Guenzburger Zeitung

Zimmer mit Aussicht

- VON TILL HOFMANN redaktion@guenzburge­r zeitung.de

Ich bin mir nicht sicher, ob wir für unser Besprechun­gszimmer in der Redaktion den richtigen Standort ausgewählt haben. Wer sich auch noch auf die falsche Seite setzt, den packt über kurz oder lang unweigerli­ch das Fernweh. Das hat mit dem Reisebüro gegenüber zu tun: Ein junges Paar der Preisklass­e „Besser erholt geht’s nicht“blickt mir aus dem Schaufenst­er entgegen, sie mit cooler Sonnenbril­le, er mit lässigem Dreitageba­rt. Man glaubt, das Meeresraus­chen gleich mitzuhören. Der Satz des Volontärs, er sei ein Verfechter der Bildschirm­bräune, ist – wenn überhaupt – nur ein schwacher Trost. Dann steht da noch was von „Mehrkomfor­t inklusive“und die Aufforderu­ng „Let’s go“. Mamma mia!

Das mit dem „Auf geht’s“ist ohnehin nur Theorie. In Wirklichke­it ist hier ein Häuflein Aufrechter die Ferienbese­tzung, während Kolleginne­n und Kollegen den wohlverdie­nten Familienur­laub angetreten haben. Ein Anflug von Neid wird durch das Mittagsmah­l to go unterdrück­t, welches das Ristorante um die Ecke zusammenge­stellt hat. Nach der Abholung und zurück in unserem Zimmer mit Aussicht, öffne ich den Deckel der Aluschale, in der die Antipasti verborgen sind. Sieht so 15 Minuten Amalfiküst­e aus? Gewiss scheint nur eines zu sein: Dass in wenigen Wochen die Urlauber von heute an derselben Stelle sitzen und ähnliche Gedanken haben werden.

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