Guenzburger Zeitung

Am Ende heulen wieder alle

- VON ANTON SCHWANKHAR­T as@augsburger allgemeine.de

Dass der Tränenflus­s auch über dieses Bundesliga-Finale hereinbrec­hen würde, war klar. Der Abstiegska­mpf ist der bitterste aller Lebenskämp­fe. Das weiß jeder, der schon einmal weinend an einem Stadionzau­n gehangen hat.

Was langjährig­e Beobachter des heulenden Fußball-Elends irritiert: Inzwischen mischen sich unter Abstiegs- auch Abschiedst­ränen. In Rostock haben Hansa-Fans zusammen mit dem Urgestein Tommy Grupe geheult, der nach 19 Jahren den Klub verlässt. Beim FC Arsenal haben sie Per Mertesacke­r zu dessen Abschied beweint, und natürlich hat der Weltmeiste­r mitgeheult.

Die beiden Tränenflüs­se aus Abschied und Abstieg vereinen sich zu Monsterwel­len der Rührung, die das Fußball-Land zum Saisonende hin unter sich begraben. Selbst an so unverdächt­igen Orten wie Augsburg, wo der FCA unbelastet dem Saisonende entgegen kickt, hat ein bewegter Trainer Manuel Baum gerührt auf die Saison zurückgesc­haut. Dabei ist noch gar nicht ganz Schluss. Bricht sich in diesen Tagen alles Bahn, was Trainer und Spieler die Saison über vor Kameras und Mikrofonen verbergen mussten? Und was wird am Ende in Hamburg oder Wolfsburg sein – den für Samstag erwarteten Epizentren erschütter­ter FußballerH­erzen? Und was in Freiburg, wenn die Erschütter­ungen den Schwarzwal­d erfassen? Klar ist: Was das mit dem dortigen Trainer Christian Streich anstellt, einem Menschen, der alle Emotionen auf seiner Außenhaut trägt, mag sich heute kein Mensch vorstellen.

Geheult wird aber auch unterklass­ig. In der Regionalli­ga, wo Offenbachs scheidende­r Co-Trainer Joti Stamatopou­los sich auf dem Spielfeld in Tränen auflöste. So wird es am Samstag weitergehe­n. Mag die Welt überall kälter werden: Der Fußballpla­tz wird als Refugium der Empfindsam­keit überleben, als ein Ort, an dem mehr Männerträn­en fließen als sonst wo. Und komme den Gerührten und Geschüttel­ten keiner mit dem Hinweis, es sei doch alles nur ein Spiel. Es ist das Leben, und im Moment des Endes ist es mehr als das. Männer, die sich ihrer Tränen nicht schämen, werden Kommentato­ren gerührt sekundiere­n.

Nur Robert Huth, der Verteidige­r-Schrank von Leicester City, wird wieder lästern, „dass weinen auf dem Platz eine Sperre von drei Spielen nach sich ziehen sollte“. Aber auch für ihn, den Türsteher in Fußballsch­uhen, wird demnächst Schluss sein – begleitet von tausendfac­hem Gesang der Fans auf den Rängen. Kaum vorstellba­r, dass dabei irgendein Türsteher-Auge trocken bleibt.

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Foto: imago Geheult wird auch in der Regionalli­ga. Tränenreic­her Abschied bei den Kickers in Offenbach.
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