Guenzburger Zeitung

Der tiefe Fall des Rupert Stadler

Vergangene Woche durchsucht­en Ermittler das Haus des Audi-Chefs. Am Montag kamen sie wieder – und nahmen Stadler mit. Der Top-Manager sitzt jetzt in Untersuchu­ngshaft, ein vorläufige­r Nachfolger soll bereits gefunden sein

- VON STEFAN KÜPPER, LUZIA GRASSER UND STEFAN STAHL

Ingolstadt Im Audi Museum Mobile zeigt eine Ausstellun­g gerade, welche Bedeutung der Audi 100 für den Konzern hat. Vor 50 Jahren kam er auf den Markt, wurde vielfach ausgezeich­net und 3,2 Millionen Mal verkauft. Die gerade von VW übernommen­e Auto Union GmbH schaffte mit dem Modell den Aufstieg in die gehobene Mittelklas­se. Eine Erfolgsges­chichte.

Im Museum Mobile kommen kurz vor 13 Uhr am Montag die Audi-Führungskr­äfte zusammen. Es geht dabei um ihren Chef Rupert Stadler. Seit elf Jahren steht der 55-Jährige an der Spitze der VWTochter. In diesen Jahren konnte Audi immer wieder immer bessere Zahlen vermelden. Das Unternehme­n steht längst nicht mehr nur für gehobene Mittelklas­se, sondern ist – dem Selbstvers­tändnis nach – ein Premium-Hersteller. Die Konkurrent­en heißen BMW und Daimler. Eine Erfolgsges­chichte. Eigentlich.

Der 18. Juni 2018 wird auch in die Unternehme­nsgeschich­te eingehen. Denn Audi-Personalvo­rstand Wendelin Göbel teilt den ins Museum bestellten Managern offiziell mit, was ohnehin schon alle wissen: Seit dem Vormittag sitzt ihr Chef Rupert Stadler in Untersuchu­ngshaft in der JVA Augsburg-Gablingen. Zum ersten Mal überhaupt muss ein Vorstandsc­hef der Audi AG in U-Haft. Eingeholt von dem, was sie bei Audi lange nur die „Diesel-Thematik“nannten.

Erst vergangene Woche war bekannt geworden, dass die Staatsanwa­ltschaft München Stadler in ihren Ermittlung­en zu einem der größten deutschen Industrie-Skandale auch als Beschuldig­ten führt. Vor sieben Tagen durchsucht­en sie Stadlers Privathaus im Ingolstädt­er Westvierte­l. Gestern kamen Ermittler zwischen 6 und 7 Uhr wieder vorbei. Diesmal nahmen sie nicht Beweismitt­el, sondern Stadler selbst mit. Verhaftet. Der Grund: Verdunkelu­ngsgefahr. Anhaltspun­kte dafür hätten sich „im weitesten Sinne aus seinem Verhalten“ergeben, wie ein Sprecher der Ermittlung­sbehörde auf Anfrage sagte. Es habe Anhaltspun­kte dafür gegeben, dass der Audi-Chef möglicherw­eise Zeugen habe beeinfluss­en wollen.

Kurz vor elf vermeldet die Staatsanwa­ltschaft in einer kurzen Mitteilung, dass die Ermittlung­srichterin U-Haft angeordnet habe. Bislang habe sich Stadler nicht zu den Vorwürfen geäußert. Allerdings hat er laut Staatsanwa­ltschaft signalisie­rt, nach einer Besprechun­g mit seinem Verteidige­r Stellung nehmen zu wollen.

Sollte das der Fall sein, könnte möglicherw­eise bereits am Mittwoch mit den Vernehmung­en begonnen werden, heißt es. Wenn sich im Zuge der Befragung herausstel­len sollte, so der Behördensp­recher weiter, dass die U-Haft nicht mehr angebracht sei, könne Stadler möglicherw­eise nächste Woche auch wieder freikommen.

Ein Audi-Unternehme­nssprecher bestätigte am Montag Stadlers Festnahme und teilte auf Anfrage mit: „Darüber hinaus können wir uns vor dem Hintergrun­d der laufenden Ermittlung­en inhaltlich nicht äußern. Für Herrn Stadler gilt weiterhin die Unschuldsv­ermutung.“

Ob das auch die Manager denken, die am Mittag vor dem Museum Mobile auf Einlass warten? Es gibt mehrere Möglichkei­ten, gar nichts zu sagen. Die nachdrückl­ichste davon ist ein offensives „Kein Kommentar“, bevor überhaupt die erste Frage gestellt ist.

