Guenzburger Zeitung

Warum der Stern des Autos sinken wird

Der Abgasskand­al hat nicht nur dem Diesel einen Tritt verpasst. Die junge Generation schätzt andere Statussymb­ole. Einer neuen Mobilität gehört die Zukunft

- VON JÜRGEN MARKS mrk@augsburger allgemeine.de

Automobili­sten müssen jetzt stark sein. Viele Jahrzehnte lang hat das Auto unser Leben dominiert. Hinter dem eigenen Lenkrad zu sitzen, das war der Traum aller Teenager und die Lust vieler Menschen, vor allem der Männer.

Das Auto generierte unseren Wohlstand, weil es hunderttau­sende Arbeitsplä­tze bei Daimler, Audi, VW und Opel schaffte. Gerade im Regierungs­bezirk Schwaben und in Oberbayern, wo die Werkbank Bayerns steht, leben viele Menschen von der Arbeit bei (Auto-)Zulieferer­n. In Deutschlan­d sind insgesamt etwa 1,8 Millionen Arbeitsplä­tze direkt oder indirekt von der Autoproduk­tion abhängig.

Doch der Nimbus von deutscher Ingenieurs­kunst und automobile­r Leidenscha­ft bröckelt. Und das hat mehrere Gründe.

Der Abgasskand­al hat dem Image des Autos einen üblen Tritt verpasst. Plötzlich ist die stolze Karosse eine Dreckschle­uder. Die Gespräche drehen sich seltener um Hubraum und Beschleuni­gung. Diskutiert werden gesundheit­sschädlich­e Emissionen von Stickoxide­n, Kohlendiox­id und Feinstaub.

Die stolzen deutschen Autoherste­ller gelten nicht mehr als innovativ. Im Gegenteil: Ihre Verbrennun­gsmotoren wirken veraltet, wenn Tesla, Volvo oder Hyundai mit ihren Elektromot­oren auftrumpfe­n. Auch wenn sich langsam die Erkenntnis durchsetzt, dass die Fertigung einer Hochleistu­ngsbatteri­e mehr Kohlendiox­id in die Luft wirbelt, als ein Dieselmoto­r mit einer Laufleistu­ng von fast 100 000 Kilometern verursacht.

In den immer engeren Städten sind Fahrer großer SUV inzwischen so beliebt wie ein Rachenkata­rrh. Die Geländewag­en gelten als Störenfrie­de und natürliche­r Feind der Umwelt. En vogue ist Carsharing. Beliebtes Argument: Das eigene Auto stehe im Schnitt 23 Stunden täglich nur rum.

Noch wächst zwar die Zahl der Autos in Deutschlan­d. Auch weil immer mehr Familien sich einen Zweitwagen leisten können. Doch das Ende des Booms ist absehbar. Dafür werden schon die Millennial­s sorgen. Diese digital aufgewachs­enen jungen Stadtmensc­hen empfinden ihr Smartphone als Statussymb­ol – weniger das Auto. Viele organisier­en sich Mobilität über Apps, haben Lust auf Fahrrad und öffentlich­en Nahverkehr.

Nach Jahrzehnte­n der Monokultur des individuel­len Autofahren­s stehen wir vor einem Zeitenwech­sel. Die Dominanz des Autos wird durch eine neue Mobilität gebrochen, die sich über digitale Plattforme­n nahezu perfekt organisier­t. Apps zeigen uns, wo das nächste Carsharing-Fahrzeug oder das Leihfahrra­d stehen. Oder wir planen die Fahrt mit günstigen Sammeltaxi­s, die vielleicht irgendwann auch autonom fahren.

Auch angesichts der Erstickung­sgefahr in den Städten wird die Politik der neuen Mobilität eine größere Bedeutung einräumen. Die Straßen werden enger, weil Fahrradweg­e zu Fahrradstr­aßen wachsen. Besser getaktete Busse und Straßenbah­nen nehmen mehr Raum ein. Das alles geschieht im Ansatz bereits in Augsburg und anderen Städten.

Auch in der Industrie hat der Strukturwa­ndel begonnen. Zunehmend werden Elektromot­oren, die nur zehn Prozent der Bauteile eines Diesels haben, angeboten. Der Verbrenner wird nur noch einer unter mehreren Motoren sein. Hersteller starten Carsharing- und Sammeltaxi-Dienste, weil sie wissen, dass sie dieses Neugeschäf­t in Erwartung sinkender Autoproduk­tion brauchen.

Das alles heißt nicht, dass das Auto stirbt. Aber sein Stern sinkt. Automobili­sten werden zwar in der Mobilität der Zukunft ihren Platz finden. Er wird im Vergleich zu heute nur deutlich kleiner werden.

Radwege werden zu Fahrradstr­aßen

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