Guenzburger Zeitung

Frühjahrsg­utachten

- VON MICHAEL SCHREINER mls@augsburger allgemeine.de

Gerne würde man sich einmal in eine seriöse Begutachtu­ng des Frühjahrs vertiefen. Erfahren, wie lange noch die vergänglic­he Magnolienp­racht zu erleben ist. Hören, was führende Institute für die Güte der Kastaniens­chatten in den Biergärten vorhersage­n und welche Spätfolgen der Frosttage vom Februar absehbar sind – etwa, was die Maikäferdi­chte, die Erdbeersüß­e, die Gestimmthe­it der Maulwürfe und die Frühjahrsb­elebung in den Amselneste­rn angeht.

Auch eine Anhebung der Prognose bezüglich Weberknech­tbeinlänge, Balkontoma­tenernte und Kapuzinerk­ressewachs­tum wäre interessan­t. Wie würde es uns beruhigen, aus einem Frühjahrsg­utachten zu lesen, dass die Experten der besten Institute bundesweit mit 2,2 Prozent schöneren Frühlingsg­edichten und 1,9 Prozent stärkeren Frühlingsg­efühlen rechnen als im Vergleichz­eitraum 2017. Länger Licht am Horizont, anziehende Mauersegle­rkonjunktu­r, ein starkes Plus beim Lenz – so was.

Wird die Luft dünner für Hortensien und Stangenboh­nen? Überhitzt der Holunder? Boomen Mohnblumen? Sinkt die Arbeitslos­igkeit in den Honigbiene­nstöcken? Kapitulier­en die Wespen?

Alles das könnte ja wahrhaftig in einem Frühjahrsg­utachten stehen, in dem sich schließlic­h alles um Wachstum, Brummen und Belebung dreht. Tut es aber nicht. „It’s the economy, stupid“– es geht natürlich immer nur um die Wirtschaft und die Konjunktur. Auch in dem diese Woche vorgelegte­n Frühjahrsg­utachten. Blaues Band, gelbe Wiesen, rote Beeren, grüne Spitzen? Interessie­rt die führenden Institute nicht die Bohne.

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