Tuchels Lebensreise von „Klein Paris“ins richtige Paris
Reaktionen aus der Heimat auf die neue sportliche Herausforderung des Fußball-Trainers in Frankreich
Krumbach/Paris „Klein-Paris“? Willi Fischer muss bei diesem Begriff dann doch ein wenig schmunzeln. Aber, ja in der Tat, ab und zu werde Krumbach tatsächlich als „Klein-Paris“bezeichnet. Wahrheit, Dichtung und Legende kommen da irgendwie zusammen. Der Heimatvereinsvorsitzende berichtet von Krumbacher Viehhändlern, die im 19. Jahrhundert in Paris aktiv waren und dann ihren Frauen Pariser Mode mit nach Hause brachten. Das war offenbar optisch sehr beeindruckend. Das geflügelte Wort „Klein-Paris“war geboren. Nun wird ein Mann aus „Klein-Paris“sozusagen eine Lebensreise ins richtige Paris antreten. Es ist Thomas Tuchel, der Trainer bei Paris SaintGermain (PSG) wird.
Es ist ein Karrierehöhepunkt für Tuchel, der in seinem Leben schon ganz andere Zeiten erlebt hat. Das Jahr 1998 ist ein Tiefpunkt für ihn. Ständig Schmerzen, ein Knorpelschaden, eine teure Operation, der Profivertrag beim Zweitliga-Aufsteiger SSV Ulm 1846 ausgelaufen, kein Gehalt. „Auf meinem Konto war null“, erinnert sich Tuchel in einem großen Interview mit dem
im Herbst 2017. Tuchel sortiert eine Weile nachts bei einem Bäcker in Ulm Brötchen.
1992 baute der Krumbacher sein Abitur am Simpert-Kraemer-Gymnasium. „Er war schon damals sehr zielstrebig“, erinnert sich sein ehemaliger Sportlehrer Hans Komm an Tuchel im Sport-Leistungskurs. „Seine nationale und internationale Karriere wundert mich nicht.“In den Jugendmannschaften des TSV Krumbachs sei Tuchel der Beste gewesen. Mit 14 Jahren wurde er mit der Schulmannschaft Deutscher Meister in Berlin. Komm: „Jetzt, als PSG-Trainer, wird sein Name überall zu sehen sein. Und das hat er auch verdient.“Willi Härtle, ein weiterer Sportlehrer Tuchels, beschreibt ihn als „anders als der Rest“. Der Jugendliche „trank nicht einen Tropfen Alkohol, schließlich wollte er Profi werden.“
1992 unterschreibt Tuchel auch seinen ersten Profivertrag bei den Stuttgarter Kickers. Doch er kommt gerade mal auf acht Zweitliga-Einsätze. Er wechselt zum SSV Ulm 1846 in die Regionalliga Süd. Ein Abstieg. Und ausgerechnet 1998, im Jahr des Aufstiegs, das Aus für ihn als Fußballprofi. Er beschließt, BWL zu studieren und zieht nach Stuttgart. Nebenbei arbeitet er als Kellner in der „Radio-Bar“. Tuchel hat das Gefühl, mit dem Fußball abgeschlossen zu haben. Doch als er erfährt, dass die Spatzen in die Bundesliga aufgestiegen sind, will er zurück – als Trainer.
Zunächst ist er Jugendcoach beim VfB Stuttgart, dann bei seinem alten Verein in Augsburg. Parallel dazu schließt er die Prüfung zum Fußballlehrer ab – als Jahrgangsbester. 2008 wechselt er in den Nachwuchsbereich des FSV Mainz 05. Mit seinem A-Jugendteam wird er deutscher Meister. Ein Jahr später schafft es Tuchel völlig unerwartet auf den Cheftrainerposten in Mainz. Plötzlich im Rampenlicht, plötzlich in den Medien. Dann der nächste große Sprung: Von 2015 bis 2017 ist er Trainer bei Borussia Dortmund.
Der erfrischende, offensivfreudige Stil von Tuchel-Teams begeistert die Fans. Doch da sind auch immer wieder Differenzen mit Funktionären. Tuchel sei ehrgeizig und gehe keinem Konflikt aus dem Weg, beschreibt ihn seine Grundschullehrerin Karin Deisenhofer. Sie habe erfahren, dass Tuchel einen IntensivSprachkurs in Französisch besucht. „Da muss ich sagen: Hut ab!“
Und welcher Draht bleibt Tuchel zur Heimat? „Ich habe meine Kindheit und Jugend in Krumbach verbracht, meine Eltern sind in Krumbach immer fest verwurzelt gewesen“, sagte er vor einigen Jahren in einem Interview mit unserer Zeitung. Und nun gibt es ja wieder eine besondere Verbindung. Von Paris nach Klein-Paris.