Als Handschuhmacher und Klarinettenbauer kamen
Eine Ausstellung im Burgauer Schloss zeigt, wie das Kriegsende für die Stadt einen Neubeginn bedeutete
Burgau Am 24. April 1945 marschierten die amerikanischen Truppen in Burgau ein. Für die Bürger der Stadt bedeutete dies nicht nur eine harte Zeit, sondern auch Jahre des Aufbaus und Neubeginns. Die Zeit von 1946 bis 1947 war geprägt von der Ankunft der Deutschen, die aus ihrer Heimat vertrieben worden waren. 1950 zählte Burgau zusammen mit den 1193 Heimatvertriebenen insgesamt 4170 Einwohner. „Kriegsende und Neubeginn in Burgau 1945“lautet der Titel der Ausstellung im Burgauer Schloss, die am Sonntag, 8. April, um 15 Uhr eröffnet wird. Die Eröffnung wird musikalisch – es könnte nicht passender sein – von der Handschuhmacherkapelle umrahmt.
Die Ausstellung konzentriert sich darauf, wie die letzten Tage des Kriegsendes in Burgau verliefen: Wie kamen die Amerikaner in die Stadt, wer stellte sich ihnen entgegen? Unter anderem wird ein Film gezeigt, der den Einmarsch der Amerikaner zwei Tage vorher in Dillingen dokumentiert. Sie widmet sich aber auch den Alltagssorgen der Bevölkerung: Wo bekam man das her, was man brauchte? Infolge des Krieges kamen gleichzeitig die ersten Flüchtlinge an, es entstand das Problem, sie unterzubringen.
Viele Straßennamen erinnern heute an Orte, aus denen sie kamen: Abertham, Graslitz, Troppau und viele mehr. Wie vollzog sich der Neubeginn, der politische und vor allem der wirtschaftliche? „Gerade darin spielen Handschuhmacher und Klarinettenbauer eine entscheidende Rolle“, erklärt Stadtarchivarin Martina Wenni-Auinger. Bereits 1947 entstanden durch sie die ersten Betriebe in der Handschuh- und Instrumentenindustrie, in denen sie sich nach und nach eine neue Existenz aufbauten. Sie kamen nicht nur über das „Schopfeler-Lager“, den Durchgangsort für den Landkreis Günzburg, sondern auch aus dem Allgäu und aus Baden-Württemberg in die Markgrafenstadt. Durch die Ansiedlung der beiden Industriezweige waren vor allem Handschuhmacher gesucht.
Die Ausstellung soll auch die des vergangenen Jahres mit dem Titel „Im Schatten der Wunderwaffe“fortführen, die das einstige KZ-Außenlager Burgau und das Waldwerk Kuno I im Scheppacher Forst beleuchtet hatte. Schließlich sei dies der Ort gewesen, an dem sich viele Burgauer all das an Rohstoffen und Material geholt hätten, was aus dem Werk damals übrig geblieben sei, erläutert die Stadtarchivarin.
Die Ausstellung wird von einem umfangreichen Rahmenprogramm begleitet. Am Sonntag, 15. April, findet um 15 Uhr der Vortrag „Geflüchtet, vertrieben, angekommen“von Tobias Auinger statt, der sich mit den Neubürgern von Burgau in der Nachkriegszeit befasst. Am Sonntag, 22. April, finden ab 14 Uhr Vorführungen statt. Roland Fischer wird einen Einblick in die Handschuhfertigung geben. Der 81-jährige Zeitzeuge ist nicht nur gelernter Handschuhmacher, sondern auch Gründungsmitglied der Handschuhmacherkapelle. Abgemessen wird nicht in Zentimetern, sondern in Zoll, und nicht mit dem Zollstock, sondern mit dem „Zollstob“. Burgau hatte sogar einen besonderen Poststempel: „Burgau, Stadt der Qualitätshandschuhe“, erzählt Roland Fischer. Jürgen Schmidt ist Klarinettenbauer in vierter Generation. Er wird Fertigungsabschnitte im Klarinettenbau zeigen. „Zwischen Hoffen und Bangen“lautet der Titel des Vortrags von Andreas Rau am Sonntag, 29. April, um 15 Uhr, in dem es um Burgau und seine Umgebung am Ende des Krieges geht. Am Sonntag, 6. Mai, um 14 Uhr folgt ein Vortrag in Verbindung mit einer kleinen Ausstellung über das Klöppeln. Was viele Burgauer nicht wissen: „Viele der Vertriebenen brachten mit ihren Habseligkeiten auch Klöppelkissen und Klöppelbrief, die Vorlagen für das Klöppelmuster, mit“, sagt Klöpplerin Uschi Häuser. Geklöppelt wurde in der Stadt zuvor in der Regel nicht.
Wie hätte sich Burgau entwickelt, wenn die Vertriebenen nicht gekommen wären? Außer der Bandweberei Leuze gab es so gut wie keine Industrie. Innerhalb von nur wenigen Jahren entstanden mit den Neubürgern Betriebe und damit auch Arbeitsplätze. Firmen wie B. Zenker und Afira sind vielen Burgauern heute noch ein Begriff. Und der Klarinettenbau ist ein fester Bestandteil in der Markgrafenstadt.
Sie organisiere Ausstellungen mit gewissem Herzblut, bemerkt Martina Wenni-Auinger. Dabei fällt auch das Wort „Toleranz“. „Es war nicht einfach für die, die mit fast nichts angekommen sind, und nicht wussten, wo sie hinkommen.“Aber auch nicht für die Burgauer, als ihnen gesagt wurde, plötzlich für fünf, sechs Fremde nicht nur die Räume, sondern auch eine Reihe an Alltagsgegenständen bereitzustellen. Die Ausstellung kann bis zum 13. Mai, jeweils sonntags von 14 bis 17 Uhr, besichtigt werden.