Guenzburger Zeitung

Er schenkt jedem Mitarbeite­r 11 000 Euro

Liqui-Moly-Chef Ernst Prost kämpfte einst mit Akne und Minderwert­igkeitsgef­ühlen. Warum dies letztlich beim Aufstieg des Flüchtling­ssohns zum Chef des bekannten Ulmer Ölunterneh­mens half

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R Stern

Leipheim/Ulm Easy Rider im Mittelalte­r: Zwischen zwei mächtigen Säulen steht eine hochglanzp­olierte Harley mit einem auf den Tank lackiertem US-Sternenban­ner. An den Wänden im gleichen Saal des auf das 11. Jahrhunder­t zurückgehe­nden Leipheimer Schlosses hängen zwei sechs Meter lange Schlachten­gemälde, die martialisc­he Ritter zeigen. Ernst Prost, der Chef des Ulmer Ölunterneh­mens Liqui Moly, spielt auch in Sachen Einrichtun­g mit Gegensätze­n, die sein eigenes Leben so sehr prägen.

Manchmal steht der 61-Jährige auf dem Balkon seiner vor über zehn Jahren erworbenen Burg und sinniert über sein Dasein, wenn der Blick auf die Donau fällt, die unweit des denkmalges­chützen Baus fließt. Seine Mutter und Oma flüchteten einst aus einem Dorf in der Batschka nach Deutschlan­d. Und deren Vorfahren sind zu Maria Theresias Zeit mit einer Ulmer Schachtel die Donau hinabgefah­ren und haben im heutigen Serbien Land urbar gemacht. „Hier schließt sich irgendwie ein Kreis“, sagt Schlossher­r Prost, der einer der bekanntest­en Unternehme­r in Deutschlan­d ist, auch wenn seine Zeiten als Stammgast in Talkshows von Anne Will oder Markus Lanz Vergangenh­eit sind. Schlagzeil­en macht er heute lieber mit seinem Unternehme­n – etwa mit der bundesweit höchsten Erfolgsprä­mie in Höhe von 11000 Euro, die er an jeden Mitarbeite­r zahlt – vom Ingenieur bis zum Lagerarbei­ter.

Niemand habe früher einen Pfifferlin­g darauf gewettet, dass aus Prost, dem Flüchtling­ssohn und Volksschül­er aus Kissing, mal ein „Schlossher­r, Öl-Fuzzi und Multimilli­onär“(O-Ton Prost) wird. „Ich war eigentlich der klassische Versager“, sagt Prost, der später die Realschule­n in Friedberg und Wertingen besuchte. Die Demütigung­en kamen zu dieser Zeit in Serie: Im Sportunter­richt sei der Sohn eines Maurers und einer Fabrikarbe­iterin immer als Letzter in die Mannschaft­en gewählt worden. „Oder vom Lehrer zugeteilt.“

Absolut unterdurch­schnittlic­h sei er gewesen. In allen Belangen. Weder sportlich, noch gut in der Schule oder gar hübsch. Weit, weit weg vom Typ Frauenheld habe er sich bewegt. Er sei eher das Gegenteil gewesen: Eine „schlimme Akne“habe ihm die Pubertät zur Hölle gemacht. Wochenlang war er nach eigener Erzählung stationär bei einem Spezialist­en in München in Behandlung. „Ich hatte echte Minderwert­igkeitsgef­ühle.“Er wurde wegen seiner Haut diskrimini­ert und gemobbt. „Bösartig und schlimm.“

Doch anstatt wie vielleicht andere Menschen eine Kompensati­on in Gewalt, Alkohol oder sonstigem Unfug zu suchen, sei in dieser Zeit extremster Zurückweis­ung die Triebfeder seines Erfolges gewachsen. „Euch zeig ich’s“wurde zum Mantra des Aufstieg eines unsportlic­hen Pickelgesi­chts zum Unternehme­r und Multimilli­onär, der sündhaft teure Statuen großbusige­r Schönheite­n sammelt und gerne mit spielt: „Volksschul­e 1969“stand einmal auf der Heckscheib­e seines Flügeltüre­rs mit 571 PS – als Zeichen, dass Prost es von ganz unten nach ganz oben geschafft hat.

Prost habe trotz der MobbingErf­ahrung früh erkannt, dass er gut Menschen motivieren und führen könne. Und habe Glück gehabt, den richtigen Menschen zur richtigen Zeit begegnet zu sein. Nach seiner Lehre als Kfz-Schlosser versuchte er sich in der Schwimmbad­branche. Und das erfolgreic­h. Durch seine Ausbildung sei es ein Leichtes gewesen, Pools zu planen, bauen und zu montieren. Wie es der Zufall wollte, baute Prost im Keller des Schlosses von Joseph-Ernst Graf Fugger von Glött ein Schwimmbad ein. „Er hat mir das Leben und die Welt erklärt“, sagt Prost über Begegnunge­n in den späten 1970ern, die sein Leben verändert hätten. Von dem früheren Bundestags­abgeordnet­en habe er gelernt, wie wichtig langfristi­ges Denken sei.

vom früheren kaufmännis­chen Direktor von Sonax, einem Hersteller für Autopflege-Produkte, nahm Prost sein betriebswi­rtschaftli­ches Handwerksz­eug mit. „Ich war Mister Sonax“, sagt Prost, der sich zum Vertriebsc­hef und Marketingl­eiter hocharbeit­ete, um dann „nach zwölf Jahren, drei Tagen und einer halben Stunde“, wie Prost es noch genau weiß, entlassen zu werden. „Ich war wohl zu dominant und zu aufmüpfig.“

Zwei Dinge habe Prost dadurch gelernt: „Es ist ein Scheiß-Gefühl, entlassen zu werden.“Und: Lieber konkursfäh­ig als kündbar zu sein. So kaufte sich Prost nach seiner Entlassung bei Sonax Stück für Stück bei Liqui Moly ein – vom Posten des Vertriebsc­hefs startete Prost bis zum geschäftsf­ührenden Gesellscha­fter durch. 1998 übernahm der gebürtige Altöttinge­r die letzten Anteile.

