Mit ihnen vergeht die Zeit wie im Flug
Seit 125 Jahren wird in Jettingen im Chor gesungen. Die heutigen Sänger erzählten die Geschichte des Ensembles auf musikalische Weise
Jettingen Scheppach „Wie die Zeit vergeht“– ein passender Titel für das Jubiläumskonzert der Jettinger Chorgemeinschaft, die seit 125 Jahren Menschen zum gemeinsamen Singen zusammenbringt. Dies war, so die Vorsitzende Helga Losert, eine lange und ereignisreiche Zeit, in der unzähligen Konzertbesuchern viele vergnügte Stunden bereitet wurden. Und auch zum Jubiläum verstanden es die Sänger, ihr Publikum mitzureißen, ihnen mit beschwingten Melodien Freude zu bereiten.
Der langjährige Vorsitzende der Chorgemeinschaft, Reinhold Atzkern, konzentrierte sich in seiner Festansprache auf das Wesentliche. Das fand vor allem in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg statt. Mit Heinrich Barthelmes erhielt der Chor, sich zwar noch immer, wie seit seiner Gründung, Männergesangverein nennend, aber bereits seit 1939 Frauen aufnehmend, seine erste tief gehende Prägung. Der Musiker mit Anspruch, hat in den sechs Jahren als Chorleiter, die Weichen gestellt. Stücke aus dem von ihm komponierten Singspiel, einem grandiosen Erfolg, werden bis heute gesungen. Nach seinem Weggang 1951 folgte sein „Schüler“, der jugendliche Karl König, der in 51 Jahren als Chorleiter die Sänger, ihren Stil, ihren Anspruch prägte, selbst Chorsätze schrieb und Lieder komponierte. Großartige Themenkonzerte und ein immer breiteres Repertoire mit fremdsprachigen Texten, prägten die Jahre unter Karl König. In seine übergroßen Fußstapfen zu treten, war nicht einfach. Doch Andreas Altstetter, versicherte Reinhold Atzkern, ist dies gelungen. Auch er ist mehr als ein Dirigent, schreibt zahlreiche Chorsätze, singt, entwickelt neue Auftrittsformen, wie das beliebte Adventskonzert.
Die drei prägenden Persönlichkeiten, die der Chorgemeinschaft ihr heutiges Gesicht geben, fanden auch im Jubiläumskonzert ihren Widerhall. An den Anfang hatte Chorleiter Andreas Altstetter eine Hommage gesetzt. Seine beiden Vorgänger waren auch Komponisten. „Gott grüß euch all“, diesen Sängerspruch hatte Barthelmes seinen Jettinger Sängern gewidmet. Ein eindrucksvoller Konzertauftakt, dem zwei weithin bekannte und beliebte Lieder von Karl König folgten. Der mit tosendem Applaus begrüßte Ehrendirigent konnte sich über die frische Darbietung von „Hei grüaß die Gott Ländle“und „I bin a Schwaub“freuen.
Eine weitere Reminiszenz an die vergangenen Jahre, das erste nachweislich gesungene Lied des als Männerchor gegründeten Gesangvereins, durfte an diesem Abend nicht fehlen: „Der Jäger Abschied“, ein von Mendelssohn-Bartholdy vertontes Eichendorffgedicht, brachte die Männer aus Jettingen und Wallenhausen gemeinsam auf die Bühne, bevor die Liederlust Wallenhausen unter der Leitung von Marianne Altstetter, ihren Beitrag zum Konzert lieferte.
Wie ihr Bruder Andreas legte sie den Schwerpunkt auf rhythmisch geprägte Lieder: Mit dem sehnsuchtsvollen „Weit, weit weg“von Hubert von Goisern gab sie die Richtung vor: Karibik und Südamerika. Harry Belafontes „Island in the Sun“, „El Condor Pasa“, „La Bamba“– Stücke, die nicht nur das ältere Publikum zum Mitswingen und -klatschen animierten.
Jettingens Männer präsentierten „Das einsame Glöckchen“, ein Lied, mit dem sich die Sänger in die „russische Seele“vertiefen konnten, allen voran die beiden Solisten Armin Schwab und Walter Burkhardt, die mit „russischen Pelzmützen“ausstaffiert wie aus Sibirien eingeflogen wirkten.
Die Frauen zog es in die Wärme: Fetziges aus Brasilien und Südamerika wurde temperamentvoll dargeboten. Beim Schlager „Amarillo“, interpretiert vom Gesamtchor, griff Chorleiter Altstetter zum Mikrofon und bewies seine Kunst als Solosänger. Mit dem mexikanischen Mambo „Adelita“von Otto Groll riss die Chorgemeinschaft ihr Publikum ein weiteres Mal mit.
Bei bester Stimmung endete das von einer hervorragend aufgelegten kleinen Band begleitete Konzert mit „Freunde für´s Leben“und „Gemeinsam“, gesungen von fast hundert Sängerinnen und Sängern aus Jettingen und Wallenhausen, dem jubelnden und fordernden Dacapo der Konzertbesucher nachgebend, mehrfach wiederholt.