Sie schlugen zu aus Lust an der Gewalt
Fünf Angeklagte lockten einen 25-Jährigen in Krumbach in einen Hinterhalt und verprügelten ihn. Jetzt wurden sie verurteilt. Warum es für das Gericht kein versuchter Mord war
Sie lockten einen 25-Jährigen in einen Hinterhalt und verprügelten ihn brutal. Jetzt wurden die fünf Angeklagten verurteilt.
Memmingen/Krumbach Massive Stäbe aus Stahl ragen in die Höhe, der löchrige Boden ist hart und kalt. Darunter fließt die Kammel in Richtung Mindel. Hier zu liegen, ist schmerzhaft. Nachts auf der Brücke von zwei Männern überfallen zu werden, ist eine gruselige Vorstellung. Doch zu fünft ein Opfer hier brutal zusammenzuschlagen und dem bewusstlos am Boden Liegenden weitere Schläge auf den Kopf zu verpassen? Diese Brutalität hat auch das Gericht schockiert.
Das Horrorszenario spielte sich vergangenen September an der Kammelbrücke nahe dem Krumbacher Freibad ab. Jetzt fiel am dritten Verhandlungstag im Landgericht in Memmingen ein Urteil gegen die Täter. Der Tatvorwurf des versuchten Mordes wurde aufgehoben. Der Hauptangeklagte N. wurde wegen gefährlicher Körperverletzung zu vier Jahren Haft verurteilt. Als Mittäter wurde der Angeklagte G. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt. Der Angeklagte S. erhielt wegen Beihilfe eine Jugendstrafe von einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung. Lockvogel L. bekam ein Jahr auf Bewährung. Die Fahrerin des Fluchtautos, als einzige ohne Vorstrafen, kam mit einer richterlichen Weisung davon. Sie muss 500 Euro Schmerzensgeld bezahlen und psychische Beratungsgespräche besuchen.
Schürf- und Platzwunden am Kopf, eine Schwellung von der Stirn bis zum Kinn, Blutergüsse – so schlimm wurde das Opfer in jener Nacht zugerichtet. „Warum wurden diese Verletzungen zugefügt?“, fragte Richter Jürgen Hasler nach der Urteilsverkündung. Streitigkeiten wegen einer Musikanlage, gegenseitige Beleidigungen, das Weitererzählen möglicher Drogengeschäfte: Mögliche Motive für die Tat erhielt das Gericht von den Angeklagten viele. Doch nur „die Lust an der Gewalt“, so Hasler, lasse dieses Blutbad erklären.
Die körperlich überlegenen N. und G. hätten gewusst, dass sich ihr Opfer nicht wehren konnte. „Und die Gruppendynamik, vor dem jeweils anderen als toller Hecht, harter Kerl dazustehen, ist der Grund für diese massive Gewalt.“Seine Verteidigerin nannte N. in ihrem Plädoyer einen „hirnlosen Macho, der sich als starker Mann gebärdet“.
Doch warum verbündete sich der nett und zuvorkommend wirkende S. mit den beiden Schlägern? Der Richter hatte eine Antwort: „Er wollte durch die Tat in der Hierarchie des Krumbacher Stadtgartens aufsteigen und den ,Bad Boys‘ G. und N. gefallen.“Für ihn sei diese Anerkennung so wichtig, dass er, obwohl er selbst das Opfer nicht kannte, einen Plan für die Tat ausheckte: die Angeklagte L. als Lockvogel einzusetzen.
Doch wollten G. oder N. ihr Opfer wirklich töten? Das verneinte das Gericht. Geeignete Gegenstände, wie eine Machete, einen Teleskopschlagstock und mehrere Messer hätten die Angeklagten im Fluchtauto gehabt. Sie benutzten sie aber nicht.
Einen Zusammenhang zwischen dem hohen Alkohol- und Drogenkonsum am Tattag hätte es laut Richter Hasler und dem Sachverständigen Dr. Andreas Küthmann nicht gegeben. „Die Tat war geplant. Und zwar weit im Vorhinein. In mehreren Etappen und mit Vorsichtsmaßnahmen zur Entdeckung. Sie hätte sich auch ohne Alkohol und Drogen genau so abgespielt“, sagte der Psychiater Andreas Küthmann.
Nur durch frühe Geständnisse, die Zahlung eines Schmerzensgeldes und eine Entschuldigung gegenüber dem Opfer bewahrten sich die mehrfach vorbestraften Angeklagten vor einer noch höheren Strafe. „Sie haben das Beste aus dieser ekelhaften Tat gemacht“, sagte Richter Hasler und schüttelte den Kopf.
Auch am dritten Verhandlungstag entschuldigte sich der Hauptangeklagte N. nochmals bei seinem Opfer: „Du hast nichts mehr zu befürchten.“Doch wie steht das Opfer zu dieser Entschuldigung? „Über das Geld habe ich mich gefreut, aber die Entschuldigung kann ich nicht annehmen. Für mich ist es eine Tat, die nicht entschuldbar ist. Selbst wenn sie im Gefängnis sitzen. Die Angst, dass ich noch einmal überfallen werde, bleibt.“