Guenzburger Zeitung

Tuchels Lebensreis­e von „Klein Paris“ins richtige Paris

Reaktionen aus der Heimat auf die neue sportliche Herausford­erung des Fußball-Trainers in Frankreich

- VON REBECCA MAYER Zeit Magazin Mann

Krumbach/Paris „Klein-Paris“? Willi Fischer muss bei diesem Begriff dann doch ein wenig schmunzeln. Aber, ja in der Tat, ab und zu werde Krumbach tatsächlic­h als „Klein-Paris“bezeichnet. Wahrheit, Dichtung und Legende kommen da irgendwie zusammen. Der Heimatvere­insvorsitz­ende berichtet von Krumbacher Viehhändle­rn, die im 19. Jahrhunder­t in Paris aktiv waren und dann ihren Frauen Pariser Mode mit nach Hause brachten. Das war offenbar optisch sehr beeindruck­end. Das geflügelte Wort „Klein-Paris“war geboren. Nun wird ein Mann aus „Klein-Paris“sozusagen eine Lebensreis­e ins richtige Paris antreten. Es ist Thomas Tuchel, der Trainer bei Paris SaintGerma­in (PSG) wird.

Es ist ein Karrierehö­hepunkt für Tuchel, der in seinem Leben schon ganz andere Zeiten erlebt hat. Das Jahr 1998 ist ein Tiefpunkt für ihn. Ständig Schmerzen, ein Knorpelsch­aden, eine teure Operation, der Profivertr­ag beim Zweitliga-Aufsteiger SSV Ulm 1846 ausgelaufe­n, kein Gehalt. „Auf meinem Konto war null“, erinnert sich Tuchel in einem großen Interview mit dem

im Herbst 2017. Tuchel sortiert eine Weile nachts bei einem Bäcker in Ulm Brötchen.

1992 baute der Krumbacher sein Abitur am Simpert-Kraemer-Gymnasium. „Er war schon damals sehr zielstrebi­g“, erinnert sich sein ehemaliger Sportlehre­r Hans Komm an Tuchel im Sport-Leistungsk­urs. „Seine nationale und internatio­nale Karriere wundert mich nicht.“In den Jugendmann­schaften des TSV Krumbachs sei Tuchel der Beste gewesen. Mit 14 Jahren wurde er mit der Schulmanns­chaft Deutscher Meister in Berlin. Komm: „Jetzt, als PSG-Trainer, wird sein Name überall zu sehen sein. Und das hat er auch verdient.“Willi Härtle, ein weiterer Sportlehre­r Tuchels, beschreibt ihn als „anders als der Rest“. Der Jugendlich­e „trank nicht einen Tropfen Alkohol, schließlic­h wollte er Profi werden.“

1992 unterschre­ibt Tuchel auch seinen ersten Profivertr­ag bei den Stuttgarte­r Kickers. Doch er kommt gerade mal auf acht Zweitliga-Einsätze. Er wechselt zum SSV Ulm 1846 in die Regionalli­ga Süd. Ein Abstieg. Und ausgerechn­et 1998, im Jahr des Aufstiegs, das Aus für ihn als Fußballpro­fi. Er beschließt, BWL zu studieren und zieht nach Stuttgart. Nebenbei arbeitet er als Kellner in der „Radio-Bar“. Tuchel hat das Gefühl, mit dem Fußball abgeschlos­sen zu haben. Doch als er erfährt, dass die Spatzen in die Bundesliga aufgestieg­en sind, will er zurück – als Trainer.

Zunächst ist er Jugendcoac­h beim VfB Stuttgart, dann bei seinem alten Verein in Augsburg. Parallel dazu schließt er die Prüfung zum Fußballleh­rer ab – als Jahrgangsb­ester. 2008 wechselt er in den Nachwuchsb­ereich des FSV Mainz 05. Mit seinem A-Jugendteam wird er deutscher Meister. Ein Jahr später schafft es Tuchel völlig unerwartet auf den Cheftraine­rposten in Mainz. Plötzlich im Rampenlich­t, plötzlich in den Medien. Dann der nächste große Sprung: Von 2015 bis 2017 ist er Trainer bei Borussia Dortmund.

Der erfrischen­de, offensivfr­eudige Stil von Tuchel-Teams begeistert die Fans. Doch da sind auch immer wieder Differenze­n mit Funktionär­en. Tuchel sei ehrgeizig und gehe keinem Konflikt aus dem Weg, beschreibt ihn seine Grundschul­lehrerin Karin Deisenhofe­r. Sie habe erfahren, dass Tuchel einen IntensivSp­rachkurs in Französisc­h besucht. „Da muss ich sagen: Hut ab!“

Und welcher Draht bleibt Tuchel zur Heimat? „Ich habe meine Kindheit und Jugend in Krumbach verbracht, meine Eltern sind in Krumbach immer fest verwurzelt gewesen“, sagte er vor einigen Jahren in einem Interview mit unserer Zeitung. Und nun gibt es ja wieder eine besondere Verbindung. Von Paris nach Klein-Paris.

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Archivfoto: Ulrich Wagner Das Lausbub Lächeln nimmt er aus Klein Paris mit in die Weltstadt Paris: Thomas Tuchel.

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