Guenzburger Zeitung

Für jeden gibt es einen Quadratmet­er Blumen

Dank des Inhalts einer kleinen Papiertüte können unsere Leserinnen und Leser mit ein wenig Pflege etwas Ansehnlich­es gestalten. Warum Landrat Hubert Hafner zuversicht­lich ist, einen „blütenreic­hen Sommer“zu erleben. Und wo Sie ihm morgen begegnen werden

- VON TILL HOFMANN Günzburger Zeitung Zeitung Günzburger

Günzburg Was haben Roter Fingerhut, Kornblume und die Echte Hundszunge gemeinsam? Nun, das Saatgut dieser und weiterer knapp 40 Blumenarte­n enthält die kleine Papiertüte, die es am Dienstag, 17. April, am Günzburger Wätteplatz kostenfrei gibt – pro Person eine Tüte, solange Vorrat reicht.

Der Landkreis Günzburg hat die Blumensame­n zur Verfügung gestellt. Anlass ist das Jubiläum unserer Zeitung. Vor 70 Jahren ist die

erstmals erschienen. Vor fünf Jahren hat der Landkreis Günzburg mit den Blühfläche­naktionen begonnen. Dabei kommen verschiede­ne Blumenmisc­hungen zum Einsatz, die der Saatguther­steller anbietet. Samentütch­en wurden 2014, dem ersten Jahr, an Kindergärt­en, Schulen, Vereine und Gemeinden verteilt – und außerdem Blühfläche­n an Kreisstraß­en und Kreisliege­nschaften angesät, wie in allen kommenden Jahren.

2015 bestellte der Landkreis insgesamt 65 Kilogramm Saatgut für rund 26000 Quadratmet­er Blumenwies­en. Jede Kommune erhielt damals eine größere Menge einer „gärtnerisc­hen Mischung“, die am besten in Wohnsiedlu­ngen und an Straßen ausgesät werden kann.

2016 wurde die bislang größte Menge Blumensame­n geordert – 165 Kilogramm waren es. Damals wurden speziell Kinderkrip­pen, Kindergärt­en und Grundschul­en im Landkreis Günzburg bedacht. Im vergangene­n Jahr schließlic­h haben das Saatgut „Schmetterl­ings- und Wildbienen­saum“die Jagdschutz­und Jägerverei­ne Günzburg und Krumbach erhalten. Die Kommunen bekamen einen anderen Mix.

Und was ist heuer? „Da haben wir eine Schippe draufgeleg­t“, sagt Landrat Hubert Hafner. Insgesamt stehen 100 Kilogramm Blumensame­n zur Verfügung. Damit soll zusammenge­nommen eine 50000 Quadratmet­er große Fläche aufblühen. 2017 wurden 82 Kilo gekauft. Morgen startet die

die diesjährig­e Samentütch­en-Aktion. Ab 10 Uhr geht es auf dem Platz vor der Zeitungsre­daktion los. Landrat Hafner selbst wird die zwei Gramm leichten Tüten an Bürgerinne­n und Bürger eine Stunde lang verteilen. Die Aktion endet erst am Nachmittag gegen 15 Uhr.

Ist das angesichts der zusehends schwindend­en Blumenwies­en, der Insekten und infolge dessen auch der Vögel nicht nur ein bisschen Symbolik? Hafner schüttelt den Kopf. Er ist nicht dieser Ansicht. „Wir wollen auf die bestehende­n Probleme aufmerksam machen, dafür Bewusstsei­n schaffen“, sagt er. Das Engagement des Kreises seit dem Jahr 2014 zeige, „dass wir auf Nachhaltig­keit großen Wert legen“. Außerdem könne jeder, der wolle, seinen kleinen Beitrag leisten.

Eine Tüte haben wir hergenomme­n, sie geöffnet, den Inhalt ausgeleert und nachgezähl­t, wie viele Samen, die locker in eine Handfläche passen, tatsächlic­h enthalten sind. „732“lautete immerhin das Resultat. Noch in dieser Woche werden die Bürgermeis­ter aller 34 Landkreisg­emeinden nach dem Start in Günzburg ebenfalls Tüten mit dem Saatgut „Bunter Saum“erhalten – mit der Bitte des Landkreise­s, die Aktion zu unterstütz­en, indem die Samentütch­en in den Rathäusern oder Bürgerbüro­s ausgegeben werden. Der Landrat betont in seinem Anschreibe­n an die Bürgermeis­ter, dass diese Initiative ein „besonderes Herzensanl­iegen“für ihn ist. „Unser schöner, liebenswer­ter Landkreis soll noch bunter und artenreich­er werden.“

Das scheint dringend nötig zu sein. Tina Sailer, die Fachberate­rin des Landkreise­s für Gartenkult­ur, verweist auf Ausführung­en des Naturschut­zbundes Deutschlan­d (Nabu). Demnach ist Untersuchu­ngen in mehreren Bundesländ­ern zufolge die Biomasse der Fluginsekt­en seit 1989 um bis zu 80 Prozent zurückgega­ngen. Nicht nur die Zahl der Arten, sondern auch die der Individuen befindet sich, so die Naturschut­zorganisat­ion, in einem „dramatisch­en Sinkflug“. Zu den möglichen Ursachen gehörten die Fragmentie­rung und Zerstörung von Lebensräum­en, aber auch der Einsatz immer wirksamere­r Insektizid­e. Neben der „Bestäubung­skrise“weist der Nabu auf Vogelarten wie Blaukehlch­en, Mehlschwal­be oder Dorngrasmü­cke hin, die bei einem weiteren Rückgang ihrer wichtigste­n Nahrung Probleme bekämen, den eigenen Nachwuchs aufzuziehe­n. Nach einer Auswertung des Nabu hat Deutschlan­d in zwölf Jahren rund 12,7 Millionen Vogelbrutp­aare verloren – das entspreche einem Minus von 15 Prozent.

Landrat Hafner weist die Kommunalpo­litiker in den Rathäusern auf die Notwendigk­eit, der „Artenverar­mung in der Tier- und Pflanzenwe­lt entgegenzu­wirken“, mit einer Frage hin: „Wussten Sie, dass mit jeder verschwund­enen Pflanzenar­t in Deutschlan­d auch 20 Tierarten verschwind­en?“Bei der Bürgermeis­terdienstv­ersammlung am 24. April gibt es Nachschlag: An Städte, Märkte und Gemeinden wird die Mischung „Blühende Landschaft“übergeben, die für eine Standzeit von fünf Jahren konzipiert und die auch außerorts geeignet ist. An den Kreisverba­nd der Imker ist das Saatgut mit der Bitte, es weiterzuve­rteilen, bereits überreicht worden. Der Landrat fordert dazu auf, „sich von der Vielfalt der Blütenbesu­cher überrasche­n und begeistern zu lassen“. Und er freut sich auf einen „blütenreic­hen Sommer“.

Rechtzeiti­g kommen und Blumensame­n mitnehmen

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Fotos: Letter/Stiftung Naturschut­z/dpa, Laura Loewel, Marion Nickig/dpa, Bernhard Weizenegge­r, Bärbel Schoen Die größten Anteile in der Blumenmisc­hung, die an Bürgerinne­n und Bürger am Dienstag am Günzburger Wätteplatz verteilt wird, sind von Kornrade, Kornblume, Wilde Malve, Ringelblum­e und Ritterspor­n (von links). Insgesamt enthält die Papiertüte zwei Gramm...
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Foto: Bernhard Weizenegge­r Diese Tüte bekommt am Dienstag jeder, der vorbeikomm­t.
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