Guenzburger Zeitung

Die Leiden eines Torhüters

- VON ANTON SCHWANKHAR­T as@augsburger allgemeine.de

Sosehr es sich Loris Karius wünschte: Die Erde tat sich nicht auf. So musste der Torwart des FC Liverpool seinen Mannschaft­skollegen unter die Augen treten, nachdem er sie mit absurden Fehlern um die Möglichkei­t gebracht hatte, die Champions League zu gewinnen. Zum dritten Mal in Folge jubelten Reals Dauersiege­r. Dafür hat der Ruf Deutschlan­ds als Torwartnat­ion Schaden genommen, wie Anton Schwankhar­t im Sport schreibt. Karius wird nun damit zu tun haben, die schlimme Erinnerung zu vertreiben. Die kontemplat­ive Wirkung der Gartenarbe­it ist bekannt. Vielleicht will sich Karius ihr ja widmen. Daniela Hungbaur gibt Tipps, wie Obst und Gemüse wohl gedeihen (Bayern). Oder aber der Torwart sucht Zerstreuun­g vor dem Fernseher. Dann ist vielleicht die neue Serie von Matt Groening etwas für ihn. Ein Porträt des Simpsons-Erfinders von Christian Gall finden Sie auf der

Grob gesehen lässt sich die Fußballwel­t in zwei Lager einteilen. In die Torhüterna­tionen und die anderen. Die anderen haben nicht selten eine tolle Mannschaft, aber zwischen den Pfosten steht einer, der besser Rasenpfleg­er geworden wäre, weshalb sie selten etwas gewinnen.

Deutschlan­d gehört zu den Torhüterna­tionen. In Deutschlan­d gibt es selbst in dünn besiedelte­n Landstrich­en wie dem niederbaye­rischen Grenzgebie­t mehr gute Torhüter als im Großraum Tokio. Auch in dunkelsten deutschen Fußball-Zeiten, wie zur Jahrtausen­dwende, als ein armseliger Haufen unter Anleitung des stets adrett gekleidete­n Erich Ribbeck den Ball und die Menschen im Land quälte, hatten die Deutschen im Titanen Kahn immer noch einen Mann zwischen den Pfosten, um den sie die Welt beneidete. Dabei war Kahn nur einer in der langen Galerie großartige­r Torhüter-Ahnen, die von Toni-„Fußballgot­t“-Turek über Sepp-„Die Katze von Anzing“-Maier bis zu diversen Welttorhüt­ern reicht.

Aber ein Torhüter allein kann eine schlechte Mannschaft nicht vor dem Untergang retten. Wozu er dagegen fähig ist: eine gute im Handumdreh­en ins Debakel stürzen. Keine Nation weiß das besser als die englische. Deren dunkelste Zeit war geprägt von Torhütern wie David Seaman, einem Pferdeschw­anzund Schnauzbar­tträger, der den Ball wie ein Seehund bearbeitet­e, sowie dessen Nachfolger­n Robert Green und Scott Carson, zwei tierischen Fliegenfän­gern. Mochte der Ball noch so harmlos durch den Strafraum kullern, irgendetwa­s Schräges fiel diesen Keepern schon ein, ihn ins eigene Netz zu bugsieren.

Am Samstag nun hat sich diese Geschichte wiederholt. Mit dem Unterschie­d, dass im Kasten des FC Liverpool ein deutscher Schlussman­n stand. Einer aus der großen Torhüterna­tion, die in den Augen der Liverpoole­r Fans jetzt nur noch ganz klein ist. Loris Karius, man muss das so hart sagen, hat den FC Liverpool aller Chancen beraubt, das Champions-League-Finale zu gewinnen. Ähnlich linkisch wie ein anderer aus der großen Torhüterna­tion, Sven Ulreich, Real Madrid den Weg ins Finale geebnet hat. Karius hat hinterher geheult wie ein Schlosshun­d, weil inzwischen jeder heult, den das Glück verlassen hat. Nur Olli Kahn bleibt hart. Keine mildernden Umstände für Karius. Auch egal. Gute Rasenpfleg­er sind gesucht.

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Foto: Darko Vojinovic, dpa
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Foto: Getty Schmerz lass nach: Loris Karius am Ende eines furchtbare­n Abends.
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