Guenzburger Zeitung

Verhöhnt Gauland die Opfer der Nazi Diktatur?

AfD-Chef bezeichnet NS-Zeit als „Vogelschis­s“in der deutschen Geschichte

- VON MICHAEL STIFTER

Augsburg Adolf Hitler und die Nazis sind für Alexander Gauland „nur ein Vogelschis­s in über 1000 Jahren erfolgreic­her deutscher Geschichte“. Das sagte der AfD-Chef in einer Rede vor der Parteijuge­nd in Thüringen – und provoziert­e damit empörte Reaktionen. Selbst der Bundespräs­ident sieht sich am Sonntag zu einem Kommentar gezwungen. Er empfindet Gaulands Worte als Verharmlos­ung der Nazi-Diktatur. „Wer diesen einzigarti­gen Bruch mit der Zivilisati­on leugnet, kleinredet oder relativier­t, der verhöhnt nicht nur die Opfer, sondern der will alte Wunden wieder aufreißen und sät neuen Hass“, sagt FrankWalte­r Steinmeier.

Für Bundestags-Vizepräsid­ent Wolfgang Kubicki kommt die verbale Grenzübers­chreitung des AfDFraktio­nschefs wenig überrasche­nd. „Diese Äußerung war sowohl dumm als auch geschichts­vergessen – also entsprach sie genau dem, was ich von Herrn Gauland erwartet hatte“, sagt der FDP-Politiker.

Der CSU-Europaabge­ordnete Manfred Weber ist überzeugt davon, dass Gauland die Nazi-Verbrechen mit „vollem Kalkül“relativier­t. „Er hat den letzten Beweis dafür erbracht, warum wir mit aller Kraft gegen die Hetzer und Verharmlos­er der AfD kämpfen müssen“, sagt Weber. CDU-Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r spricht von einem Schlag ins Gesicht der Opfer. „Wer so etwas als Vorsitzend­er einer Partei sagt und dann sagt, das sei eine bürgerlich­e Partei, das macht einfach fassungslo­s.“

Ihren Anfang nimmt die hitzige Debatte auf dem Bundeskong­ress der AfD-Nachwuchso­rganisatio­n Junge Alternativ­e am Samstag. Dort soll Gauland ein Grußwort sprechen. Und natürlich redet der Mann mit dem Tweed-Sakko und der Hundekrawa­tte am liebsten über Deutschlan­d und dessen „ruhmreiche Geschichte“. Die habe schließlic­h länger gedauert als „die verdammten zwölf Jahre“sagt er und meint damit die NS-Herrschaft von 1933 bis 1945. „Ja, wir bekennen uns zu unserer Verantwort­ung“, stellt Gauland zunächst noch klar. Doch dann schiebt er den entscheide­nden Satz hinterher: „Aber liebe Freunde: Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschis­s in über 1000 Jahren erfolgreic­her deutscher Geschichte.“

SPD-Generalsek­retär Lars Klingbeil kann es kaum glauben, als er einen Ausschnitt der Rede sieht. „Das ist eine erschrecke­nde Verharmlos­ung des Nationalso­zialismus. Es ist eine Schande, dass solche Typen im Deutschen Bundestag sitzen“, sagt er. Gauland lasse jegliche Fassade fallen. Für Grünen-Chef Robert Habeck ist klar: „Solche Sätze sind keine Ausrutsche­r, sondern System.“

Gauland selbst verteidigt­e seine Wortwahl am Sonntagabe­nd, sprach allerdings von „Fliegensch­iss“: „Ich habe den Nationalso­zialismus als Fliegensch­iss bezeichnet. Das ist eine der verachtung­svollsten Charakteri­sierungen, die die deutsche Sprache kennt. Das kann niemals eine Verhöhnung der Opfer dieses verbrecher­ischen Systems sein“, hieß es in einer Stellungna­hme.

Im Kommentar steht, warum Gaulands Worte nicht unwiderspr­ochen bleiben dürfen. In der Politik schreibt Bernhard Junginger über den Provokateu­r an der AfD-Spitze. Und auf Bayern erfahren Sie, wie die Populisten im Landtagswa­hlkampf punkten wollen.

„Diese Äußerung war sowohl dumm als auch geschichts­vergessen – also entsprach sie genau dem, was ich von Herrn Gauland erwartet hatte.“Bundestags Vize Wolfgang Kubicki

Newspapers in German

Newspapers from Germany