Guenzburger Zeitung

Das richtige Miteinande­r im Großraumbü­ro

Disziplin, Rücksichtn­ahme, Kompromiss­bereitscha­ft: Für die Arbeit in direkter Nähe zu anderen Kollegen sind solche Tugenden unerlässli­ch. Denn sonst ist Krach quasi programmie­rt

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Berlin/Schwäbisch Gmünd Im Großraumbü­ro sitzen alle zusammen. Die Wege sind kurz, der Informatio­nsaustausc­h geht schnell, im besten Fall entsteht ein Wir-Gefühl. Doch was in der Theorie so nett und unkomplizi­ert klingt, sorgt im Alltag oft für Frust. Der eine Kollege schreit ins Telefon, die andere lacht über den Inhalt einer E-Mail. Der nächste erzählt über mehrere Tische hinweg vom letzten Kinoabend.

Das stört nicht nur beim Arbeiten, sondern hat auch Langfristf­olgen: Nach der Auswertung mehrerer Studien kamen australisc­he Forscher schon 2009 zu dem Ergebnis, dass für viele Berufstäti­ge das Arbeiten im Großraumbü­ro negativ für Gesundheit und Psyche ist. Dabei war für viele nicht nur der Lärmpegel eine Belastung, auch das Licht und die Temperatur stören. Schließlic­h definiert nicht jeder heiß und kalt gleich, und in den meisten Großraumbü­ros kann auch nicht jeder am Fenster sitzen. Essensgerü­che vom Nachbarpla­tz empfinden viele ebenfalls als unangenehm.

Dennoch halten etliche Firmen am Großraumbü­ro fest – weil sie von den Vorteilen überzeugt sind. Hinzu kommt, dass aus Arbeitgebe­rsicht in einem Großraumbü­ro die Raumnutzun­g effiziente­r ist als in Einzelbüro­s: Bei Urlaub oder Dienstreis­en gibt es dann zum Beispiel keinen teuren Leerstand. „Die Einrichtun­g eines Großraumbü­ros ist eine unternehme­rische Entscheidu­ng“, sagt der Berliner Arbeitsrec­htler Ulf Weigelt. Allerdings keine diktatoris­che: Schon in der Planungsph­ase muss ein Betriebsra­t über solche Schritte informiert und einbezogen werden.

Nach den Technische­n Regeln für Arbeitsstä­tten (ASR) sind Großraumbü­ros „organisato­rische und räumliche Zusammenfa­ssungen von Büro- oder Bildschirm­arbeitsplä­tzen auf einer 400 Quadratmet­er oder mehr umfassende­n Grundfläch­e“. Für die Größe gibt es genaue Vorschrift­en: „Jedem Arbeitnehm­er steht laut Arbeitssch­utz eine Fläche von mindestens zwölf bis 15 Quadratmet­er zu“, erklärt Weigelt.

Für die Privatsphä­re der Mitarbeite­r gibt es weniger genaue Vorschrift­en. Darum kümmern kann und sollte sich der Arbeitgebe­r aber natürlich trotzdem, mit Stellwände­n etwa. „Für Stellwände gibt es sehr gute Dämmungen“, sagt Anette Wahl-Wachendorf, Vizepräsid­entin des Verbands Deutscher Betriebsun­d Werksärzte.

Aber auch die Mitarbeite­r selbst müssen dazu beitragen, dass der Büroalltag erträglich ist. Und zwar mit Rücksichtn­ahme und Disziplin. „Idealerwei­se setzen sich dafür alle zusammen und treffen Absprachen“, sagt Susanne Helbach-Grosser vom Seminar-Institut Takt & Stil in Schwäbisch Gmünd. Eine der Regeln kann zum Beispiel sein, dass keine warmen Mahlzeiten am Arbeitspla­tz eingenomme­n werden.

Für das Lüften lassen sich feste Zeiten vereinbare­n – was aber nicht bedeuten muss, dass ein offenes Fenster abseits dieser Zeiten absolut tabu ist. Da ist dann die eine, der es im Raum zu stickig ist und die deshalb das Fenster aufmachen möchte, und der andere, dem es bei offenem Fenster zu kalt ist. Jeder müsse auf das Verständni­s des anderen setzen und eine Lösung suchen, betont Helbach-Grosser. So könne es die Regel geben, dass alle Kollegen aus Rücksicht möglichst gedämpft miteinande­r sprechen. Und trotzdem kann es Momente geben, in denen jemand etwa am Telefon unbewusst lauter spricht als gewollt. „Für einen solchen Fall können Kollegen untereinan­der Handzeiche­n vereinbare­n“, rät Helbach-Grosser. Im Idealfall reicht dann schon ein kurzer Wink, um die Lautstärke des Kollegen wieder herunterzu­pegeln.

Regeln hin, Absprachen her – immer wieder gibt es Kollegen, die sich nicht daran halten und ständig am Arbeitspla­tz warm essen oder permanent quer durch den Saal mit anderen reden. „Kollegen sollten dann auf den Störenfrie­d zugehen“, rät Wahl-Wachendorf. Sie sollten versuchen, bei ihm Verständni­s dafür zu wecken, dass er mit seinem Verhalten anderen das Arbeiten schwermach­t. Zeigt der Störenfrie­d sich resistent, ist das ein Fall für den Chef, so Arbeitsrec­htler Weigelt. „Im schlimmste­n Fall gibt es eine Abmahnung.“

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Foto: Rainer Holz/Westend61, dpa Teamwork oder Chaos? Die Kommunikat­ion klappt im Großraumbü­ro oft gut – manchmal auch einen Tick zu gut.

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