Zimmer mit Aussicht
Ich bin mir nicht sicher, ob wir für unser Besprechungszimmer in der Redaktion den richtigen Standort ausgewählt haben. Wer sich auch noch auf die falsche Seite setzt, den packt über kurz oder lang unweigerlich das Fernweh. Das hat mit dem Reisebüro gegenüber zu tun: Ein junges Paar der Preisklasse „Besser erholt geht’s nicht“blickt mir aus dem Schaufenster entgegen, sie mit cooler Sonnenbrille, er mit lässigem Dreitagebart. Man glaubt, das Meeresrauschen gleich mitzuhören. Der Satz des Volontärs, er sei ein Verfechter der Bildschirmbräune, ist – wenn überhaupt – nur ein schwacher Trost. Dann steht da noch was von „Mehrkomfort inklusive“und die Aufforderung „Let’s go“. Mamma mia!
Das mit dem „Auf geht’s“ist ohnehin nur Theorie. In Wirklichkeit ist hier ein Häuflein Aufrechter die Ferienbesetzung, während Kolleginnen und Kollegen den wohlverdienten Familienurlaub angetreten haben. Ein Anflug von Neid wird durch das Mittagsmahl to go unterdrückt, welches das Ristorante um die Ecke zusammengestellt hat. Nach der Abholung und zurück in unserem Zimmer mit Aussicht, öffne ich den Deckel der Aluschale, in der die Antipasti verborgen sind. Sieht so 15 Minuten Amalfiküste aus? Gewiss scheint nur eines zu sein: Dass in wenigen Wochen die Urlauber von heute an derselben Stelle sitzen und ähnliche Gedanken haben werden.