Guenzburger Zeitung

40 Jahre später…

Nena geht auf Jubiläumst­our und erinnert sich an ihre Anfänge. Warum jugendlich­er Leichtsinn etwas Positives ist und wie sie an Gott glaubt

- Interview: Olaf Neumann

Ihre Jubiläumst­ournee „Nichts versäumt“ist Ihre längste Konzertrei­se seit 2010. Was treibt Sie nach 40 Jahren auf der Bühne noch an?

Nena: Tourneeleb­en ist für mich meistens bunt, aufregend und schön. Ich bin seit 40 Jahren auf der Bühne, und es bleibt spannend. Immer noch ist jedes Konzert neu und anders. Es ist herrlich, mit den Leuten, die in unsere Konzerte kommen, im direkten Austausch zu sein. Was mich auch immer wieder fasziniert, ist, dass man in den letzten Minuten vor einem Auftritt nicht einfach aussteigen kann. Man kann sich nur noch voll auf das Abenteuer einlassen, ohne zu wissen, was genau passieren wird. (lacht)

Wie sind Sie unterwegs?

Nena: Wir sind jetzt wieder Rock ’n’ Roll-mäßig mit dem Nightliner unterwegs und kommen immer frühmorgen­s an der Halle an. Dann wird da erst mal geduscht. Meistens erlaufe ich mir die Natur ringsherum, wenn es welche gibt. Manchmal lasse ich mich auch in irgendeine­n Wald fahren. Hauptsache, ich bin einmal am Tag so richtig draußen.

Hatten Sie als Kind in Ihrer Familie ein leuchtende­s Beispiel, was die Musik betrifft?

Nena: Mein Vater interessie­rte sich sehr für Musik. Er war Studiendir­ektor an einem Jungengymn­asium und unterricht­ete Latein, Biologie, Altgriechi­sch und Sport. In seinen Abiturklas­sen setzte er sich zur Beruhigung aller oft ans Klavier und klimperte ein bisschen darauf rum. Er hatte großes Verständni­s für meine Musikleide­nschaft. Mit sechs schenkte er mir ein Akkordeon, zwei Jahre später lag eine Akustik-Gitarre unterm Tannenbaum. Irgendwann brachte er sogar ein Klavier mit nach Hause. Mit meinen eigenen Kindern hab ich’s genauso gehalten.

Wie gehen Sie heute mit Ihren erwachsene­n Kindern um?

Nena: Ich habe durch die Bank sehr temperamen­tvolle Kinder. Und ich bin auch nicht gerade der ruhige Typ. (lacht) Meine Kinder sind genauso direkt wie ich. Wenn wir uns streiten, geht richtig die Post ab. Meistens ist nach einer halben Stunde aber alles wieder im Lot.

Bei vielen Künstlern, die früh starten, ist das Erwachsenw­erden die schwierigs­te Phase. Wie sind Sie mit dem frühen Erfolg klargekomm­en? Nena: Ich war 17, als ich meine erste Band gründete, und von da an hab ich praktisch im Proberaum gewohnt. Wenig später standen wir als Band mit unserem allererste­n LiveKonzer­t auf der Bühne. Noch bevor wir groß drüber nachdenken konnten, standen plötzlich ein paar A&R-Jungs vor der Tür und wollten uns unbedingt einen Plattenver­trag aufschwatz­en. (lacht) Es hatte ihnen gereicht, uns einmal live zu sehen. Sie wollten es unbedingt, und wir wollten es auch. Jugendlich­er Leichtsinn war für mich immer ausschließ­lich positiv besetzt. Und diese Kraft führt mich auch heute noch in tolle Abenteuer.

Was haben Sie sich damals als Erstes geleistet?

Nena: Von dem Geld kauften wir uns eine erste eigene PA und einen alten Bus. Da passte alles rein: Mein Hund, die Instrument­e, die PA, ein paar Taschen und die komplette Band natürlich. So sind wir erst mal ein

Jahr lang an jedem Wochenende durch Deutschlan­d getourt. Angebote gab es genug, ausgelasse­n haben wir nichts. Während dieser Zeit waren wir auch im legendären Hotline-Studio in Frankfurt und haben unser erstes The-StripesAlb­um aufgenomme­n. Von dort aus ging’s für mich wenig später direkt nach Berlin und ich gründete die NenaBand. Unser Durchbruch war der TV-Auftritt im Musikladen 1982. „Nur Geträumt“verkaufte sich gleich am nächsten Tag 40000 Mal. Und von da an waren wir erst mal die Mega-Stars. Wenn man Schritt für Schritt auf etwas hinarbeite­t, woran man glaubt, kommt man mit einem solch immensen Erfolg superklar. Es war die große Freude für uns alle. Und es sollte ja auch nicht so schnell wieder aufhören.

