Guenzburger Zeitung

Er begründete Krumbachs Webereitra­dition

Moses Samuel Landauer war nicht nur wirtschaft­lich erfolgreic­h, er setzte sich auch für arme Kinder ein

- VON HANS BOSCH Foto: Stadtarchi­v Krumbach

Im Rahmen unserer Serie „Wirtschaft schreibt Geschichte“stellen wir Persönlich­keiten vor, die das heimische Wirtschaft­sleben auf eine bahnbreche­nde Weise prägten. Heute ist es Moses Samuel Landauer aus Krumbach. Er begründete Krumbachs Webereitra­dition. Krumbach Er schrieb ein Stück Wirtschaft­sgeschicht­e, zuerst für Hürben und nach der Vereinigun­g im Jahre 1902 für ganz Krumbach: Moses Samuel Landauer, ein am 12. April 1808 geborener Jude, der sich 1833 in seinem Elternhaus in der heutigen Hürbener Straße 9 a selbststän­dig machte und dort im Keller zwei Webstühle aufstellte. Dabei sollte es nicht bleiben: 25 Jahre später baute er nördlich des Markts an der Kammel eine Fabrik, die es noch immer gibt, wenngleich heute unter anderen Besitzern und anderem Namen, nämlich UTT Technische Textilien GmbH. Landauer begründete also die lange Krumbacher Webereitra­dition.

Dabei wollte er nie ein „großer Geschäftsm­ann“oder gar „Wirtschaft­stitan“sein. Moses Samuel Landauer war kein Mann großer Worte, vielmehr ein Mann der Tat im sozialen Bereich, der den Begriff Bescheiden­heit im wahrsten Sinne des Wortes lebte. Hinzu kamen Schlichthe­it, Energie und Frömmigkei­t, wie sein Enkel Otto in der Familiench­ronik schreibt, von der sich ein Exemplar im Besitz des Krumbacher Heimathist­orikers Herbert Auer befindet. Danach hatte M. S. Landauer eine Fülle von Ehrenämter­n inne, war 30 Jahre Gemeindebe­vollmächti­gter und vier Jahrzehnte lang Vorbeter in der Hürbener Synagoge.

Seine soziale Einstellun­g zeigte sich in einer Vielzahl privater Stipendien für verarmte Kinder. Bemerkensw­ert ist ebenso die Gründung eines Industriev­ereins, der die Kosten für Buben übernahm, die an ihre Ausbildung­smeister noch Lehrgeld zahlen mussten. Wie lange und hoch die Schenkunge­n und Darlehen an den gleichfall­s von ihm gegründete­n „Brautausst­attungsver­ein für minderbemi­ttelte Mädchen“flossen, wird in der Chronik leider nicht erwähnt. Dass er in seinem Testament festlegt, 50000 Mark müssen ausschließ­lich für soziale Zwecke bestimmt sein, soll nur am Rande vermerkt sein. Gerechtfer­tigt sind also die Worte am Ende des Vorworts dieses geschichtl­ichen Familienrü­ckblicks: „Ein guter, zielbewuss­ter und gerader Mensch hat unter zum Teil nicht leichten Verhältnis­sen ein Werk geschaffen, das sein Leben weit überdauert.“

Wie aus der Chronik weiter hervorgeht, reichen die Vorfahren von M. S. Landauer in Hürben bis ins Jahr 1733 zurück. Sein Vater Samuel ist 1763 in Hürben geboren und wird in historisch­en Akten als Krämer, Huckler, Hausierer und Handelsman­n bezeichnet. 1791 heiratete er Rebeka Levi aus Augsburg. Als sechstes Kind 1808 geboren, besuchte M.S. Landauer die Werktagsun­d Elementars­chule, absolviert­e drei Lehrjahre als Weber und ging anschließe­nd sechs Jahre auf Wanderscha­ft, legte 1833 die Meisterprü­fung ab und machte sich noch im gleichen Jahr in seinem Elternhaus selbststän­dig, wo er zwei Webstühle aufstellte. Schon bald vergab er Lohnaufträ­ge an andere Hürbener Weber, heiratete 1835 die in Hürben geborene Klara Guggenheim­er und baute sich in der damaligen Badstraße (heute Augsburger Straße) ein neues Haus, in dessen Keller zwölf Webstühle arbeiteten. Seine ersten Planungen, eine mechanisch­e Weberei zu bauen, gehen bis auf das Jahr 1854 zurück. Nach langen und zähen Verhandlun­gen fanden seine Pläne im Mai 1857 mit dem Baubeginn an der Kammel und der Inbetriebn­ahme von 32 mechanisch­en Webstühlen ein Jahr später ihr glückliche­s Ende.

