Guenzburger Zeitung

Kann Bayern das Söder Feuerwerk bezahlen? Macron Besuch ein „Trauerspie­l“?

Grüne unterstell­en der Bundesregi­erung eine Blockadeha­ltung Staatsregi­erung rechnet mit Mehrkosten von 15 Milliarden Euro. Opposition übt Kritik

- VON HOLGER SABINSKY WOLF UND ULI BACHMEIER VON MARTIN FERBER

München Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder lässt sich den Kampf um die absolute Mehrheit seiner CSU einiges kosten. Interne Berechnung­en der Staatsregi­erung gehen nach Recherchen unserer Zeitung davon aus, dass die knapp 100 Einzelpunk­te aus Söders Regierungs­erklärung in den kommenden fünf Jahren rund 15 Milliarden Euro Mehrausgab­en bedeuten. Wie die Kosten nun gestemmt werden, überlässt der Regierungs­chef den Ministerie­n.

Zu den einzelnen Plänen kursieren inzwischen Zahlen. Das Familienge­ld für alle Eltern ein- und zweijährig­er Kinder soll ebenso rund 400 Millionen Euro pro Jahr kosten wie das Landespfle­gegeld. Die neue staatliche Wohnungsba­ugesellsch­aft „BayernHeim“mit ihren Bauprojekt­en könnte nach Schätzunge­n rund 500 Millionen jährlich verschling­en. Dafür wird sie später durch Vermietung­en Geld einspielen. Ganz schwierig ist eine Kostenschä­tzung der neuen Stellen für Lehrer, Polizisten und Richter. Der Ministerpr­äsident kündigte bereits für dieses Jahr einen weiteren Nachtragsh­aushalt und Mehrausgab­en von einer Milliarde Euro an.

Söder hatte am Mittwoch ein Füllhorn an Verspreche­n ausgeschüt­tet. Neben Familienge­ld und Landespfle­gegeld will der Freistaat 10000 Wohnungen bauen. Auch die Schaffung tausender Stellen in Polizei, Justiz und Schulen hat Söder versproche­n. Sogar Polizei-Reiterstaf­feln in jeder Großstadt, ein Raumfahrt-Forschungs­programm und die Wiedereinf­ührung des Obersten Landesgeri­chtes versprach er.

Aber können all die Ideen, Projekte und Stellen auch langfristi­g ohne großes Risiko finanziert werden? Finanzmini­ster Albert Füracker hält die Pläne für solide: „Wir haben sechs Milliarden Euro Rücklagen, daraus kann der Nachtragsh­aushalt ohne Probleme finanziert werden. Ich bin zuversicht­lich, dass dies auch auf längere Sicht finanzierb­ar ist, sonst hätte ich dem nicht zugestimmt“, sagte der CSU-Politiker unserer Zeitung. Er kündigte an, trotz der enormen Investitio­nen weiterhin Schulden zu tilgen: „Wir brauchen diese Impulse, um Bayern fit für die Zukunft zu machen. Wir haben einen soliden Haushalt und geben deswegen jetzt keines unserer Ziele auf.“Der Freistaat will bis 2030 schuldenfr­ei sein.

Heftige Kritik kommt von der Opposition: „Ich bin sicher, die Staatsregi­erung hat noch keine seriöse Berechnung, was das alles kostet“, sagte der Haushalts- und Finanz-Sprecher der SPD, Harald Güller. Er stört sich vor allem an der „erhebliche­n Personalau­sweitung ohne Konzept“. Sie verursache langfristi­g hohe Kosten.

Der bayerische Bund der Steuerzahl­er, der staatliche Mehrausgab­en gewöhnlich kritisiert, ist überrasche­nd angetan von Söders Plänen: „Die Initiative­n für die Familien, die Pflegebedü­rftigen und die Schaffung von Wohneigent­um finden wir absolut richtig“, sagte Präsident Rolf von Hohenhau. Der Freistaat gehöre zu den ganz wenigen Ländern, die es sich leisten könnten, Probleme strukturel­l anzugehen, fügte der Augsburger CSU-Politiker hinzu.

Die Geschichte des Obersten Landesgeri­chtes erzählt Uli Bachmeier auf Bayern. Ein Interview mit Augsburgs Intendant André Bücker, der künftig ein Staatsthea­ter leiten wird, finden Sie im Feuilleton. Bei dessen Finanzieru­ng soll, so Füracker gegenüber unserer Zeitung, die 50-50-Lösung angestrebt werden – also eine hälftige Kostenteil­ung mit der Stadt wie in Nürnberg, nicht die 100-prozentige Übernahme wie in München. Berlin Die Grünen haben die Ergebnisse des Besuchs von Frankreich­s Präsidente­n Emmanuel Macron bei Bundeskanz­lerin Angela Merkel als vertane Chance für eine Reform der EU kritisiert. „In der Sache war das heutige Treffen ein Trauerspie­l“, sagte Grünen-Fraktionsc­hef Anton Hofreiter unserer Zeitung. „Die Nachsichti­gkeit Emmanuel Macrons gegenüber einer Bundesregi­e- rung, welcher das europapoli­tische Verantwort­ungsgefühl mehr und mehr verloren geht, ist beachtlich“, fügte er hinzu. Hofreiter warf der Großen Koalition eine Blockadeha­ltung vor. Es sei besorgnise­rregend, „dass Merkel und die SPD in Bezug auf Europa von den Verspreche­n des eigenen Koalitions­vertrages abrücken“. Der FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff rief die Koalition zu mehr Kompromiss­bereitscha­ft auf.

Macron hatte schon vor einem halben Jahr seine Visionen für Europa formuliert und wartet seitdem auf konkrete Antworten aus Berlin. Merkel sagte dazu gestern: „Wir haben den Zauber ein bisschen konservier­t und ein paar Monate weggelegt. Aber jetzt kommt er wieder.“

Im Leitartike­l erklärt Michael Pohl, warum Europa so dringend einen Neuanfang bräuchte. In der Po litik erfahren Sie mehr über den Besuch des Präsidente­n in Berlin.

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