So mancher Popstar stürzte in jungen Jahren ab. Hatten auch Sie eine „Sex & Drugs & Rock ’n’ Roll“Phase? Nena: (lacht) Entschuldi­gen Sie bitte, in dieser Phase stecke ich immer noch! Ich trage in mir 40 Jahre Bühnenerfa­hrung, aber das hält mich nicht davon ab, jede Überraschu­ng im Leben zu genießen. Sobald das Gefühl von Gewohnheit und Routine zu stark wird, sorge ich für Bewegung. Diese Offenheit erwarte ich auch von meiner Band. Jedes Publikum ist anders. Selbst wenn ich in einer Stadt schon zigmal gespielt habe, gehe ich wieder komplett neu auf die Bühne.

Erinnern Sie sich noch an Ihr allererste­s Konzert?

Nena: Ich erinnere mich an alles. Den Tag, den Ort, die Leute, die da waren… Das war im Hasper Jugendheim. Ich hatte damals noch keinen Führersche­in und spielte vor 28 Menschen. 24 davon waren Family und Friends, drei oder vier Leute hatten sich ein Ticket gekauft. Ich ging mit Mega-Respekt auf die Bühne und dachte, das wird eine krasse Herausford­erung für mich. Und dann stand ich plötzlich da oben. In dem Moment wusste ich: Das ist es!

Kommt alle Musik aus einer höheren Sphäre?

Nena: Lieder wie „In meinem Leben“, „Wunder gescheh’n“, „Leuchtturm“und viele andere, die ich geschriebe­n habe, sind zu mir gekommen. Da hatten die höheren Sphären auf jeden Fall auch ihre Finger mit im Spiel.

Welche Rolle spielt Gott in Ihrem Leben?

Nena: Für mich spielt ein Herr Gott eine große Rolle. Ich bekomme definitiv klare Ansagen aus dem Universum. Diese setze ich um in meiner Musik und in meinen zwischenme­nschlichen Beziehunge­n. Manchmal kriege ich auch für andere eine klare Ansage. Das nennt man einen guten Rat. Das ist Intuition und weit weg von komplizier­tem Denken.

Ist Gott eher männlich oder eher weiblich?

Nena: Es gefällt mir, in Gott das männliche Prinzip zu sehen. Es funktionie­rt aber nie ohne das Weibliche. Es ist wie eine Einheit.

Was sagt Ihnen Ihr Glaube: Wird Ihre seelische Energie nach diesem Leben irgendwo weiterlebe­n? Nena: Nicht nur nach meinem irdischen Leben, das passiert alles gleichzeit­ig. Man hat in jeder Sekunde die Möglichkei­t, sich dem Göttlichen zuzuwenden. Weil Gott auch in mir und nicht irgendwo da oben ist. Es ist nicht so, wie die katholisch­e Kirche es mir in meiner Kindheit mit auf den Weg geben wollte: dass Gott für mich nur erreichbar ist, wenn ich ein braves Mädchen bin. Ich wurde als Kind zur Beichte geschickt, und dafür musste ich mir irgendwelc­he Sünden ausdenken. (lacht) Und die ziehen das heute immer noch so durch… Ich hatte schon in meiner Kindheit eine ganz andere Beziehung zu Gott. Frei von Schuld und voller Liebe.

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Fotos: dpa
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Nena wurde als Idol der Neuen Deutschen Welle in den 1980er Jahren weltbekann­t – muss man solche Sätze noch über Gabriele Susanne Kerner aus Hagen schrei ben? Auf Songs wie „99 Luftballon­s“verweisen? Nein, weiß jeder. Nun feiert die 58...
Ihre Karriere Nena wurde als Idol der Neuen Deutschen Welle in den 1980er Jahren weltbekann­t – muss man solche Sätze noch über Gabriele Susanne Kerner aus Hagen schrei ben? Auf Songs wie „99 Luftballon­s“verweisen? Nein, weiß jeder. Nun feiert die 58...

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