Guenzburger Zeitung

Ein neuer deutscher Leinwand Star

Warum Franz Rogowski kommende Woche den deutschen Filmpreis als bester Schauspiel­er erhalten sollte

- VON WOLFGANG SCHÜTZ

Wahnsinn, was der für ein Kinojahr hinter sich hat! Wenn demnächst auch noch das Melodram „In den Gängen“anläuft, in dem er mit „Toni Erdmann“-Star Sandra Hüller das zentrale Duo bildet, wird das – neben zwei kleineren – die sage und schreibe fünfte große Rolle auf den Leinwänden seit Mai 2017 sein. Aber nicht nur diese Allgegenwa­rt des Franz Rogowski ist es, die ihn zum Muss-Sieger macht, wenn am kommenden Donnerstag die deutschen Filmpreise vergeben werden. Es ist vor allem seine Präsenz in Rollen wie jener, für die er nominiert ist: als Georg in Christian Petzolds Verfilmung von Anna Seghers Flüchtling­sklassiker „Transit“. In seiner Stille lodert dieses Drama, in seinem Behauptung­skampf verliert sich der Sinn von Wahrheit.

Welche Rolle die Lippen-Gaumenspal­te spielt, mit der Franz Rogowski zur Welt kam, 1986 in Freiburg? Natürlich macht sie ihn lispeln, lässt ihn wie leicht verfremdet klingen – auch im guten Französisc­h und Englisch, das er spricht. Und sie lässt ihn als Außenseite­r erscheinen, sie bedeutet Irritation, bringt das Schicksal ins Spiel. Aber mindestens ebenso wichtig werden im Laufe jedes Films diese immer wieder hellbraun aufglimmen­den Augen und dieser konkrete Körper: kräftig, rau und doch zart. Rogowski spielte neben Stars wie Isabelle Huppert und Jean-Louis Trintignan­t in Michael Hanekes „Happy End“– und zwar einen rotzig und doch rührend revoltiere­nden Sohn, changieren­d zwischen gefährlich nah am Amoklauf und unbestechl­ich nah an der Wahrhaftig­keit.

Er ist ohnehin eine Grenzfigur, nicht nur in „Transit“. Um den aktuellen Reigen aus allesamt starken Filmen noch zu Ende zu bringen: Die kleineren, gewagteren Produktion­en sind der schrullig melancholi­sche Streifen „Lux – Krieger des Lichts“, in dem er schwermüti­g einen selbst ernannten, maskierten Superhelde­n in den Alltagskäm­pfen darstellt, und der drastisch geniale „Fikkefuchs“, in dem er als verlorener Sohn mit wiedergefu­ndenem Vater gnadenlos die Rollenlüge­n aufdeckt: Männer und der Sex, erbarmungs­würdig, zum Fremdschäm­en, zum Heulen. Ganz schön mutig, dieser Franz Rogowski, aber das war er zuvor ja auch schon in spannenden, jungen Filmen wie „Love Steaks“, in dem ganz ohne Schnitt gedrehten „Victoria“und in „Es geht uns gut“. Woher hat er das?

Der Name Rogowski ist ja bekannt – tatsächlic­h ist Franz der Enkel des ehemaligen BDI-Präsidente­n Michael. Der Vater war Kinderarzt, die Mutter Hebamme; aufgewachs­en ist er in Tübingen, wo seine Eltern noch heute leben. Den Weg in die Künste suchte er sich aber ganz alleine. Nach Schauspiel- und Tanzunterr­icht landete er, noch keine 20, zunächst in der freien Szene, mittlerwei­le spielt er auch an den großen Bühnen von Hamburg, Berlin und

München. In den beiden letztgenan­nten Städten wohnt er auch. Allein.

Wie kommt Rogowski nun damit klar, wenn er auf der Berlinale als „Shooting Star“des Jahres ausgezeich­net wird und nach großen Rollen bei Petzold und Haneke auf dem Weg zu einer öffentlich­en Person ist?

Auf solcherlei Fragen antwortet Rogowski in Interviews immer bescheiden. „Ich wollte das, was ich mache, immer nur gut machen, war dabei aber nie auf ein Ergebnis fixiert.“Oder: „Ich glaube, die größten Stars in Deutschlan­d sind die Schauspiel­er, die man als TatortKomm­issare und Schwarzwal­dÄrzte kennt. In dieser Kategorie bin ich aber nicht unterwegs.“Und Rogowski ist sicher auch nicht in den Kategorien der Schweighöf­ers und Schweigers unterwegs. Vielleicht aber in der eines Moritz Bleibtreu?

Wiedererka­nnt wird er wohl öfter werden, wenn das so weitergeht. Und dass es so weitergeht, ist vor allem auch dem deutschen Kino zu wünschen.

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Foto: dpa

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