Schuhgröße 68
Mann mit den größten Füßen der Welt bekommt neue Treter
Vreden „Officially Amazing“steht auf der Urkunde, die Jeison Rodriguez, Schuhgröße 68, stolz und schüchtern entgegennimmt. Offiziell großartig also, darf er sich nennen, weil er auf Füßen steht, die laut Guinness-Buch der Rekorde mit ihren 40,55 Zentimetern auf der linken sowie 40,57 Zentimetern auf der rechten Seite weltweit Rekordformat haben.
40 Zentimeter – das ist so lang wie ein Bierkasten. Damit der 22-Jährige mit solchen Füßen und einer Körpergröße von inzwischen 2,36 Metern überhaupt passendes Schuhwerk bekommt, ist er weit gereist: Er stammt aus Maracay in Venezuela und hat das erste Mal seine Heimat verlassen, um am Montag in Vreden im Münsterland neue Schuhe anzuprobieren. Sandalen, Pantoletten, Wander- und Halbschuhe stehen bereit, gefertigt in der Schuhwerkstatt für Übergrößen der Familie Wessels. Bereits mehrfach hat der Schuhspezialist Georg Wessels Rodriguez mit passendem Schuhwerk ausgestattet, kostenlos – wie so viele Riesenwüchsige, die sich die teuren orthopädischen Schuhe nicht leisten könnten.
Als die Gebrüder Wessels sich vor mehr als fünf Jahrzehnten auf Schuhe für Übergrößen spezialisierten, heckten sie den Plan aus, künftig medienwirksam die Größten der Welt mit Schuhen zu versorgen. „Doch dann habe ich die Menschen kennengelernt und schnell gemerkt, welche Schicksale dahinter stecken“, sagt Georg Wessels. Aus dem PR-Gag ist längst auch eine Lebensaufgabe geworden. Er ist schon in viele entlegene, meist arme Gebiete gereist mit Riesenschuhen im Gepäck. Die Menschen, die auf die Spezialschuhe angewiesen sind, leiden unter der Krankheit Akromegalie. Ein Tumor an der Hirnanhangdrüse lässt sie immer weiter wachsen – mit gefährlichen Folgen. Stoppen Medikamente und eine Operation das Wachstum nicht, sterben die Riesenwüchsigen meist früh. Der Körper schafft es irgendwann nicht mehr, mit der Größe fertig zu werden.
Ohne Hilfe aus dem Münsterland, sagt Rodriguez’ in Deutschland lebende Cousine, würde er wohl noch in ausgetretenen Stoffsandalen umherlaufen. Oder in selbstgebastelten Latschen aus alten Autoreifen, verlacht von seinen Klassenkameraden. „Wenn er überhaupt noch laufen könnte“, ergänzt Wessels. Ohne richtigen Halt drehten sich irgendwann die Füße nach oben, weil die durch die Krankheit besonders weichen Sehnen und Bänder nachgäben. Die neuen Schuhe entgegennehmen zu können, sei daher für ihn ein sehr emotionaler Moment, sagt Rodriguez. „Ich war überwältigt“, übersetzt die Cousine.
Auch Wessels kämpft mit den Emotionen: Ihm sind seine großen Freunde und deren Familien ans Herz gewachsen.