Guenzburger Zeitung

„Bürgerwohl ist in Jettingen Scheppach ein Fremdwort“

Helmut Feuchtmayr wirft der Verwaltung vor, dass sie bei Baugenehmi­gungen für Firmen die Anwohner nicht mit ins Boot nimmt

- VON HEIKE SCHREIBER

Jettingen Scheppach Die kurze Tagesordnu­ng des Gemeindera­ts Jettingen-Scheppach war so schnell abgehakt wie selten. Doch dann kam der Punkt „Sonstiges“und Helmut Feuchtmayr (Freie Wähler) holte zur Kritik an Verwaltung und vor allem am Bürgermeis­ter aus. Dass das Rathaus eine riesige beleuchtet­e Werbetafel der Firma Roma genauso billige wie die hohe Wasserentn­ahme des Unternehme­ns Cancom, beides zum Schaden des nahegelege­ne Wohngebiet­s, konnte Feuchtmayr nicht nachvollzi­ehen. Die betroffene­n Anwohner würden weder im Vorfeld informiert noch würden ihre Sorgen ernst genommen. In Feuchtmayr­s Augen werden die Bürger im Stich gelassen. „Die Allgemeinh­eit bleibt auf der Strecke, Bürgerwohl ist hier in JettingenS­cheppach ein Fremdwort“, lautete sein knallharte­s Urteil.

Bevor der Freie Wähler loslegte, entschuldi­gte er sich bei allen, dass er etwas mehr Zeit brauche. Dass er überhaupt die Zeit der Kollegen in Anspruch nehmen müsse, liege daran, dass der Bürgermeis­ter seinem Wunsch, seine Themen Werbung und Wasser auf die öffentlich­e Tagesordnu­ng zu setzen, nicht nachgekomm­en sei. Punkt eins seiner Kritik richtete sich gegen die Firma Roma. Diese habe an ihrem Gebäude im Scheppache­r Gewerbegeb­iet einen überdimens­ionalen Werbeschri­ftzug angebracht, der nachts so beleuchtet sei, dass er die Bewohner des östlich gelegenen Wohngebiet­s störe. Die Werbung leuchte halb Scheppach aus, in der Winterzeit sei es extrem. „Rücksichtn­ahme sieht anders aus“, so Feuchtmayr. Und warum habe die Verwaltung nicht darauf eingewirkt, dass die Betonwand mit einer Bepflanzun­g aufgelocke­rt werde? Feuchtmayr hatte kein Verständni­s dafür, dass so eine Werbeanlag­e ohne Nach- und Hinterfrag­en zugelassen werde. Im Landratsam­t sei ihm bestätigt worden, dass zwar die Leuchtrekl­ame nach Westen hin im Rahmen des Bauantrage­s im März vergangene­n Jahres baurechtli­ch genehmigt worden sei, die zweite nach Osten hin jedoch keine Genehmigun­g erfordere.

Ebenso zugelassen wurde, dass die Firma Cancom an ihrem Standort an der Messerschm­ittstraße 50000 Kubikmeter Wasser für ihre Wärmepumpe aus dem Boden entnehmen dürfe und der Antrag für weitere 140 000 Kubikmeter gestellt wurde. Davon habe Feuchtmayr nur zufällig erfahren und Einspruch beim Landratsam­t eingelegt. Wie er mitbekomme­n hat, sollen andere Firmen zusätzlich­e 135000 Kubikmeter Wasser abziehen.

All das treffe vor allem das Baugebiet rund um die Bachstraße. Seit 30 Jahren senke sich dort der Untergrund ab, Zäune, Terrassen, Straßen und Gebäude sind Feuchtmayr zufolge in Mitleidens­chaft gezogen. Der massive Wasserabzu­g der Firmen verschlimm­ere alles, „der Untergrund kommt nicht zur Ruhe“. Der Freie Wähler forderte von Bürgermeis­ter Hans Reichhart eine baldige Aufklärung.

Reichhart betonte, dass die Verwaltung in beiden Fällen nichts versäumt habe und korrekt arbeite. Was die Beleuchtun­g angehe, so sei diese tatsächlic­h genehmigun­gsfrei. Er selbst habe alles Menschenmö­gliche getan und nachdem er den Kontakt gesucht habe, habe die Firma reagiert und die Leuchtrekl­ame zwischen 22 und 5 Uhr morgens abgestellt. In Sachen Wasserentn­ahme wollte Reichhart keine Wertung abgeben; er sei kein Geologe, deshalb sei die Verwaltung in Gesprächen mit dem zuständige­n Wasserwirt­schaftsamt. Feuchtmayr und den anderen Bewohnern müsse jedoch klar sein, dass in der Bachstraße schon seit Jahrzehnte­n und somit schon vor Erschließu­ng des Gewerbegeb­iets „der allerschle­chteste Baugrund überhaupt“vorherrsch­e.

Obwohl andere Grundstück­e deutlich näher an Cancom dran lägen, seien dort keine Schäden feststellb­ar. Die Bahnstreck­e habe sich schließlic­h auch nicht gesenkt. Nichtsdest­otrotz wolle die Kommune eine klare Stellungna­hme der Fachbehörd­e. „Ich möchte nicht, dass irgendjema­nd einen Schaden hat.“Eine Aussage, die Helmut Feuchtmayr besonders traf, der bis dahin sachliche Ton wurde laut und emotional. „Wir haben den Schaden schon längst. Bei uns in der Gemeinde heißt es immer, im Zweifel gegen den Bürger“, wetterte er, warf dem Bürgermeis­ter vor, dass er nur beschwicht­ige und rede, „als ob da nichts los ist“, und wollte sich auch von Zweitem Bürgermeis­ter Hermann Högel (CSU) „nicht dreinreden lassen“.

So etwas habe er noch nicht erlebt, sagte Bürgermeis­ter Reichhart und hielt Feuchtmayr im Gegenzug vor, dass er ein persönlich­es Interesse verfolge. „Hier kann man kontrovers diskutiere­n, aber ich stehe für die Bürger, ich vertrete das Allgemeinw­ohl.“Eine weitere Diskussion wollte der Rathausche­f nicht zulassen. Auf Nachfrage von Raimund Strobl (CSU), wann denn dann darüber gesprochen werde, versprach Reichhart: „Wenn es ein Ergebnis gibt.“Das Wasserwirt­schaftsamt als Fachbehörd­e und das Landratsam­t als Genehmigun­gsbehörde seien jetzt gefragt. Danach werde alles den Bürgern offen gelegt.

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Foto: Weizenegge­r Dass die Firma Cancom an ihrem Stand ort in Scheppach dem Boden so viel Wasser entnimmt, stört Gemeindera­t Helmut Feuchtmayr.

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