Einmaleins der Hormone
Biochemische Botenstoffe in unserem Körper beeinflussen unser Leben zum Teil immens. Hier ein Überblick über die unterschiedlichen Signalsubstanzen
„Das sind die Hormone“– diesen Satz bekommen Schwangere andauernd zu hören. Allerdings werden nicht nur werdende Mütter durch die körpereigenen Stoffe beeinflusst, sondern jeder Mensch. „Das Hormonsystem ist Teil unserer inneren Betriebsorganisation“, erklärt Peter Walschburger, Biopsychologe von der Freien Universität Berlin. Ohne Hormone geht im Grunde gar nichts. Hier ein Überblick.
● Wie können Endorphine Schmerzen stillen? Wenn sich der Mensch verletzt, macht der Körper etwas ziemlich Geniales. Er schüttet Schmerzmittel aus: Endorphine. Dabei handelt es sich nicht etwa um ein mildes Medikament, wie es jeder in der Hausapotheke hat. „Endorphine sind körpereigene Opiate“, sagt Walschburger. Der Körper hält diese Stoffe vor, damit der Mensch auch im Notfall noch reaktionsfähig ist. Sie wirken aber auch abseits akuter Notfälle, wenn jemand eine anstrengende Zeit durchmacht, etwa Stress im Job oder in der Beziehung hat: „Endorphine sorgen dafür, dass wir das aushalten können.“
● Verhilft uns Adrenalin zur Flucht? Adrenalin ist dafür zuständig, zusätzliche Kräfte zu mobilisieren, damit der Mensch fliehen kann. Der Botenstoff wird im Nebennierenmark gebildet und von dort aus in die Blutbahn abgegeben. Überall im Körper aktiviert Adrenalin Rezeptoren, die die kleinen Blutgefäße engstellen, damit der Blutdruck steigt. „Das ist das Besondere an Hormonen: Sie werden an einer Stelle ausgeschüttet, können aber ganz woanders wirken“, erklärt Professor Matthias M. Weber, Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie. Hormone besitzen Schlüssel für ganz bestimmte Zellen, damit sie genau da wirken, wo sie wirken sollen.
● Sind Serotonin, Dopamin und Noradrenalin Glückshormone? Bei Serotonin, Dopamin und Noradrenalin handelt es sich um Hormone und Neurotransmitter, die für die Übertragung der Erregung von einer Nervenzelle zur anderen verantwortlich sind, erklärt Professor Joachim Spranger, Direktor der Klinik für Endokrinologie (die Lehre von den Hormonen) und Stoffwechselmedizin an der Berliner Charité. Serotonin sorgt dafür, dass sich der Mensch tagsüber lebendig fühlt – daher wird es gern als „Glückshormon“bezeichnet. Gemeinsam mit Dopamin und Noradrenalin setzt es Verliebten die sprichwörtliche „rosarote Brille“auf. Wird jemand von seinem Partner verlassen, rauscht der Serotonin-Spiegel in den Keller. Die Folge kann ein Zustand sein, der dem eines Depressiven ähnelt. Bewusst steuern lässt sich die Ausschüttung solcher Botenstoffe nicht. „Wir sind andererseits aber auch keine Marionetten unserer Hormone“, betont Walschburger, sondern besitzen trotzdem einen eigenen Willen.
● Sind Östrogen und Testosteron nur lustfördernde Hormone? Unter anderem wegen dieser beiden Sexualhormone sehen Frauen aus wie Frauen und Männer wie Männer. Sie beeinflussen das Lustempfinden und die Fähigkeit, sich fortzupflanzen. Das ist aber noch nicht alles: „Östrogen ist zum Beispiel auch für den Knochenbau wichtig“, sagt Spranger. Ab den Wechseljahren stellt der Körper die Östrogenproduktion nach und nach ein – daher nimmt die Knochendichte bei Frauen häufig ab. „Testosteron wiederum ist nicht mit Geilheit gleichzusetzen“, stellt Walschburger klar. Es gibt beispielsweise auch einen Zusammenhang zwischen dem Hormon und Erfolgserlebnissen. Gewinnt etwa beim Fußball die favorisierte Mannschaft, steigt der Testosteronspiegel – „auch wenn die Fans nur im Stadion gesessen und gar nicht selbst gespielt haben“.
