Gerade jüngere Männer legen Wert auf ihr Äußeres
floralen Mustern in frischen Frühlingsfarben. Sportliche Polo-Shirts, Pullover, Westen. Erst in der zweiten Etage befinden sich die Herrenanzüge. Anders als unten dominieren hier Grau, Blau, Schwarz – „Business-Anzüge bestechen durch ihre Nichtfarbigkeit“, erklärt Stork. Werden sie aber auch noch immer stark nachgefragt? „Aber ja. Herrenanzüge sind eine Säule unseres Geschäfts, eine sehr stabile.“Noch immer hätten viele Firmen in der Region Dresscodes oder es wird zumindest von den Führungskräften Anzug erwartet. Es seien aber nicht nur Managertypen, die sich für Anzüge begeistern. „Wir haben auch sehr viele junge Kunden, die viel Wert auf ihr Äußeres legen, die beraten werden wollen, die wirklich Geld ausgeben, um einen gut sitzenden Anzug zu haben“, erzählt Stork.
Die jungen Männer, die wieder verstärkt Lust auf Mode haben, neugierig sind, sind auch die Hoffnung von René Lang. Er ist Präsident des VDMD, des Netzwerks der Mode- und Textildesigner in Deutschland. „Der durchschnittliche Mann fühlt sich vom Anzug beengt“, sagt Lang. Ist er zu Hause, legt er sofort alles ab und zieht wahrscheinlich eine Jeans an – „eine vermeintlich bequeme Hose, dabei ist eine Jeans, die sitzt, eng und nicht bequem“. Bequemer sei dagegen eine Stoffhose. Die wiederum habe aber eben den Ruf des Dresscodes. „Und was über Jahrzehnte Pflicht war, will ich nicht. Das ist ein psychologisches Problem.“
Hinzu kommt: „Mode ist in Deutschland kein Kulturgut“, betont Lang. Viele Männer tun sich schwer bei der Farb- und Formwahl, „einfach, weil sie es nicht gewohnt sind“. Was in anderen Ländern ein schicker Anzug ist, ist hierzulande ein großes Auto. „Es wer- andere Prioritäten gesetzt.“Viele Männer kauften Kleidung, damit sie nicht frieren. Nicht aus Spaß. „Daher geht der deutsche Mann im Schnitt zwei Mal im Jahr zum Herrenausstatter seines Vertrauens, sagt dem Verkäufer seines Vertrauens, er soll ihm so und so viele Hosen, Sakkos, Hemden zusammenstellen.“Schluss. Alles müsse sofort passen, „weil viel Anprobieren wollen die meisten Männer auch nicht“.
Doch es ändere sich etwas. Davon ist Lang überzeugt. Das beobachtet Stork in Augsburg. Viele, gerade jüngere Männer, lernten mit Anzügen zu spielen. Teile zu kombinieren, legten Wert auf Passform. Und gerade Beratung tut beim Anzugkauf not. Schließlich unterlaufen immer wieder grobe Fehler. Fehler, die nur allzu deutlich ins Auge stechen: Hose zu lang, Hose zu kurz, Ärmel zu lang, Ärmel zu kurz, der Kragen steht vom Hals ab, die ganze Jacke bewegt sich, nur weil ein Arm bewegt wird, der Reversbruch knickt und man kann ins Sakko hineinschauen. Und. Und. Und. Perfekter Sitz ist aber nur das eine. „Ich muss mich in dem Anzug vor allem auch wohlfühlen“, sagt Stork.
Ein anerkannter Experte, wenn es darum geht, den Anzug wie eine zweite Haut zu empfinden, ist Detlev Diehm. Der gebürtige Augsburger ist seit über 30 Jahren Herrenschneidermeister und Modedesigner. Lange Jahre war er Chefdesigner bei der Traditionsmarke Regent, hat Modelle für Stars wie Roger Moore oder Richard Gere entworfen. Heute ist er selbstständig. Wer sein Reich betritt, spürt sofort eine bestimmte Geisteshaltung, die Noblesse der Welt von gestern. Der 53-Jährige empfängt in einer Villa aus dem frühen 19. Jahrhundert. Gelegen in ruhiger Lage in Obermenzing in München. Alles in diesem Haus hat Stil. Der Raum, in dem das entscheidende Gespräch mit dem Kunden stattfindet, wird von einem wandhohen Gemälde doden miniert. Münchner Schule. Max Bergmanns Kühe scheinen direkt ins Zimmer zu marschieren. Was für ein Blickfang. Vor dem Gemälde elegante Stühle, ein Tischchen, Nymphenburg-Service mit Goldrand. Wer hier Platz nimmt, will sich etwas gönnen, kennt die feinen Unterschiede zwischen Anzug und Anzug, legt Wert auf sein Äußeres, weiß um dessen Wirkung, ist bereit, 3300 Euro und mehr auszugeben.
Es sind Männer, die oft in der Medienbranche tätig sind, erzählt Diehm. Chefredakteure, Schauspieler, Architekten. Sie kommen zu ihm etwa aus Zürich, Paris, Düsseldorf, aber auch aus Bayern. Diehm zählt etwa 45 Stammkunden – sie sind zwischen 35 und 65 Jahre alt. Manchmal ist es auch der Anlass – beispielsweise eine Hochzeit – der Männer zum Maßschneider gehen lässt. Einen Hochzeitsanzug hat Diehm gerade in Arbeit, aber auch Anzüge für den Alltag. Diehm fertigt alles bis zum Knopfloch per Hand. Doch nicht nur die liebevolle Handarbeit, die an den Körper perfekt angepassten Formen machen den Unterschied. Es sind auch die Stoffe. Diehm hat viele Stoffbücher. Wer seine Finger über die verschieden verarbeitete Wolle in unterschiedlichen Stärken und Mustern gleiten lässt, deren faszinierende Leichtigkeit spürt, versteht, warum schon im 16. Jahrhundert feine Baumwollstoffe aus Indien als „gewobener Wind“gepriesen und geschätzt wurden.
Eine große Begeisterung für leichte, aber strapazierfähige Stoffe entwickelte sich früh in England. Beim Landadel. „Reiten, Jagen, Landpartien verlangten nach einer Kleidung, die bequem war“, schreibt Anja Meyerrose. Die von der Aristokratie bevorzugte Prachtkleidung aus Rüschen, Franzen, Brokat und Seide war da eher hinderlich. „In Anlehnung an die Uniform der englischen Kavallerie entwickelte sich für diese Tätigkeiten