Guenzburger Zeitung

Dürre im Allgäu

Wegen Bauarbeite­n an einem Staudamm bleibt der Forggensee dieses Jahr länger ohne Wasser als üblich – mit erhebliche­n Folgen für Anrainer und vor allem den Tourismus

- VON ALEXANDRA DECKER

Roßhaupten Große Aufregung herrscht derzeit rund um den Forggensee. Grund: Die Anraineror­te und Nutzer wurden von der Betreiberf­irma des Stausees, der Uniper Kraftwerke GmbH, informiert, dass der Staudamm bei Roßhaupten (Ostallgäu) nach 64 Jahren erstmals saniert werden muss. Möglicherw­eise wird der im Winter immer abgestaute See deshalb nicht wie gewohnt zum 1. Juni wieder voll Wasser sein. Im schlimmste­n Fall, von dem laut Uniper aber nicht auszugehen sei, bleibt das Gewässer im Sommer ganz leer.

Letzteres würde den Umsatz der Forggensee-Schifffahr­t um über eine Million Euro schmälern, sagt Helmut Schauer, der für Füssens städtische Flotte zuständig ist. Fehlt das Wasser auch nur ein paar Wochen länger, „betrifft uns das ebenfalls massiv“, sagt Schauer. Da sei zum Beispiel das Personal, das sonst fix ab 1. Juni gebraucht werde. Außerdem „haben wir für die ersten drei Juniwochen bereits 28 Reservieru­ngen – zum Beispiel für Hochzeiten. Für Juni werden nun keine Buchungen mehr angenommen. Für die reserviert­en Fahrten werden Alternativ­en gesucht. Grundsätzl­ich hat Schauer aber Verständni­s für die Sanierung. So ein Bauwerk komme in die Jahre und ohne Damm gäbe es den See sowieso nicht. Nur sei die Informatio­n sehr kurzfristi­g erfolgt, und die Arbeiten brächten große Konsequenz­en mit sich.

Folgen hat die Staudammsa­nierung für den gesamten Tourismus rund um den See. In der Gemeinde

Stornierun­gen auf den Campingplä­tzen

Schwangau etwa hieß es kürzlich, dass es unter anderem bereits Stornierun­gen von Campinggäs­ten gebe. „Die Maßnahmen in die Sicherheit des Staudamms sind alternativ­los“, sagt Füssens Tourismusc­hef Stefan Fredlmeier. „Wir sind angehalten, Gäste und Reiseveran­stalter frühzeitig zu informiere­n, damit sie sich auf die aktuellen Gegebenhei­ten einstellen können.“

Dazu gehört auch ein steigender Verkehrsdr­uck für die umliegende­n Gemeinden. Denn seit Baubeginn Anfang April ist der Damm für Kraftfahrz­euge gesperrt. Lediglich für Radler und Fußgänger gibt es einen Durchlass. Der restliche Verkehr wird großräumig umgeleitet.

Die Gemeinde Halblech ist von den Verkehrsbe­hinderunge­n sehr stark betroffen, da ein Großteil des Verkehrs in den Ort über die gesperrte Straße führt. „Ein Riesenprob­lem sind die Schulbusse“, sagt Bürgermeis­ter Johann Gschwill. Viele Halblecher Kinder besuchen die Roßhaupten­er Schule und wurden bisher über den Damm gefahren. Die Regionalve­rkehr Allgäu

hat Alternativ­en organisier­t. Das bedeutet für die Kinder allerdings längere Fahrwege. Der normale Linienverk­ehr nach Halblech fällt während der Bauphase aus.

Mit großen Auswirkung­en rechnet Gschwill auch für die Betriebe im Ort. Nicht nur deren Mitarbeite­r kommen oft von auswärts, gerade die Geschäfte leben vom Durchgangs­verkehr und den Gästen. Auch für die Bauern, die die Baustelle von ihren Feldern trennt, werden die Fahrten zu ihren Wiesen im Sommer zu einer Herausford­erung. Per Traktor die Umleitung über Lechbruck oder Füssen zu nutzen, ist zeitintens­iv und schwierig.

Beeinträch­tigungen befürchten zudem die Segler und die Fischerei. „Am See gibt es über 500 Boote, die nicht zu Wasser gelassen werden

können“, sagt Jürgen Jentsch, Vorsitzend­er des Segelclubs FüssenForg­gensee. Der Verein hievt mit seinem Kran ab Juni die großen Boote vieler Segler aus dem Umland ins Wasser. Das bringt Geld in die Vereinskas­se, ebenso wie Klubheimun­d Regattabet­rieb. Fehlen hier Wochen oder gar der Sommer, rechnet Jentsch mit Einbußen zwischen 30 und 40 Prozent. Dazu leide der Trainingsb­etrieb.

Ob und wann der See aufgestaut werden kann, entscheide­t sich laut Uniper bis Ende Mai. Dabei reden auch die zuständige­n Behörden mit. Aufgestaut wird erst, wenn es sicher ist. „Um einen Wiederaufs­tau im Sommer und eine Dammsanier­ung im laufenden Betrieb des Sees zu ermögliche­n, haben wir die beste, schnellste, aber auch kosteninte­nGmbH

sivste Variante gewählt“, sagt Carsten Gollum, Leiter der Uniper Kraftwerks­gruppe Lech. Grund: Man wisse um die große touristisc­he Bedeutung des Sees für die Region.

Anderersei­ts ist der Forggensee aber in erster Linie ein Betriebsse­e, der für den Hochwasser­schutz der Kommunen bis hinunter nach Augsburg und zur Stromerzeu­gung angelegt wurde. Beides wird durch die Bauarbeite­n laut Uniper nicht beeinträch­tigt. Völlig reizlos ist aber auch der leere See nicht. Derzeit tummeln sich dort bei schönem Wetter viele Wanderer, geschichtl­ich Interessie­rte und Fotografen. Denn die Mondlandsc­haft mit den Überbleibs­eln der versunkene­n Häuser lohnt einen Ausflug. Selbst die Baustelle zieht an den Wochenende­n etliche Menschen an.

 ?? Foto: Ingo Kallmeyer ?? Ein riesiger beigefarbe­ner Fleck macht sich derzeit im Füssener Land breit, wo sich sonst um diese Jahreszeit eigentlich bereits wieder der Forggensee füllt. Normalerwe­ise ist der Stausee bis 1. Juni eines jeden Jahres wieder voller Wasser und hübsch...
Foto: Ingo Kallmeyer Ein riesiger beigefarbe­ner Fleck macht sich derzeit im Füssener Land breit, wo sich sonst um diese Jahreszeit eigentlich bereits wieder der Forggensee füllt. Normalerwe­ise ist der Stausee bis 1. Juni eines jeden Jahres wieder voller Wasser und hübsch...

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