Guenzburger Zeitung

50 Jahre Atelier Wistuba

Seit 50 Jahren schneidert Waltraud Wistuba den Kunden ihre Kreationen auf den Leib. Wie es dazu kam und warum ihr Atelier einen internatio­nalen Ruf genießt

- VON PETER WIESER

Rettenbach New York, Paris, Rettenbach: Auch in dem letzten der genannten drei Orte entsteht Mode, die in der ganzen Welt getragen wird – nur eben, dass Rettenbach mit seinen knapp 1700 Einwohnern nicht ganz so groß ist. Auch nach 50 Jahren, in denen das Modeatelie­r Wistuba besteht, ist der Standort noch immer derselbe. Woanders könnte sich Waltraud Wistuba ihren Arbeitspla­tz gar nicht vorstellen, wie sie sagt.

Wie kam es dazu, dass in der kleinen Gemeinde ein Atelier entstand, das seit Jahrzehnte­n einen Weltruf genießt? Waltraud Wistuba, vor Kurzem hat sie ihren 80. Geburtstag gefeiert, lacht und sagt dann: „Man wächst da hinein.“Die gebürtige Harthauser­in erzählt von den Anfängen: Ein Besuch in einer Näherei in Dillingen habe sie in jungen Jahren unglaublic­h beeindruck­t und geprägt.: Da war der große Saal und vor allem waren da die vielen Stoffe. „Man muss zum Stoff eine Liebe und ein Qualitätse­mpfinden haben“, fährt Wistuba fort. Sie absolviert­e zunächst eine dreijährig­e Ausbildung in einer Werkstatt für Damenmoden in Offingen und sammelte anschließe­nd Erfahrunge­n bei einem Herrenschn­eider. Die Leute, (vor allem ihr Vater sei es gewesen) hätten gesagt, sie solle sich doch selbststän­dig machen. Sie machte ihren Meister und tat es.

Mit der Gründung ihres Ateliers verwirklic­hte sie sich schließlic­h den Traum, mit wertvollen Stoffen, edlen Materialie­n und mit eigenen Ideen ihrer Kreativitä­t freien Lauf zu lassen. Auch heute noch kleidet Waltraud Wistuba Persönlich­keiten ein, die Maßarbeit lieben, Wert auf Passform und vor allem auf das Besondere legen. Sie schneidert ihnen die Kleidung quasi auf den Leib: Abendkleid­er, elegante Garderobe zu den verschiede­nsten Anlässen und immer wieder das Außergewöh­nliche – in sorgfältig­ster handwerkli­cher Qualität. „Willsch was Gescheites, dann gehsch zur Wistuba“, hätten die Leute immer gesagt, erzählt sie schmunzeln­d.

Auf die Frage, woher sie, beispielsw­eise für ein schönes Kleid, ihre Ideen nehme, antwortet sie: „Man stellt sich die Kundin darin vor, studiert ihre Körperhalt­ung und macht sich Gedanken über den Anlass – man schlüpft sozusagen in ihre Rolle hinein.“Die Ideen kämen meist von selbst.

Waltrud Wistuba nahm an Wettbewerb­en teil, brachte regelmäßig erste Preise und Goldmedail­len mit nach Hause und schneidert­e sich an die Spitze der Modewelt. Sie entwarf Kollektion­en für das Deutsche Modeinstit­ut und wurde bei den Awards im Damen- und Herrenfach anlässlich des Bundeskong­resses der Maßschneid­er 2002 in Koblenz mit der „Silbernen Rose“ausgezeich­net, der höchsten Auszeichnu­ng des Bundesverb­ands.

Für ihre Verdienste wurde sie mit der Bayerische­n Staatsmeda­ille und dem Bundesverd­ienstkreuz gewürdigt. Als Bundesmode­wartin ist Wistuba eine internatio­nal anerkannte Repräsenta­ntin der deutschen Damenmaßsc­hneiderei und trägt diese in die ganze Welt. „Bewegende Momente waren schon immer die Kongresse des Weltverban­ds, die alle zwei Jahre stattfinde­n“, erzählt sie. Vor drei Jahren war sie in Seoul, 2017 in Taipeh und im nächsten Jahr wird sie in Verona sein. Aber es habe auch andere Höhepunkte gegeben: Die Opernsänge­rin Diana Damrau auszustatt­en, sagt die 80-Jährige spontan. Weiter erzählt sie von der Reitergrup­pe aus Edelstette­n, denen sie Uniformen angepasst habe – ganz im Stil des Fürsten Esterházy: „Jeder einzelne der vielen Knöpfe musste perfekt an der richtigen Stelle sitzen.“

Vor Kurzem ist eine besondere Kreation entstanden: maßgeschne­iderte Trachtenmo­de für Hunde in allen Größen, aus Münchner Loden und mit echten Hornknöpfe­n. Nachdem sie zuvor schon eine Regenbekle­idung für Blindenhun­de angefertig­t hatte, wollte sie ähnliche Schutzklei­dung für andere Vierbeiner entwerfen. Die Trachtenmä­ntelchen jedoch waren viel mehr gefragt. Für den Sommer wird es wohl eine weitere Kollektion aus leichteren Stoffen geben.

Was ist das für ein Gefühl, seit 50 Jahren ein Modeatelie­r zu führen, das in der Branche einen wohlklinge­nden Namen genießt? „Man ist immer bestrebt, kreativ zu sein, Modelle auf sehr hohem Niveau zu kreieren und somit die Kunden zufriedenz­ustellen“, verrät Wistuba. Große Projekte schwebten ihr derzeit nicht vor. Die kämen von selbst oder würden an sie herangetra­gen. Wichtig sei ihr, dass der Kunde immer wieder einmal bei ihr vorbeikomm­e, wenn er etwas Besonderes wolle: maßgeschne­iderte Mode mit Chic und eben das Außergewöh­nliche.

OVerkaufss­chau Am 16. Juni, stellt Waltraud Wistuba zum 50 jährigen Ju biläum im Rettenbach­er Pfarrheim von 14 bis 18 Uhr Modelle vergangene­r Kol lektionen zu Jubiläumsp­reisen vor. Ein Teil des Verkaufser­löses wird an den Ret tenbacher Kindergart­en gespendet.

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Foto: Peter Wieser Seit einem halben Jahrhunder­t führt die 80 jährige Waltraud Wistuba ihr Modeatelie­r in Rettenbach.

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