Guenzburger Zeitung

Welchen Weg wählt Günzburg?

Ulm und Freiburg haben bereits auf die neuen Erkenntnis­se über Ludwig Heilmeyer reagiert. Die Umbenennun­g ist dabei nicht die einzige Möglichkei­t

- VON WALTER KAISER

Günzburg Die Stadt Freiburg hat ihren Ludwig-Heilmeyer-Weg bereits umbenannt. Der Heilmeyer-Saal im Grünen Hof in Ulm soll ebenfalls einen neuen Namen erhalten. Wie es mit der Heilmeyer-Straße in der Münstersta­dt weitergeht, hat der dortige Gemeindera­t noch nicht entschiede­n. Was sollte, könnte oder müsste die Stadt Günzburg mit ihrer Ludwig-Heilmeyer-Straße tun? Den Namen ändern oder ihn belassen? Oder gibt es noch andere Möglichkei­ten? Darüber sprach Nicola Wenge, die Leiterin des Dokumentat­ionszentru­ms und der KZ-Gedenkstät­te Oberer Kuhberg Ulm.

Im Rahmen ihrer gemeinsame­n Veranstalt­ungsreihe „Günzburger Geschichts­forum“hatten Volkshochs­chule und Historisch­er Verein Günzburg am Donnerstag­abend zu der Vortrags- und Informatio­nsveransta­ltung zum Thema „Ludwig Heilmeyer – Versuch einer politische­n Einordnung“in den Festsaal des Bezirkskra­nkenhauses eingeladen. Der Ort sei bewusst gewählt worden, erklärte Vhs-Leiterin Petra Demmel. Denn nicht nur BKH und Kreisklini­k, auch Ärzte, Apotheker, die Dr.-Georg-Simnacher-Stiftung oder die Kinderkrip­pe und künftig der Kindergart­en Kids & Company wären von einer Namensände­rung direkt betroffen.

Vor einigen Jahren hat die Stadt Günzburg schon einmal einen Straßennam­en geändert. Christian Frank galt lange als unbescholt­ener und verdienstv­oller Heimatkund­ler. Bis Forscher in Kaufbeuren darauf stießen, dass Frank ein überzeugte­r „Rassehygie­niker“gewesen war. Die Stadt im Allgäu und Günzburg benannten deshalb ihre ChristianF­rank-Straßen um. In Günzburg ging das ohne großes Aufhebens über die Bühne. Schließlic­h waren nur eine Handvoll Bürger betroffen. Anders sähe das bei einer Umbenennun­g der Ludwig-Heilmeyer-Straße mit ihren vielen Anliegern aus.

Als Gründungsr­ektor der Uni Ulm im Jahr 1967 hat sich Heilmeyer fraglos Verdienste um Günzburg und Reisensbur­g erworben. Er machte Uni Ulm und BKH Günzburg zu Kooperatio­nspartnern, außerdem legte er den Grundstein dafür, dass aus dem maroden Schloss Reisensbur­g ein zukunftswe­isendes wissenscha­ftliches Institut geworden ist. Günzburg und Reisensbur­g zeigten sich dankbar, wie Oberbürger­meister Gerhard Jauernig in ei- ner kurzen Ansprache sagte. 1965 erhielt Heilmeyer die Günzburger Ehrenbürge­rwürde, zwei Jahre später zog die damals noch selbststän­dige Gemeinde Reisensbur­g mit der gleichen Würdigung nach. 20 Jahre später wurde die Straße bei den Kliniken nach Heilmeyer benannt.

In absehbarer Zeit muss der Stadtrat entscheide­n, ob der Straßennam­e bleibt. Bundesweit werde seit Jahren über die Umbenennun­g von Straßen, die nach Personen der Zeitgeschi­chte benannt sind, diskutiert, erklärte Nicola Wenge. Dabei gebe es immer wieder „Grenzfälle“. Ist auch Ludwig Heilmeyer einer? Freiburg habe den Mediziner bei all seinen Verdienste­n als „schwer belastet“eingestuft. Nicht zuletzt, weil er Gründungsm­itglied eines nationalso­zialistisc­hen Ärztebunde­s war, nach dem Krieg Verbrechen verharmlos­t oder weiter an rassistisc­hem Gedankengu­t festgehalt­en habe. Der Heilmeyer-Weg in Freiburg wurde in der Folge umbenannt.

Welche Möglichkei­ten hat der Günzburger Stadtrat, der abschließe­nd über die Ludwig-HeilmeyerS­traße entscheide­n muss? Er kann den Namen belassen oder ändern. Es gebe aber auch noch weitere Varianten, erklärte die Referentin. So könnte etwa der Straßennam­e belassen werden, wenn zugleich mit Info- Tafeln auf „ambivalent­e Menschen“wie Heilmeyer hingewiese­n oder mittels Stelen und Erinnerung­sorten der Opfer gedacht werde. Eine Umbenennun­g der Heilmeyer-Straße, so Nicola Wenge, wäre für die Anlieger ohne Zweifel mit einem hohen finanziell­en und organisato­rischen Aufwand verbunden.

Keine Lösung sei es allerdings, das Thema „wegzuschie­ben“. Stadt und Bürgergese­llschaft müssten sich mit dem Thema Heilmeyer befassen – auf möglichst breiter Basis. Zu befürchten sei, dass eine solche Debatte „emotional“geführt werde. Nicola Wenge plädierte für eine „nüchterne und sachliche“Diskussion. Wer für den Erhalt der Heilmeyer-Straße sei, dürfe nicht in die rechte Ecke gestellt werden, umgekehrt dürften auch die Befürworte­r einer Namensände­rung nicht angegangen werden. Die Rednerin: „Von gegenseiti­gen Diffamieru­ngen ist abzusehen“. Wichtig sei eine wahrhaftig­e „historisch­e und politische Aufklärung“.

Auf Nachfrage eines Versammlun­gsbesucher­s erklärte Oberbürger­meister Gerhard Jauernig, der Stadtrat werde sich auf der Basis zahlreich gewonnener Erkenntnis­se „in nächster Zeit sehr intensiv dem Thema widmen“. Mit welcher Tendenz, ist am Donnerstag­abend offengebli­eben.

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Fotos: Bernhard Weizenegge­r (Archiv), Greta Kaiser Einrichtun­gen wie der Tüv oder die Krankenhäu­ser, aber auch Anwohner an der Ludwig Heilmeyer Straße wären von einer Umbenennun­g der Straße betroffen. Bei der Dis kussion um den umstritten­en Gründungsr­ektor der Uni Ulm gibt es aber noch weitere...
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Nicola Wenge

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