Zur gleichen Zeit wurde Landauer jedoch von einem schweren Schicksals­schlag getroffen. Am 2. September 1858 starb seine Frau Klara im Alter von 41 Jahren an den Folgen einer Erkältung. Sie hatte ihm sechs Söhne und neun Töchter geschenkt, wenngleich sieben von ihnen den damals häufigen Kinderkran­kheiten zum Opfer fielen. Ein weiterer harter Schlag folgte: Am 23. Februar 1862 wurde die Weberei ein Raub der Flammen, was eine einjährige Betriebsun­terbrechun­g verursacht­e. Über die „feierliche Einweihung“des Neubaus im Mai 1863 gibt es einen Rechnungsp­osten, der drei Flaschen Champagner beinhaltet. Typisch Landauer also, der großen Wert auf eine moderne Fabrikanla­ge legte, die inzwischen 200 Webstühle umfasste.

1864 verlegte Landauer die kaufmännis­che Verwaltung nach Augsburg. Der Grund: Die wirtschaft­lichen Erschwerni­sse durch die kriegerisc­he Auseinande­rsetzung zwischen Österreich und Preußen machte deutlich, dass Hürben zwar als Produktion­sstätte, nicht aber als Verkaufsmi­ttelpunkt beibehalte­n werden sollte.

1874 zog sich der Firmengrün­der nach 41 Jahren rastloser und erfolgreic­her Arbeit ins Privatlebe­n zurück und übergab die Betriebsle­itung seinen vier Söhnen. Er starb im Juni 1893 und wurde neben seiner Frau auf dem israelitis­chen Friedhof in Hürben begraben. Im Jahr 1906 fiel die Hürbener Weberei einer Brandstift­ung zum Opfer. Die Entschädig­ung aus der Brandversi­cherung wurden für das Augsburger Werk verwendet und die Firma an der Kammel samt Grundbesit­z an die Ulmer Firma Ulrich Steiger & Söhne verkauft.

Damit endeten die Beziehunge­n der Landauers zu ihrer Ahnenheima­t Hürben. In Augsburg entwickelt­e sich das Unternehme­n unter den vier Brüdern Heinrich, Samuel, Siegmund und Joseph äußerst positiv und gehörte zu Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 zu den großen Augsburger Textilfirm­en.

Der bis 1918 dauernde Krieg selbst und die folgenden Inflations­jahre bereiteten dem Unternehme­n wie auch der gesamten deutschen Wirtschaft große Sorgen.

Noch schlimmer wurde die Situation im 100. Jahr des Firmenbest­ehens, also 1933. Ein Zitat aus der Landauersc­hen Chronik lautet: „Es ist das Jahr großer innenpolit­ischer Umwälzunge­n und ein schweres, sorgenvoll­es Jahr für jüdische Deutsche, die ihre vaterländi­sche und deutsche Pflicht zeitlebens getan und in vielen Generation­en der Wirtschaft gute und ehrliche Dienste geleistet haben.“

Das Ende der vier Generation­en Landauer und damit der Weberei in Kürze: Vom 28. Januar 1938 gibt es eine notarielle Urkunde, die ihren Verkauf an ein Heidenheim­er Unternehme­n bescheinig­t, allerdings „unter dem schweren Druck der Verhältnis­se und weit unter Wert“. Die nach dem Krieg von der amerikanis­chen Militärreg­ierung festgesetz­te Entschädig­ung für die den „Inhabern als Juden zugefügten schweren materielle­n Unrechte“war wohl nur ein bescheiden­er Ersatz.

Die Weberei in Augsburg-Oberhausen wurde kurz vor Kriegsende durch englische Bombenangr­iffe zerstört.

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Die Weberei von Moses Samuel Landauer (später Steiger und Deschler) in Krumbach nach dem Brand 1906.
 ?? Foto: Sammlung Auer ?? Das Geburtshau­s von Moses Samuel Landauer in der Hürbener Straße. Im Keller des linken Gebäudes standen seine beiden ersten Webstühle.
Foto: Sammlung Auer Das Geburtshau­s von Moses Samuel Landauer in der Hürbener Straße. Im Keller des linken Gebäudes standen seine beiden ersten Webstühle.
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Foto: Hans Bosch Sie liegen im Israelitis­chen Friedhof be graben: Moses Samuel Landauer und seine Frau Klara.
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M. S. Landauer

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