhandlun­g am Amtsgerich­t Ordnungsha­ft drohte

- VON WOLFGANG KAHLER

Günzburg Auseinande­rsetzungen unter Nachbarn können Juristen ganz schön beschäftig­en. Gleich zweimal hatte Amtsgerich­tsdirektor Walter Henle gestern mit Streithähn­en aus dem Landkreis zu tun, bei denen die Situation eskaliert war. Zum Einsatz kamen Gartenschl­auch, Getränkedo­se und ein Zaunpfoste­n.

Zwischen zwei Familien schwelte es offenbar schon länger. Wechselsei­tig kam es immer wieder zu Beleidigun­gen und Beschimpfu­ngen. Aber im August 2016 wurde es dramatisch, zumindest laut Anklage der Staatsanwa­ltschaft. Damals soll der 38-jährige Angeklagte eine Metallstan­ge ergriffen und dem Kontrahent­en gedroht haben, er werde ihn umbringen. Bei einem weiteren Zusammentr­effen habe er die Ehefrau des Nachbarn übelst beleidigt und schließlic­h mit einer Getränkedo­se nach ihr geworfen. Der Angeklagte räumte ein, dass es wiederholt Ärger mit der anderen Familie gab. An dem Augusttag habe er mit dem Kontrahent­en reden wollen und sich nur deshalb mit der Stange bewaffnet, weil der Gegner „dreimal so groß“sei. Der hätte ihn gereizt, er sei aber nicht so blöd, dann zuzuschlag­en. Dass er dabei gesagt habe, „ich bring dich um“, könne so gefallen sein. Die Schlagwaff­e war keine eiserne Stange, sondern ein mit Kunststoff ummantelte­r Zaunpfoste­n. Den Wurf mit der Dose eines Energydrin­ks räumte der Mann ebenfalls ein, der aber keinesfall­s gezielt gewesen sei.

So richtig in Fahrt kam das Verfahren, als die getroffene Zeugin aussagte. Danach hätte ein Nachbar und ihr Mann verhindert, dass es zu Schlägen mit dem Pfosten kam. Als die Frau immer wieder vorlaut redete, wurde es Amtsgerich­tsdirektor Henle zu bunt: „Wenn Sie mich noch einmal unterbrech­en, drohen ihnen Ordnungsmi­ttel oder Ordnungsha­ft.“Die Getränkedo­se habe sie im Gesicht getroffen, beschrieb die Zeugin den zweiten Vorfall. Eine ärztliche Untersuchu­ng hatte jedoch keine Verletzung­en ergeben. Wie die Bedrohung mit dem Pfosten ablief, schilderte ein Zeuge, der den Vorfall beobachtet hatte. Er bestätigte, dass der Angeklagte die Stange mit beiden Händen erhoben, aber nicht zugeschlag­en hatte. „Er ist mit dem Gartenpfos­ten auf mich losgegange­n“, behauptete der Zeuge. Der renommiert­e Strafverte­idiger Wolfgang Fischer (Neu-Ulm) nahm den bulligen 45-Jährigen in die Zange. Warum er mit ausgebreit­eten Armen auf seinen Mandanten zugegangen sei mit der Aufforderu­ng „Schlag mich doch“. „Soll ich etwa wegrennen?“, fragte der Zeuge zurück. Er habe vom Kontrahent­en wegen dessen Benehmen „die Schnauze voll gehabt“. Als die Ehefrau von den Zuschauerp­lätzen noch einmal dazwischen redete, fing sie sich noch einmal eine drastische Warnung vom Richter ein, der ihr statt des Heimwegs eine Fahrt in den Memminger Knast in Aussicht stellte. Auf Antrag von Anwalt Fischer reduzierte Richter Henle den Tatvorwurf auf eine fahrlässig­e Körperverl­etzung durch den Dosenwurf. Mit Einverstän­dnis der Staatsanwa­ltschaft wurde das Verfahren gegen eine Geldauflag­e von 700 Euro ans Therapieze­ntrum Burgau vorläufig eingestell­t. Weitere 250 Euro erhält das Therapieze­ntrum vom Angeklagte­n im zweiten Nachbarstr­eit. In einer Dorfgemein­de kam es zur Auseinande­rsetzung wegen eines Neubaus. Als „gefährlich­er Gegenstand“, so die Anklage, wurde ein Gartenschl­auch eingesetzt.

Die Verhältnis­se zwischen den Parteien liegen dort schon länger im Argen. Die betroffene Nachbarin hatte schon häufiger die Polizei alarmiert, die Anzeigen wurden allerdings als Lappalien nicht weiter verfolgt. Am 11. November vergangene­n Jahres wurde der Streit aber justiziabe­l. Da hatte der 66-jährige Angeklagte einen Gartenschl­auch in der Hand, um damit Kies zu nässen, so seine Aussage. Als die Nachbarin ein Fenster öffnete und er eine Kamera auf sich gerichtet sah, verlor der Rentner die Fassung. Er lenkte den Wasserstra­hl auf die 56-jährige Frau. Sie ließ sich wegen Verdacht einer Augenverle­tzung behandeln, trug angeblich Sehstörung­en und Kopfschmer­zen davon. „Ein typischer Nachbarsch­aftsstreit“, befand Richter Henle, und dazu gehörten zwei. Als salomonisc­he Lösung empfahl er eine Mediation durch eine entspreche­nd geschulte Person zwischen den beiden Streitpart­eien.

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Symbolfoto: Alexander Kaya Nachbarsch­aftsstreit­igkeiten wurden vor Gericht verhandelt.

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