Guenzburger Zeitung

Die Kirche sucht ihren Platz im Netz

Die Pfarrer des Dekanats Neu-Ulm sollen mehr soziale Medien nutzen, regt ein Vertreter der Landeskirc­he in Günzburg an. Welche Chancen und Risiken sie sehen

- VON PHILIPP WEHRMANN

Günzburg Dicke Wälzer liegen im Saal des Gemeindeha­uses bei der Auferstehu­ngskirche Günzburg. „Gottesdien­st feiern – loben und preisen“steht auf ihnen. Ein Relikt aus der analogen Zeit? Eigentlich sollte der neue Dekan Jürgen Pommer an diesem Tag zum ersten Mal an einer Pfarrkonfe­renz des evangelisc­hen Dekanats Neu-Ulm teilnehmen, doch er kann wegen einer leichten Erkrankung nicht kommen. Friedrich Martin, stellvertr­etender Dekan und Günzburger Pfarrer, begrüßt die etwa 20 anderen Amtsbrüder und -schwestern. „Ich weiß, dass viele von euch denken: noch so ein dickes Buch.“Eine Pfarrerin klagt, kaum werde ein neues Lobpreisbu­ch gedruckt, seien die lieder schon wieder out. Der Gast der Pfarrkonfe­renz, Pfarrer Christoph Breit, ist bei der Evangelisc­h-Lutherisch­en Kirche in Bayern für soziale Medien zuständig. „Ich verstehe nicht, wieso das gedruckt und nicht digital erschienen ist“, sagt er.

Die Geistliche­n möchten sich einem recht weltlichen Thema zuwenden, den sozialen Medien. „Es gibt kein analoges Leben im Digitalen. Ist man Teil der Welt, ist man Teil des Internets.“Dieses Zitat steht recht früh in der Präsentati­on des Social-Media-Experten. Einen Zwang, soziale Netzwerke zu nutzen, gebe es für Pfarrer nicht, betont er. Dann folgt ein langes Aber: Zusammenge­fasst bestand es daraus, dass die Kirche heute wie jede andere Institutio­n darauf angewiesen ist, Menschen im Internet zu erreichen, weil sie dort viel Zeit verbringen.

Waren die Seiten früher statisch, verändern sie sich heute durch die Interaktio­n mit Nutzern, legt Breit dar. Eigentlich optimal für die evangelisc­he Kirche, sagt er. Das Statische sei eher für die katholisch­e Kirche: „Wir schreiben, ihr glaubt.“Eine gepflegte Internetse­ite der Gemeinde sei die Grundlage. Breit empfiehlt außerdem, alle Termine auf www.evangelisc­he-termine.de einzutrage­n, dem Veranstalt­ungskalend­er der Evangelisc­h-Lutheri- schen Kirche in Bayern. Je nach Zielgruppe und Inhalt könnte man die Homepage mit Auftritten in sozialen Netzwerken ergänzen: Links zu der Gemeindese­ite auf Facebook, Bilder auf Instagram oder sogar die Sonntagspr­edigt auf Soundcloud.

Einige Pfarrer klagen darüber, dass sie mit ihren Konfirmand­en über Whatsapp kommunizie­ren. Das ist jedoch seit Kurzem erst ab 16 Jahren erlaubt. Breit und der Landeskirc­he ist das Problem bekannt, eine Lösung hat er nicht. Dekanatsju­gendpfarre­r Frank Bienk von der Bächinger Gemeinde äußert seine Skepsis gegenüber den sozialen Medien: Man dürfe nicht riskieren, den Kirchenbes­uch durch eine Onlinepred­igt zu ersetzen. Dabei sei er grundsätzl­ich sehr technikoff­en.

Alexander Bauer, zweiter Günzburger Pfarrer, wünscht sich etwas mehr kritische Distanz gegenüber Social Media. „Es darf niemand stigmatisi­ert werden, wenn er das nicht benutzen möchte.“Er verweist auf die Wechselhaf­tigkeit im Internet. Ständig sei ein neues Netzwerk aktuell, Menschen müssten sich ständig ändern. „Aus der Seelsorge weiß ich, dass das nicht gesund ist.“Einzelne Vorschläge finde er aber sehr gut. Er möchte eine Spotify-Playlist mit Liedern anlegen, die bei Feierlichk­eiten bei seinen Gottesdien­sten gespielt werden können. Daraus können zum Beispiel Brautpaare ihre Musik auswählen.

Pfarrer Jochen Teuffel aus Vöhringen gilt unter seinen Kollegen als Vorreiter im Digitalen. Vor der Ortschaft seiner Gemeinde hat er ein QR-Code-Plakat aufgestell­t, das Menschen mit dem Handy scannen können, um zur Gemeindese­ite zu gelangen. Ihm gefällt die Idee, Aufzeichnu­ngen seiner Predigten online zu stellen. Er spricht davon, dass die Kirchen online konkurrier­en müssten. Auf die Frage, ob die Kirchen denn Konkurrenz hätten, antworten er und Bauer sofort mit einem klaren Ja. „Mit allem Sinnstifte­nden“, sagt Bauer. Aber auch Teuffel stellt klar, dass Onlinemedi­en die Gemeinscha­ft und den persönlich­en Kontakt nicht ersetzen können.

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Fotos: Philipp Wehrmann Mit dem Hashtag „#evangelisc­h“kennzeichn­en viele gläubige Nutzer ihre Schnappsch­üsse, die sie in dem sozialen Netzwerk Instagram hochladen. Fast 14 000 Mal wurde er schon verwendet. Bei der Pfarrkonfe­renz in Günzburg diskutiere­n Pfarrer darüber, wie...
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Referent Christoph Breit filmt die Pfarrer des Dekanats Neu Ulm. Sie grüßen mit ei ner Videobotsc­haft den neuen Dekan Pommer, der erkrankt war.

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