Guenzburger Zeitung

Im Höhenflug

Ein K!ar.Texter hat zwei Jugendlich­e beim Parkour in Günzburg begleitet. Was sie antreibt, durch die Stadt zu springen

- VON STEFAN FOAG

Günzburg Ein bisschen wie Spiderman hockt Kevin auf dem Geländer einer Treppe, die einige Meter in die Tiefe führt. Konzentrie­rt blickt der junge Mann mit Lockenkopf und athletisch­em Körperbau auf sein ausgemacht­es Ziel. Dann springt er mit beiden Beinen ab, um das über zwei Meter entfernte Geländer auf der anderen Seite zu erreichen. Ohne zu straucheln landet er sicher im Stand. Er steigt ab, rennt über die Straße und klettert eine Mauer hoch. Kevin Kusterer deutet an, was er alles draufhat. Seit vier Jahren macht er Parkour. „Man versucht auf effiziente­stem Wege von A nach B zu kommen“, erklärt der 16-Jährige aus Jettingen. Mauern, Treppen und Abgründe dürfen hierfür kein Hindernis darstellen.

Gelernt hat er es bei Philipp Wilhelm. Der Rettenbach­er ist bereits seit acht Jahren in der Szene aktiv und hat sich vieles durch Youtube-Videos angeeignet. Mittlerwei­le konnte der 19-Jährige einige Mitstreite­r finden, sodass sie oft in einer fünf- bis siebenköpf­igen Gruppe trainieren können; im Sommer teils bis zu sechs Stunden. Anfängern müssen sie immer klarmachen: Bei Parkour macht man keine Saltos. Derlei Tricks gehören zu Free Running und damit zu einer anderen Disziplin. Das können die Jungs auch. Sie konzentrie­ren sich aber in erster Linie auf Parkour. Philipp fasst zusammen: „Saltos machen wir nur zum Chillen.“

Um sich mit anderen zu treffen, fahren sie ab und an nach Ulm, Augsburg oder München. Dort gibt es größere Parkour-Gruppen und mehr

Orte zum

Austoben. Die

Szene ist gut vernetzt, weshalb sie Kollegen in Konstanz, Köln und Düsseldorf ebenfalls schon besucht haben. „Im vergangene­n Sommer waren wir sogar in Lissabon“, erzählt Kevin. Das sei eine der besten Städte für Parkourlie­bhaber. In der Regel sind sie aber im Landkreis Günzburg unterwegs. Immer wieder entdecken sie spannende Stellen in Jettingen-Scheppach, Burgau und Rettenbach. Am besten kennen sie sich allerdings in Günzburg aus. Hier zeigen sie, was sie können. Vom eisigen Wind unberührt gleitet Philipp drei Meter durch die Luft; von einer Parkbank auf eine Mauer. Und dann springt Kevin doch noch einen Salto; von der Mauer auf die Parkbank. Anschließe­nd geht es die Treppen hinab. Der eine rutscht auf dem Geländer, während der andere acht Stufen auf einmal nimmt. Obwohl Philipp deutlich länger Parkour praktizier­t, befindet sich Kevin inzwischen auf gleichem Niveau. Jeder hat eigene Ideen, wodurch sie sich gegenseiti­g beeinfluss­en und verbessern. Auf die Frage nach Vorbildern, antworten sie: „Die haben wir nicht höchstens Inspiratio­nen.“In diesem Sport zählt der Einzelne. Jeder kann sich individuel­l entfalten und ist für sich selbst verantwort­lich. Gruppenzwa­ng findet keiner statt. „Wir machen nur Sachen, die wir uns hundertpro­zentig zutrauen. Anfänger mahnen wir oft zur Vorsicht“, so Kevin. Diese Einstellun­g mag der Hauptgrund dafür sein, dass sie sich beide noch nie ernsthaft verletzt haben.

Philipp muss sich nun verabschie­den. Doch Kevin demonstrie­rt an weiteren Stellen in der Stadt seine Fähigkeite­n. Nachdem er wieder auf Treppengel­ändern herumgehüp­ft ist, spricht ihn ein Fußgänger an. Der junge Mann checkt mit der Faust ein, gratuliert und plaudert kurz mit ihm. Als er seiner Wege geht, grinst Kevin und sagt: „Den habe ich noch nie gesehen.“Ein kurioses Hobby bringt nun mal viel Aufmerksam­keit mit sich.

 ?? Fotos (5): Stefan Foag ?? Springen, Klettern, Balanciere­n: All das gehört zum Parkour. Philipp Wilhelm aus Rettenbach und Kevin Kusterer aus Jettingen verbringen viel Zeit mit diesem Hobby. Hauptsächl­ich sind sie in Günzburg unterwegs, aber sie sind auch schon durch Köln und...
Fotos (5): Stefan Foag Springen, Klettern, Balanciere­n: All das gehört zum Parkour. Philipp Wilhelm aus Rettenbach und Kevin Kusterer aus Jettingen verbringen viel Zeit mit diesem Hobby. Hauptsächl­ich sind sie in Günzburg unterwegs, aber sie sind auch schon durch Köln und...
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