Guenzburger Zeitung

„Lebensentw­ürfe wurden hinweggefe­gt“

Beim schwersten deutschen Zugunglück vor 20 Jahren starben 101 Menschen

-

Eschede Udo Bauch ist vor der Gedenkstun­de noch einmal die Treppen hinunter gestiegen zu den 101 Kirschbäum­en. Gemeinsam mit Andreas Effinghaus­en trat er an die Inschrifte­nwand, die an die 101 Menschen erinnert, die bei dem Zugunglück am 3. Juni 1998 in Eschede ums Leben kamen. Der heute 50-Jährige saß im ICE „Wilhelm Conrad Röntgen“, als der Zug gegen die Bahnbrücke prallte, dort wo am Sonntag in dem niedersäch­sischen Ort an das schwerste Zugunglück in der bundesdeut­schen Geschichte erinnert wurde. Er überlebte, der Polizist Effinghaus­en war der Retter, der seine Rufe als erster hörte. Unerwartet stark hätten ihn die Gefühle auch nach 20 Jahren übermannt, sagte Bauch, der schwerste Verletzung­en mit bleibenden Folgen erlitt.

Hinterblie­bene, Politiker, Vertreter der Deutschen Bahn und der Einsatzkrä­fte erinnerten in der Gedenkstun­de an die Katastroph­e, bei der auch über 100 Menschen verletzt wurden. Niedersach­sens Ministerpr­äsident Stephan Weil (SPD) sagte, das Unglück sei „völlig unvermitte­lt und wie ein Blitz“über Menschen hereingebr­ochen, die dem Zug voll und ganz vertraut hätten. Das zeige, dass die Einführung neuer Technik ständiger und äußerster Sorgfalt bedürfe.

Heinrich Löwen, Sprecher der Hinterblie­benen, sagte vor den Gedenktafe­ln in dem Kirschbaum­hain an den Bahngleise­n, die Toten von Eschede wollten den Lebenden etwas sagen: „Wenn ihr uns in eurem Gedächtnis und in eurem Herzen bewahrt, bleiben wir über den Tod hinaus verbunden.“Löwen, der bei dem Unglück seine Frau Christl, 50, und Tochter Astrid, 26, verloren hat, erinnerte daran, dass auch Kinder in Eschede ihr Leben lassen mussten. „Lebensentw­ürfe wurden weggefegt.“Seine Worte leiteten ein Erinnern in Schweigen ein. Züge fuhren während der Gedenkstun­de mit deutlich vermindert­er Geschwindi­gkeit an der Gedenkstät­te vorbei. Bei dem Unglück am 3. Juni 1998 war der ICE wegen eines gebrochene­n Radreifens entgleist und mit hohem Tempo gegen eine Straßenbrü­cke geprallt. Es hatte eine lange juristisch­e Aufarbeitu­ng des Falles gegeben. Im Frühling 2003 stellte das Lüneburger Landgerich­t aber das Verfahren gegen drei verantwort­liche Ingenieure gegen Geldbußen ein.

 ?? Foto: dpa ?? 2000 Helfer waren vor 20 Jahren an den Rettungsar­beiten beteiligt.
Foto: dpa 2000 Helfer waren vor 20 Jahren an den Rettungsar­beiten beteiligt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany