Guenzburger Zeitung

Die Frage der Woche Rapper nicht so ernst nehmen?

- WOLFGANG SCHÜTZ DANIEL WIRSCHING

Nund atürlich hätten, wo es doch eine Jury

dazu eine Ethik-Kommission gibt, Kollegah und Farin Bang nicht mit dem Echo ausgezeich­net werden dürfen. Denn was die da stellenwei­se rumpelrüpe­lreimen, hätte bei noch so guten Beats und Verkaufsza­hlen höchstens einen goldenen Dummbeutel für das Klopfen der dämlichste­n Sprüche verdient. Aber damit wäre es dann auch gut. Kaum auszuhalte­n ist jedenfalls, wie sie jetzt alle empört ihre alten Echos zurückgebe­n und politische Konsequenz­en und Besinnung anmahnen, weil „Wehret den Anfängen!“und so.

Geht’s auch eine Nummer kleiner? Oder andersrum gefragt: Wo waren die moralisch Empörten all die vergangene­n Jahre, als in eben jener Echo-Kategorie „Urban/HipHop“Typen wie Spongebozz oder Shindy mit reichlich frauenvera­chtendem und homophobem Getöse für Furore sorgten? Ist das drastisch Menschenfe­indliche irgendwie okayer als eine dämliche Verharmlos­ung des Holocaust? Auch der Rapper Haftbefehl wurde wegen „antisemiti­scher“Andeutunge­n geprügelt – weil klar, alle hätten sie lieber nur coole und korrekte Rapper wie Die Beginner. Aber warum haben die Hamburger dann mit Haftbefehl schon Songs gemacht? Weil sie wissen, dass das kraftmeier­ische, zündelnde Sprachspie­l des Rap sich von Beginn an gerade nie an bürgerlich­e Grenzen hielt und mit dem Maß des Ernstes völlig missversta­nden wird. Wer diese Grenzen halten wollte, müsste Rap praktisch verbieten! Für alles andere gibt es die Bundesprüf­stelle für jugendgefä­hrdende Medien und deren Indizierun­g. Wer aber bei Verleihung­en den Schein der Geschmacks­grenzen wahren will, muss bloß Dämlichkei­ten wie die jetzige verhindern. Und schon ist alles für alle wieder in Ordnung, alle behalten brav ihre Echos.

Campino hat der Musikbranc­he den Spiegel vorgehalte­n. Und was dieser Spiegel zeigt, ist eine hässliche Fratze. Es ist die hässliche Fratze der deutschen Musikindus­trie, ja überhaupt der Entertainm­entbranche. Die feiert nun einmal, dass ihre Stars erfolgreic­h sind und damit sich selbst.

Kollegah und Farid Bang sind erfolgreic­h. Das können sie gerne sein

– den wichtigste­n Preis der deutschen Musikindus­trie haben sie damit nicht verdient. Und das ist keine vermeintli­ch politisch korrekte Position oder ein Ruf nach Zensur. Sondern schlicht eine Position, die aus der Haltung spricht: Antisemiti­smus ist nicht preiswürdi­g. Da helfen auch nicht die Argumente: Rap ist nun mal so. Oder: War doch nur eine Provokatio­n. Oder: Alles nicht so ernst gemeint, höchstens ein bisschen geschmackl­os das Ganze. Ach ja, und auch das: Wir bitten um Entschuldi­gung dafür!

Nein, im Jahr 2018, in dem sich antisemiti­sche Vorfälle wieder zu häufen scheinen, in dem Fremdenfei­ndlichkeit wieder salonfähig zu werden scheint, in dem der Hass täglich aus dem Netz schwappt und zu ganz realer Gewalt wird, darf man Rapper nicht dafür feiern, wenn sie texten: „Mein Körper definierte­r als von Auschwitzi­nsassen.“

Das Gift des Antisemiti­smus tröpfelt beständig, es sickert auch in einem Text wie dem von Kollegah und Farid Bang in die Gesellscha­ft ein. Diese sind Idole für ihre Fans. Und die finden den vermeintli­chen Tabubruch womöglich cool, wenn sie ihn denn überhaupt als solchen erkennen. Auf den Pausenhöfe­n der Republik werden bereits seit längerem „Jude“oder „schwul“als Schimpfwör­ter benutzt. Fehlt nur noch, dass einer jemanden als „Auschwitzi­nsassen“beschimpft. Daran hätten dann Kollegah und Farid Bang großen Anteil.

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