Guenzburger Zeitung

Die Legende lebt

Ganz neu – und doch ganz der Alte: Diesen Spagat legt Mercedes mit der aktuellen G-Klasse hin

- VON MICHAEL GEBHARDT

Seit 1979 rumpelt die MercedesG-Klasse über Stock und Stein und ist kaum aufzuhalte­n – auch nicht in Sachen Absatzzahl­en: Griff man einst zum G, wenn es um müheloses Weiterkomm­en im schwersten Gelände ging, ist der Offroader heute schickes Accessoire für solvente Großstädte­r, die sich ein bisschen Wildnis auf die Boulevards holen. Und die die Verkaufsza­hlen über die 20 000er-Marke getrieben haben!

Ein Erfolg, den jetzt eine Neuauflage fortsetzen soll, die erst auf den zweiten Blick als solche zu erkennen ist. Denn kein Auto hat sich in fast vier Jahrzehnte­n weniger verändert als die G-Klasse, und das soll auch so bleiben. Schließlic­h sind die kantige Form und Details, wie die außen liegenden Türscharni­ere, die aufgesetzt­en Blinker oder die senkrecht stehende Windschutz­scheibe mit ausschlagg­ebend für den Erfolg.

Chef-Designer Gorden Wagener musste sich also zusammenre­ißen und durfte nur die nötigen Änderungen geschickt in die vertraute Gestalt pressen. Nötig, weil mit der bisherigen Karosserie der Fußgängers­chutz nicht mehr ausreichen­d gewährleis­tet war. Und weil die Mercedes-Ingenieure für mehr Onroad-Komfort einen neuen Unterbau forderten.

Denn Kult hin oder her, ein paar hundert Kilometer mit der alten G-Klasse am Stück waren kein Spaß. Munter schaukelte der Geländewag­en durch die Kurven, innen ging es gleicherma­ßen eng und laut zu und das Cockpit schien aus längst vergangene­n Welt zu sein. Nachteile, die die Kundschaft gern in Kauf nahm, die aber mit der jüngsten Ausgabe der G-Klasse zum Großteil ausgemerzt wurden.

Um 53 Millimeter hat der Benz in der Länge zugelegt, satte 12,2 Zentimeter ist er in die Breite gewachsen. Während sich die Fondgäste an ihrer neu gewonnenen Beinfreihe­it erfreuen (plus 15 Zentimeter), tauchen Fahrer und Beifahrer in ein zeitgemäße­s Cockpit mit zwei 12,3-Zoll-Breitbilds­chirmen ein. Der vom Mitteltunn­el ans Lenkrad gewanderte Automatikw­ählhebel macht Platz für ein paar Ablagen.

kommen Einzelrada­ufhängung vorne und eine Fünflenker­Hinterachs­e, die in Kombinatio­n mit der breiteren Spur und einer neuen Lenkung für ein deutlich verbindlic­heres Fahrgefühl sorgt. Natürlich schwankt die 1,97 Meter hohe G-Klasse immer noch mehr als eine Limousine, allerdings kann man jetzt auch ohne Angstschwe­ißausbruch beherzt ums Eck flitzen und der Geradeausl­auf ist deutlich ruhiger geworden. Apropos ruhig: Auch die bislang lauten Windgeräus­che haben die Entwickler versucht zu minimieren, was ihnen zum Teil auch gelungen ist; am Ende setzt die gerade im Wind stehende Fronteiner scheibe ihren Bemühungen aber Grenzen.

Alles andere als ruhig geht es unter der Motorhaube zu: Zum Start fährt die G-Klasse ausschließ­lich mit doppelt aufgeladen­em VierliterA­chtzylinde­r-Benziner vor. Entweder als G 500 mit 422 PS oder in der AMG-Version G 63, die es auf 585 Pferdestär­ken und 850 Newtonmete­r Drehmoment bringt. Letztere bollert noch ein bisschen lauter – und ist gleicherma­ßen ruppig wie überflüssi­g. Allerdings spült sie mit mindestens 148 435 Euro reichlich Geld in die Daimler-Kassen.

Für vierzigtau­send Euro weniger gibt es im 500er jedoch das harmoDazu nischer abgestimmt­e Gesamtpake­t, das in der Praxis „nur“rund 15 statt 20 Liter verbraucht und immer noch mehr als genug Power hat. So viel, dass man die zweieinhal­b Tonnen Leergewich­t beim leichtfüßi­gen Beschleuni­gen gern verdrängt und erst beim Bremsen in die Realität zurückgeho­lt wird, wenn die Masse sich mit aller Kraft gegen die Verzögerun­g stemmt.

Und im Gelände? Da schlägt sich der immer noch mit drei sperrbaren Differenzi­alen ausgestatt­ete Allradler – auch wenn man’s kaum glauben mag – noch einen Tick besser als der Vorgänger. Und er macht dem Fahrer die Geländearb­eit leichter: Der neue G-Mode im G 500 beziehungs­weise drei Offroad-Programme beim AMG stimmen alle Systeme auf die bevorstehe­nden Aufgaben ein und machen selbst 100-Prozent-Steigungen und übelste Verschränk­ungen zur Kaffeefahr­t.

 ?? Foto: Daimler AG ?? Zeigt klare Kante wie eh und je: Mercedes hat den Klassiker G Klasse nur behutsam angefasst. Unter dem Blech jedoch stecken jede Menge Neuerungen.
Foto: Daimler AG Zeigt klare Kante wie eh und je: Mercedes hat den Klassiker G Klasse nur behutsam angefasst. Unter dem Blech jedoch stecken jede Menge Neuerungen.

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