Fast jeden Tag haut einer ab
Viele kümmern sich nicht darum, wenn sie an einem anderen Wagen einen Kratzer oder eine Delle verursachen. Doch wer erwischt wird, dem drohen harte Strafen
Landkreis Ende vergangener Woche ist es wieder einmal passiert. Der Besitzer eines Kleintransporters meldete sich bei der Polizei, weil irgendjemand seinen Wagen, der auf einem Schotterplatz geparkt war, angefahren hatte. Statt den Schaden dem Besitzer zu melden oder dem Halter eine Nachricht zu hinterlassen, hatte sich der Verursacher aus dem Staub gemacht. Der Schaden, auf dem der Besitzer möglicherweise sitzen bleibt: 1000 Euro.
Es passiert im Grunde fast jeden Tag. Vielleicht ist das auch der Grund, warum manche Menschen kleine Unfälle mit Blechschäden auf die leichte Schulter nehmen. War doch nur ein kleiner Rempler – der Kratzer: eigentlich nicht der Rede wert. Hats jemand gesehen? Schulterblick links, rechts und ab durch die Mitte. So oder so ähnlich läuft das auf Parkplätzen oder an Seitenstreifen im Landkreis immer wieder ab. Meist gehen die Beiträge für die Versicherung in die Höhe, wenn die für den Schaden aufkommen muss. Für viele offenbar ein Grund, nach einem Unfall das Weite zu suchen.
179 Verkehrsunfallfluchten verzeichnet allein die Polizeiinspektion Krumbach für das Jahr 2017. Bis April dieses Jahres waren es bereits 40. Im Bereich der Polizei Günzburg waren es im vergangenen Jahr 282, davon 13 mit Verletzten; bis 7. Mai dieses Jahres war die Sachbearbeitung bei 62 aktuellen Fällen abgeschlossen. Und bei der Polizei Burgau wurden 2017 insgesamt 143 Unfallfluchten registriert, zehn mit Personenschaden. Bis dato waren 31 aktuelle Fälle aus diesem Jahr abgeschlossen. In aller Regel handelt es sich bei Unfallfluchten nicht um spontane Kurzschlusshandlungen. In wenigen Fällen versuchen die Unfallverursacher, vorangegangenen Alkohol- oder Drogenkonsum durch ihre Flucht zu vertuschen. Nicht immer gelingt es.
Man darf dennoch davon ausgehen, dass die Unfallverursacher zumeist mit relativ klarem Kopf die Entscheidung treffen, sich sangund klanglos aus der Affäre zu ziehen. Um ein Kavaliersdelikt handelt es sich aber keineswegs. Das zeigt allein schon die Schadenssumme: Im Schnitt sind es knapp 1500 Euro pro Unfall. Häufig genug bleiben die Betroffenen auf diesen Kosten sitzen. Die Aufklärungsquote lag beispielsweise bei der Krumbacher Polizei bei gut 46 Prozent. Noch immer kommen also viele Unfallverursacher ungeschoren davon. Aller- dings ist eine 50-50-Chance erwischt zu werden kein Ruhekissen. Schließlich sind die Strafen, die auf Unfallflucht stehen, nicht ganz von Pappe. Nach dem Strafgesetzbuch drohen bis zu drei Jahre Haft oder Geldstrafe, wenn einer der Unfallbeteiligten den Unfallort verlässt, ohne zur Aufklärung beizutragen.
Die Polizei geht davon aus, dass viele Menschen unsicher sind, wie sie sich nach einem Unfall verhalten sollen, und versucht daher aufzuklären. „Es ist völlig normal, den Gedanken an einen Unfall aus seinem täglichen Leben zu verbannen. Aber normal ist – leider – auch der Unfall“, heißt es auf der Internetseite des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West. Wichtig ist daher, einen klaren Kopf zu behalten.
Das Gesetz verpflichtet jeden, dessen Verhalten zum Unfall beigetragen haben kann, zunächst am Unfallort zu bleiben und die Feststellung seiner Person zu ermöglichen. Nach einem Parkrempler etwa ist man als Unfallbeteiligter verpflichtet, eine „angemessene Zeit“zu warten, ob nicht etwa der Halter des angefahrenen Wagens auftaucht. Wie lange, das hängt von verschiedenen Umständen etwa der Tageszeit, Ort und Schwere des Unfalls ab. Man sollte jedoch 30 MinuMitte ten nicht unterschreiten, rät die Polizei. Kommt in dieser Zeit niemand, dann darf man sich entfernen, muss aber Namen und Anschrift am Unfallort hinterlassen.
Außerdem ist man verpflichtet, zusätzlich einer nahegelegenen Polizeidienststelle unverzüglich zu melden, dass man am Unfall beteiligt war. Unverzüglich bedeutet, dass man am besten nach einer angemessenen Wartezeit auf direktem Weg zur nächsten Polizeidienststelle fährt und dort den Unfall meldet.
Bei Unfällen mit Toten, Verletzten oder erheblichem Sachschaden sollte ohnehin immer die Polizei unter dem allgemeinen Notruf 110 gerufen werden. Steht ein Unfallbeteiligter unter Alkohol oder Drogeneinfluss, empfiehlt es sich, ebenfalls die Polizei zu verständigen.
Zweckmäßig ist ein solcher Anruf nach Angaben der Polizei auch dann, wenn sich die Schuldfrage nicht klären lässt oder wenn an dem Unfall Personen oder Fahrzeuge beteiligt sind, die im Ausland wohnen oder deren Fahrzeuge dort zugelassen sind. Bei Unfallfluchten mit Schwerverletzten lag die Aufklärungsquote in den vergangenen Jahren bei über 80 Prozent, mit tödlichem Ausgang sogar seit Jahren bei 100 Prozent.