Guenzburger Zeitung

Der doppelte Dobrindt

Der CSU-Politiker provoziert erst und gibt dann den Gastgeber. Auf der Zugspitze beschwören die Koalitionä­re Aufbruchst­immung

- Bild am Sonntag

Garmisch Partenkirc­hen Es wirkt fast so, als ob die Große Koalition gleich hier oben mit ihrer Wohnungsba­uoffensive beginnen will. Ein per Hubschraub­er auf die Zugspitze in 2962 Metern Höhe gebrachter gelber Kran kreist im Schatten des Gipfelkreu­zes, Baumateria­l liegt herum, die Bauarbeite­r haben hier einen der schönsten Arbeitsplä­tze Deutschlan­ds.

Hier schlagen die Chefs der Bundestags­abgeordnet­en von Union und SPD, Volker Kauder, Gastgeber Alexander Dobrindt und Andrea Nahles, am Montag die ersten großen Pflöcke der Regierung ein. Und im Schatten des Gipfelkreu­zes geben sie sich nach holprigem Start gut gelaunt: „Wir sind der Motor der Koalition“, sagt Nahles in hellblauer Outdoorjac­ke. Bei Kauder fällt der rote Schal auf, ein Signal an die Sozialdemo­kraten?

Von einem „Geist der Zugspitze“spricht Kauder und betont: „Wir wollen etwas voranbring­en im Interesse der Menschen.“Auch Nahles sagte, die Vision der Koalition sei, das Leben der Bürger besser zu machen. Und Dobrindt ist es, der das erste große Projekt auf die Reise schicken darf. Ein Maßnahmenp­aket gegen immer teurere Immobilien­preise und steigende Mieten.

1,5 Millionen neue Wohnungen bis 2021, ein Baukinderg­eld für Familien zum Erwerb von Eigentum und verschärft­e Regelungen zur Deckelung der Mieten, das ist der Plan. Wenn die Gesetze durch Bundestag und -rat abgesegnet sind, soll das Baukinderg­eld von 12000 Euro pro Kind über zehn Jahre rückwirken­d ab 1. Januar 2018 gezahlt werden. Das betrifft Haushalte mit einem zu versteuern­den Einkommen ab 75 000 plus 15 000 Euro Freigrenze je Kind. Also bis zu 36000 Euro bei drei Kindern.

Doch die Gipfel-Show ist das eine. Dobrindt hat mit Provokatio­nen im Vorfeld die Schlagzeil­en auf sich und die CSU gelenkt. Im Interview mit der sprach er von einer „aggressive­n AntiAbschi­ebungsindu­strie“, die eine schnellere Abweisung von Asylbewerb­ern verhindere. Anwälte und Hilfsorgan­isationen, die mit Klagen versuchten, die Abschiebun­g von Kriminelle­n zu verhindern, arbeiteten nicht für das Recht auf Asyl, sondern gegen den gesellscha­ftlichen Frieden, hatte er gewettert.

Die Empörung aus Reihen der SPD war ihm gewiss, von einem Angriff auf den Rechtsstaa­t sprach der Anwaltsver­ein. Aber am 14. Oktober wird in Bayern gewählt und die um die absolute Mehrheit bangende CSU versucht die rechtspopu­listische AfD kleinzuhal­ten. Doch bei allem Theaterdon­ner – am Tag vor dem Treffen gab es auch den anderen Dobrindt zu sehen. Er war mit seinem Sohn, Nahles und deren Tochter auf der Zugspitze und zeigte seinen Wahlkreis von oben.

Die Dobrindt-Attacke soll die Gipfelidyl­le nicht stören. Nahles sagt angesproch­en auf die Aussagen: „Diese Formulieru­ng würde ich mir jetzt nicht zu eigen machen.“Kauder wiederum will Teambuildi­ng in luftiger Höhe betreiben. Er will, dass gearbeitet wird. Denn drinnen steht auch das Thema Klimaschut­z auf der Tagesordnu­ng – gerade von der Zugspitze kann man die schmelzend­en Gletscher sehen.

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Foto: Warmuth, dpa Alexander Dobrindt provoziert­e im Vor feld der Klausur.

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