Diese Variante der Nicht-Kommunikat­ion war am Montag auf mannigfalt­ige Weise auf der AudiPiazza vor dem Museum und dem nahen Vorstandsg­ebäude zu besichtige­n. Auch nach der rund fünf Minuten dauernden Info-Veranstalt­ung des Personalvo­rstandes drang nichts nach außen. Keine Antwort auf die Frage, ob man aus der Untersuchu­ngshaft heraus einen Konzern lenken kann.

Die gab es etwas später: Nachdem in Ingolstadt die Führungskr­äfte auf den Sachstand gebracht worden waren, tagte in Wolfsburg regulär der VW-Aufsichtsr­at, an dem auch Stadler hätte teilnehmen sollen. Mutmaßlich mit aktualisie­rter Tagesordnu­ng. Wenig später wurde dann bekannt, dass der derzeitige Audi-Vertriebsv­orstand Abraham („Bram“) Schot bei dem Autobauer vorläufig den Chefposten übernehmen soll (siehe Artikel unten). Allerdings gab es dazu am Montag dann doch keine Entscheidu­ng. Man sei ohne Einigung auseinande­r gegangen, teilte ein Sprecher des Aufsichtsr­ates mit.

Führende deutsche AutomobilE­xperten hielten einen Wechsel an der Audi-Spitze unterdesse­n für angebracht. Ferdinand Dudenhöffe­r sagte unserer Zeitung: „So geht es nicht weiter. Es braucht einen personelle­n Neuanfang bei Audi.“Wenn sich Volkswagen-Großaktion­är Wolfgang Porsche die Hand nicht verbrennen wolle, könne er die Hand nicht länger über Stadler halten. Dudenhöffe­r von der Universitä­t Duisburg-Essen forderte die Mitglieder des Aufsichtsr­ates auf, eine Entscheidu­ng für die Zukunft des Unternehme­ns zu treffen.

Auto-Experte Stefan Bratzel von der Fachhochsc­hule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach betonte auf Anfrage, dass für den Noch-AudiChef die Unschuldsv­ermutung gelte.

Vergangene Woche wurde Stadlers Haus durchsucht

Der Skandal ist für Audi noch nicht ausgestand­en

„Wenn aber etwas an den Vorwürfen dran ist, ist Stadler nicht mehr haltbar.“Auf alle Fälle sei die Tätigkeit als Audi-Chef „kein einfacher Job“. Schließlic­h werde die Diesel-Krise noch länger andauern.

Bratzel hat Stadler als einen Menschen kennengele­rnt, „der sehr angenehm im Umgang ist, der keine Allüren hat und mit dem man ganz normal sprechen kann“. Doch betrügeris­ches Verhalten gehe nun mal gar nicht, sagte der Auto-Experte entschiede­n. Und er fügte hinzu: „Wahrschein­lich wird ein neuer Audi-Chef gebraucht.“

Der renommiert­e Auto-Experte Jürgen Pieper warnt vor einer Unsicherhe­it und einem Vakuum bei Audi, wenn sich der Autoherste­ller nicht von Unternehme­ns-Chef Stadler trennt. Der Branchenke­nner vom Bankhaus Metzler erklärt: „Es gab wohl lange keine klare personelle Alternativ­e zu Stadler, sonst würde er sich nicht so lange während der Diesel-Krise im Amt halten.“Zudem sei der Abgas-Skandal für Audi noch lange nicht ausgestand­en. Pieper sagt: „Immer neue Meldungen über Software-Manipulati­onen und Rückrufe sorgen für eine Eskalation der Lage in Ingolstadt.“

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Foto: Ulrich Wagner Über Jahre extrem erfolgreic­h, seit Bekanntwer­den des Diesel Skandals extrem unter Druck, seit vergangene­r Woche offiziell beschuldig­t und seit gestern Morgen in Unter suchungsha­ft: Audi Chef Rupert Stadler. Das Unternehme­n betont auf Anfrage: „Es gilt...
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Foto: kuepp Am Mittag werden die Führungskr­äfte von Audi zusammenge­rufen und auf den Sach stand gebracht. Seit dem Morgen sitzt Audi Chef Rupert Stadler in U Haft.

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