Guenzburger Zeitung

Ganz schön zart besaitet

Hannah Epperson im Ulmer Zelt

- VON MARCUS GOLLING

Ulm Die Amerikaner­in Hannah Epperson ist eine Frau der leisen Töne. Selbst, wenn sie sich beim Publikum im Ulmer Zelt für Präsident Donald Trump entschuldi­gt oder über Twitter schimpft. Epperson, geboren in Utah, aufgewachs­en im kanadische­n Vancouver und jetzt in New York zu Hause, ist höflich, freundlich, eine zarte Seele, so scheint es. Und so klingt auch die Musik der jungen Geigerin zwischen Pop und Neo-Klassik.

Das Besondere: Epperson steht ganz alleine auf der Bühne. Ihre Stücke „baut“sie live fast ausschließ­lich mit ihrer Violine und einem Loop-Pedal. Eine leichte, in Pizzicato hingezupft­e Folk-Miniatur, darüber ein paar Akkorde und schwelgeri­sches Legato – Schicht und Schicht legen sich übereinand­er. Manchmal fügt Epperson den Klangschle­ifen noch eine Basslinie mit einem neben ihr aufgebaute­n Synthesize­r hinzu. Und dann singt sie, hoch, hauchend, fast flüsternd, von verlorenen Gefühlen, aber auch vom Unbehagen über die digitalisi­erte Welt.

Hannah Epperson gehört in die Riege von Musikerinn­en, die ihren Platz abseits von Männern etablierte­n Genres suchen. Man denkt an Freigeiste­r wie Kate Bush oder Björk, vielleicht auch an völlig abseits des Mainstream agierende Künstlerin­nen wie Folk-Harfenisti­n Joanna Newsom. Doch der dramatisch­e Ausdruck, den die Genannten pflegen, ist Epperson eher fremd. Sie ist eher eine Impression­istin, mehr als einmal klingt die Leichtigke­it des französisc­hen Komponiste­n Erik Satie an.

Wenn Epperson live spielt, ist das so, als ob sie ein Aquarell malen würde, mit feinstem Pinsel und duftigen, hellen Farben. Doch manchmal, da wünscht man sich einen kräftigen Strich, einen grellen Widerpart – vielleicht einmal einen kräftigen Rhythmus, der das schwebende Geigengesp­inst strukturie­rt. Auf ihren Tonträgern bietet Epperson genau dies an. Schade, dass diese Facette ihrer Musik in der EinFrau-Besetzung auf der Bühne zu kurz kommt.

Dennoch: Was diese in mehrfacher Hinsicht zartbesait­ete Musikerin leistet, ist spannend – und ein Farbtupfer im Zelt-Programm 2018. Die rund 250 Zuschauer feiern sie mit großem Applaus.

OUlmer Zelt Als Nächstes tritt im Ulmer Zelt The Marcus King Band auf. Der junge Schützling von Gov’t Mule Master mind Warren Haynes verbindet am Mittwoch, 30. Mai, Blues, Jazz, Country und Soul zu Southern Rock.

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Foto: Felix Oechsler Hannah Epperson ist in New York zu Hause.

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