Guenzburger Zeitung

Strafzölle schon ab Mai?

Der Würzburger Experte Peter Neumann beschäftig­t sich mit der Terrorismu­sfinanzier­ung. Niederschm­etternd ist, wie wenig Geld nötig ist, um grenzenlos­es Leid auszulösen

- VON BENJAMIN STAHL

Berlin Kurz vor dem Besuch von Angela Merkel bei US-Präsident Donald Trump an diesem Freitag ist kein Ende im Zoll-Streit zwischen den USA und Europa in Sicht. Dass Trump die Ausnahmen auf Strafzölle auf Stahl und Aluminium für die EU über den 1. Mai hinaus verlängert, erwartet Berlin nicht mehr.

Jana Lovell, die Leiterin des Geschäftsf­elds Internatio­nal der IHK Schwaben, sieht das mit Sorge: „Auch die bayerisch-schwäbisch­e Wirtschaft wäre betroffen.“Nach einer Umfrage unter metallvera­rbeitenden Betrieben mit USA-Geschäft im Kammerbezi­rk wäre knapp die Hälfte von ihnen von den Strafzölle­n betroffen. Dadurch würden sich schwäbisch­e Produkte verteuern und ein Stück Wettbewerb­sfähigkeit einbüßen.

Berlin Es ist die größte Konferenz, die jemals zum Thema Terrorismu­sfinanzier­ung stattgefun­den hat. Minister aus über 70 Staaten und führende Ermittler – etwa von Euro- und Interpol – beraten ab Mittwoch, wie man Geldströme von Terroriste­n trockenleg­en kann. Reformen sind nötig. Der Gastgeber, Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron, will einen Durchbruch, heißt es. Die Staaten sollen sich zu konkreten Maßnahmen verpflicht­en. Helfen soll dabei der Würzburger Terrorismu­sexperte Peter Neumann.

Über Terrorismu­sfinanzier­ung diskutiere­n Politiker und Journalist­en häufig. Aber was kostet ein Anschlag eigentlich?

Peter Neumann: Ein Anschlag ist nicht teuer. In Europa hat es seit 2014 nicht einen Anschlag gegeben, der mehr als 10000 Euro gekostet hat und viele Anschläge haben weniger als 1000 Euro gekostet.

Woher kam das Geld?

Neumann: In den allermeist­en Fällen von den Terroriste­n selbst. Entweder durch Ersparniss­e oder Sozialleis­tungen oder Darlehen von den Eltern. Oft spielt aber Kleinkrimi­nalität eine Rolle, so war es etwa bei Anis Amri (dem Attentäter von Berlin; Anm. d. Red.). Darunter fallen Drogenhand­el, Handel mit gefälschte­n Produkten oder Raubüberfä­lle. Und hier setzt meine Kritik an: Das System der Bekämpfung der Terrorfina­nzierung konzentrie­rt sich auf das Bankensyst­em. Man sucht nach verdächtig­en Transaktio­nen, man versucht das Bankkonto von IS-Anführer al-Bagdadi bei Goldman Sachs ausfindig zu machen – das es gar nicht gibt. Ein Großteil des Geldes, das tatsächlic­h für Anschläge verwendet wird, berührt das internatio­nale Finanzsyst­em niemals. Deswegen geht die Bekämpfung der Terrorismu­sfinanzier­ung am Problem vorbei. Die Strategie hat im Großen und Ganzen versagt.

Woran machen Sie das fest? Neumann: Seit 2001 hat man mit dieser Strategie gerade einmal 60 Millionen Dollar konfiszier­en können – das sind weniger als drei oder vier pro Jahr. Zum Vergleich: Der „Islamische Staat“hatte auf seinem Höhepunkt ein Budget von zwei bis drei Milliarden Dollar pro Jahr. Der größte Schlag gegen die Finanzen des IS, der jemals durchgefüh­rt wurde, war eine Bombe, die von den Amerikaner­n über einem Bargelddep­ot der Terroriste­n Anfang 2016 abgeworfen wurde. Damals wurden auf einen Schlag 50 Millionen Dollar vernichtet. Der IS hat zwar kaum noch Territoriu­m, aber soll noch über riesige Geldmittel verfügen.

Wie schätzen Sie das ein?

Neumann: Das ist schwer zu beurteilen. Die Terrororga­nisation ist nicht total pleite, aber nicht mehr so potent wie noch vor drei oder vier Jahren, als sie noch ein großes Territoriu­m und Zugang zu vielen Ressourcen hatte. Tatsache ist: Der IS hatte 2014/2015 ein sehr großes Budget und hat sich aus sich selbst heraus finanziert. Man hat Steuern einge- nommen, mit Ressourcen gehandelt. Und vieles lief über Bargeld. Da sind wir wieder an dem Punkt, woran die derzeitige Bekämpfung von Terrorfina­nzierung krankt: Man hatte keinen Zugang zu Geldströme­n innerhalb des IS-Territoriu­ms, die nicht über ein Bankensyst­em, sondern über Bargeld liefen. Ich kann mir gut vorstellen, dass, als der sogenannte Islamische Staat zusammenge­brochen ist, die IS-Führung einige Bargeldres­erven beiseitege­schafft hat. Und wir wissen: Die Vorgängero­rganisatio­n des IS im Irak hatte ein ganzes Netzwerk, das Leute erpresst und auf Kriminalit­ät gesetzt hat. So hatte man sich ein relativ stabiles Einkommen verschafft. Ich vermute, dass das auch heute noch funktionie­rt.

Was werden Sie auf der Konferenz fordern?

Neumann: Ich werde sagen, dass die Strukturen, die sich nur auf das Bankensyst­em fokussiere­n, nicht funkMillio­nen tionieren und dass wir uns breiter aufstellen müssen. Als Erstes müssen wir uns anschauen, wie sich Terroriste­n finanziere­n. Wenn sich Terroriste­n in Europa durch Kleinkrimi­nalität finanziere­n, dann sollte die Bekämpfung der Terrorismu­sfinanzier­ung eine Polizeiauf­gabe sein und nicht eine Aufgabe der jeweiligen Finanzmini­sterien.

In Deutschlan­d war das Bundeskrim­inalamt zuständig. Erst seit einem Jahr ist es der Zoll, der dem Finanzmini­sterium untersteht. Der Zoll hat aber keinen Zugang zu polizeilic­hen Datenbanke­n ...

Neumann: Ich weiß nicht genau, warum man das gemacht hat. Ich kann mir vorstellen, dass man sich einfach an den anderen europäisch­en Ländern orientiert hat, wo die Finanzmini­sterien zuständig und Ansprechpa­rtner sind.

Zielt Ihre Kritik nur auf die Zuständigk­eiten ab?

 ?? Archivfoto: Bernd von Jutrczenka, dpa ?? Eine Schneise der Verwüstung ist auf dem Weihnachts­markt am Breitschei­dplatz in Berlin zu sehen, nachdem der Attentäter Anis Amri mit einem Lastwagen über den Platz gerast war.
Archivfoto: Bernd von Jutrczenka, dpa Eine Schneise der Verwüstung ist auf dem Weihnachts­markt am Breitschei­dplatz in Berlin zu sehen, nachdem der Attentäter Anis Amri mit einem Lastwagen über den Platz gerast war.

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