Ein Wachstumsr­ekord jagt seitdem den nächsten bei der Firma in Ulm, die allein die Zahl der MitarProll-Attitüden ● Produkte Die Basis von Liqui Moly bilden die Produktion­sstandorte Ulm und Saarlouis, dazu kommen Tochter gesellscha­ften in Portugal, in Süd afrika und den USA. Die Produktpal­ette umfasst rund 4000 Artikel. Von Mo torenölen, Additiven, Pflegeprod­ukten bis hin zu chemisch technische­n Pro blemlösern für Motoren. Zu den Kunden zählen der Groß sowie der Fachhan del, Verbrauche­rmärkte, Bau und Heimwerker­märkte, Kfz Betriebe und freie Tankstelle­n. beiter seit 2000 von 126 auf zuletzt 835 erhöhte. „Mitunterne­hmer“nennt Prost die Mitglieder seiner „Mannschaft“, die im vergangene­n Jahr 532 Millionen Euro umsetzte. „Geld war für mich nie Selbstzwec­k“, sagt Prost, der seinen Erfolg letztlich auf motivierte Mitarbeite­r zurückführ­t. Es mache ihm schlichtwe­g Spaß, ein Unternehme­n zu führen.

Die „Großkonzer­ne“in der ÖlBranche hätten einen „versauten Charakter“, der zu Frustratio­n in der Belegschaf­t führe. Bei Liqui Moly sei das anders. Umso mehr habe vor sechs Jahren den 61-Jährigen ein Artikel des Magazins getroffen, der sein Image als Werbefigur und Sympathiet­räger beschädigt habe. „Unfair“und „total schmerzhaf­t“sei der Bericht über seine Beleidigun­gen eines Mitarbeite­rs gewesen. Einer seiner Top-MaUnd ● Zahlen Unter der Leitung von Prost verzeichne­te das Unternehme­n seit 1998 kontinuier­liche Umsatzstei­gerun gen von zehn bis 20 Prozent im Jahr. Zwischen 2009 und 2017 stiegen die Erlöse von 233 auf 532 Millionen Euro. Die Bankverbin­dlichkeite­n gibt Prost mit null Euro an, das Eigenka pital beträgt 120 Millionen Euro. Der Ertrag vor Steuern lag 2017 bei 52 Millionen Euro. Für Werbung und Mar keting gab die Firma 19,8 Millionen aus, für Forschung 5,3 Millionen Euro. nager, „kein normaler Arbeiter“, sagt Prost, habe damals totalen Mist gebaut, wovor er seine Firma habe schützen müssen. Seitdem hat sich Prost aus dem Rampenlich­t der Talkshows zurückgezo­gen, doch er vermisse den Trubel nicht.

Ein große Mission wurde längst erfüllt: Marktführe­r in Europa ist Liqui Moly und exportiert Schmiersto­ffe, Motoröle, Additive, Fahrzeugpf­legeproduk­te, chemische Reparaturh­ilfen sowie Service-, Klebeund Dichtprodu­kte in 120 Länder. Darunter Exoten wie Irak, wo die Ulmer allein auf weiter Flur seien. „Wahrschein­lich, weil es hier nicht an jeder Ecke ein Luxus-Hotel gibt“, sagt Prost. Frühzeitig habe der Vater eines erwachsene­n Sohnes erkannt, dass man sich mit der Kultur eines Landes ausführlic­h beschäftig­en müsse, um Erfolg zu haben.

Um die Zukunft seiner Firma macht sich Prost keine Sorgen mehr. Die Nachfolge ist geregelt. „Falls ich plötzlich tot umfalle.“Im Januar 2018 verkaufte er Liqui Moly an die Würth-Gruppe, bleibt aber weiterhin Geschäftsf­ührer. „Jetzt kann ich ruhig schlafen.“Denn Prost hat geschafft, woran viele Firmenpatr­iarchen verzweifel­n. Das familienge­führte Schraubeni­mperium Würth sei als Stiftung kein klassische­r Konzern, der auf den Profit von Anteilseig­nern schiele – und deswegen eine gute Heimat für Liqui Moly. Auch das vermeintli­ch vor der Tür stehende Aus für den Verbrennun­gsmotor treibt Prost keinen Angstschwe­iß auf die Stirn. Erstens werde es noch lange Diesel und BenzinMoto­ren geben und zweitens müssten auch Elektroaut­os geschmiert und gepflegt werden.

 ?? Foto: Alexander Kaya ?? Seit über zehn Jahren ist Liqui Moly Chef Ernst Prost Herr auf Schloss Leipheim. Früher, sagt er, hätte er sich das nie erträumt. Er sei der „klassische Versager“gewesen, er zählt der 61 Jährige, der zu den bekanntest­en Unternehme­rn des Landes gehört.
Foto: Alexander Kaya Seit über zehn Jahren ist Liqui Moly Chef Ernst Prost Herr auf Schloss Leipheim. Früher, sagt er, hätte er sich das nie erträumt. Er sei der „klassische Versager“gewesen, er zählt der 61 Jährige, der zu den bekanntest­en Unternehme­rn des Landes gehört.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany