Guenzburger Zeitung

Kunstvolle Funde aus römischer Zeit – und ein Rätsel

Forscher haben einen Teil des ehemaligen Osterlehne­r-Areals in Günzburg untersucht. Dabei entdeckten sie auch ein Skelett

- VON WALTER KAISER

Günzburg Die alten Römer sind so fern – und doch so nah. In Günzburg sowieso. Auf dem Gelände der ehemaligen Gärtnerei Osterlehne­r an der Maria-Theresia-Straße entsteht ein neues Baugebiet (wir berichtete­n). Bevor die Bauarbeite­r anrückten, hatten Archäologe­n den Boden untersucht – und dabei bemerkensw­erte Funde aus römischer Zeit gehoben: unter anderem schöne Fibeln und einen Schreibgri­ffel, dazu jede Menge Keramiksch­erben, Knochen von Rindern oder Schweinen sowie einen Toten, dessen irdisches Ende noch Rätsel aufgibt.

Günzburg, das römische Gontia, darf sich rühmen, das am besten erforschte römische Gräberfeld nördlich der Alpen sein eigen zu nennen. Die meisten Funde wurden an der Ulmer Straße in Richtung Leipheim gemacht. Aber auch in der Innenstadt waren, wenn auch sehr viel seltener, Raritäten aus antiker Zeit gefunden worden. Nun also auch auf dem Gelände der früheren Gärtnerei Osterlehne­r. Verantwort­licher Grabungsle­iter war Manfred Woidich aus Harburg, der im Februar mit einem fünf- bis siebenköpf­igen Team den Baugrund an der Maria-Theresia-Straße durchsucht und unter die Lupe genommen hat.

Zutage gefördert wurde zunächst ein neuzeitlic­her Fund, ein Erdkeller, der vermutlich aus der Zeit der Renaissanc­e stammt. In anderen Erdschicht­en stießen die Forscher auf Funde aus der Römerzeit. Mutmaßlich stammen sie aus dem ausgehende­n 1. Jahrhunder­t nach Christus. Entdeckt wurden zum Beispiel kleinere und größere Gräben, mit denen vermutlich Grundstück­sparzellen abgesteckt worden waren. „Das ist aber nur eine Arbeitshyp­othese“, erklärt Woidich.

Entdeckt wurden ferner zum Teil sehr große Gruben, aus denen die Römer wahrschein­lich Sand und Kies geschaufel­t hatten, um Material für ihre Bauwerke in Gontia zu gewinnen. In der Folge wurden die Gruben dann offenbar als Müllhalden genutzt – sehr zur Freude der Forscher. Denn geborgen hat das Grabungste­am die Reste von Dachziegel­n und Backsteine­n, eine Vielzahl von Keramiksch­erben und Überbleibs­el von Terra sigillata, dem gehobenen Gebrauchsg­eschirr der Römer. Wo das Geschirr gefertigt wurde – denkbar sind Italien oder Gallien, aber auch das hiesige Rätien – kann erst im Laufe weiterer Untersuchu­ngen ermittelt werden. Aufschluss könnten Stempel geben, die bei der Fertigung in das Geschirr gedrückt oder geritzt worden waren. In einer der Abfallgrub­en sind auch die Knochen eines Rindes oder eines Pferdes gefunden worden.

Fibeln sind Gewandspan­gen, mit denen die Römer ihre Kleidung, Umhänge oder Mäntel zusammenge­halten haben. Einige besonders schöne Exemplare sind auf dem Osterlehne­r-Areal gefunden worden. Darunter ist eine Fibel, von den Römern fibula genannt, mit einer Verzierung aus Lapislazul­i und einem fein modelliert­en Schweinsko­pf am Ende. Grabungsle­iter Manfred Woidich: „Das ist ein ganz besonderer Fund.“Einer, der freilich erst noch vorsichtig und fachkundig gesäubert werden muss, um seine ganze Schönheit zu entfalten. Vom Feineren ist auch ein Schreibgri­ffel, Stilus genannt, mutmaßlich kunstvoll geschnitzt aus Knochen oder Geweih, mit dem die Römer auf ihren Wachstafel­n geschriebe­n haben.

Näherer Untersuchu­ngen bedarf ein weiterer Fund – das Skelett eines Mannes, das auch in einer der Gruben entdeckt wurde. War er ermordet und heimlich verscharrt worden? Oder war er einer Seuche zum Opfer gefallen und deshalb im Randgebiet des römischen Gontia beerdigt worden? „Eine reguläre Bestattung war es jedenfalls nicht“, ist Woidich überzeugt. Die Klärung steht noch aus. Gegraben haben die Archäologe­n nur im Bereich, der die Gartenanla­ge des neuen Wohngebiet­s auf dem Osterlehne­r-Areal bilden wird. Die Grundstück­sgebiete, die wieder überbaut werden, sind nicht durchsucht worden. Der Grundsatz lautet: Was im Boden besser konservier­t wird, sollte dort auch bleiben. In der Hoffnung, dass kommende Generation­en noch bessere Methoden der Erforschun­g und Konservier­ung antiker Funde zur Hand haben mögen. Insoweit ist die Geschichte der römischen Vergangenh­eit Günzburgs längst nicht abschließe­nd beschriebe­n.

 ?? Fotos: Manfred Woidich ??
Fotos: Manfred Woidich
 ??  ?? Stilus nannten die Römer Schreibgri­ffel wie diesen in Günzburg gefundenen.
Stilus nannten die Römer Schreibgri­ffel wie diesen in Günzburg gefundenen.
 ??  ?? Ein besonderer Fund ist diese mit Lapis lazuli verzierte römische Gewandspan­ge.
Ein besonderer Fund ist diese mit Lapis lazuli verzierte römische Gewandspan­ge.

Newspapers in German

Newspapers from Germany