● Wofür ist die Schilddrüse gut? In den Zellen der Schilddrüse produzierte Hormone wie Triiodthyronin und Thyroxin gehören zu den Botenstoffen, die überall im Körper wirken. Sie sind an der Regulation des Herz-Kreislauf-Systems beteiligt, regen den Stoffwechsel an und sorgen so dafür, dass dem Körper immer genügend, aber auch nicht zu viel Energie zur Verfügung steht. Entsprechend unschön ist es, wenn die Schilddrüse nicht richtig arbeitet: Anzeichen für eine Unterfunktion sind Müdigkeit, depressive Verstimmungen, eine unerklärliche Gewichtszunahme oder ein hoher Cholesterinspiegel.
● Was ist die Aufgabe von Cortisol? Cortisol wird in der Nebennierenrinde produziert und ist wie Adrenalin ein Stresshormon. Ausgeschüttet wird es aber nicht nur, wenn der Mensch Stress verspürt. Ohne genügend Cortisol in der Blutbahn wäre der Mensch gar nicht lebensfähig. Es würde schwerfallen, morgens überhaupt aufzustehen. Cortisol wirkt sowohl auf die Blutgefäße als auch auf den Stoffwechsel. Besonders wichtig ist es für den Blutsalzhaushalt.
● Wofür ist Insulin gut? Insulin versetzt den Körper in die Lage, Energie zu speichern. Hat ein gesunder Mensch Kohlenhydrate zu sich genommen, schütten die Inselzellen in der Bauchspeicheldrüse Insulin aus. Das Insulin schließt dann quasi die Zellwände auf, damit der Zucker in die Zellen gelangen und dort gespeichert werden kann. Folglich sinkt der Zuckerspiegel im Blut: ein lebenswichtiger Mechanismus. Ist er gestört – etwa durch einen Diabetes – muss der Mensch nachhelfen und Insulin spritzen.
● Ist Oxytocin wirklich das Hormon für Verliebte? Während Verliebten ein Mix aus Serotonin, Noradrenalin und Dopamin den Kopf verdreht, schüttet das Gehirn Oxytocin aus, wenn aus einer Affäre eine Liebesbeziehung wird. Es beeinflusst auch, wie gut ein Mensch außerhalb von Paarbeziehungen mit anderen interagiert. Bindungshormon wäre also vielleicht der passendere Begriff. Besonders wichtig ist Oxytocin für die Beziehung zwischen Eltern und ihren Kindern. „Wenn etwa eine Mutter ihr Baby stillt, baut das Hormon eine dauerhafte Bindungsbrücke zwischen beiden auf“, erklärt Walschburger. Das passiert auch außerhalb des Stillvorgangs. Sogar negative Emotionen zwischen Eltern und Kindern können Oxytocin-Ausschüttungen auslösen. Die Eltern-Kind-Bindung ist deshalb nur schwer zu erschüttern. Oxytocin wirkt aber nicht nur auf die Psyche, sondern zum Beispiel auch auf die sogenannte glatte Muskulatur: „Es ist ein wichtiges Wehenmittel unter der Geburt.“
● Hilft Somatropin beim Wachsen? Das Wachstumshormon Somatropin ist bei Kindern – wie der Name schon sagt – für das Wachstum zuständig. Bei Erwachsenen ist es unter anderem für die Verteilung des Fetts im Körper verantwortlich. Wer einen athletischen Körper haben möchte, sollte also die Ausschüttung des Wachstumshormons anregen. Anders als bei anderen Hormonen kann der Mensch das ganz bewusst tun, erklärt Spranger: „Zum Beispiel durch ausreichend Schlaf.“
● Macht Melatonin müde? Melatonin ist als Schlafhormon bekannt, weil es den Tag-Nacht-Rhythmus des Menschen reguliert. Produziert wird das Hormon in der Zirbeldrüse im Hirn, aber auch im Darm und in der Netzhaut des Auges. Es wird ausgeschüttet, wenn es dunkel ist. Der Körper stellt sich auf Schlaf ein, der Mensch wird müde. Wenn es morgens wieder hell wird, wird die Produktion gehemmt. Das ist das Signal für den Körper, langsam aufzuwachen. Das Hormon hat aber auch antioxydativen Einfluss. Das bedeutet: Die schädliche Wirkung freier Radikale, die für die Zellalterung und Zellschäden verantwortlich sind, wird gemindert. Würde Melatonin das nicht machen, würde sich das in deutlich mehr Falten zeigen. Heute wissen Wissenschaftler aber auch, dass das Hormon im Zusammenhang steht mit diversen chronischen Erkrankungen wie Diabetes, Neurodegeneration und Krebs.